Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1971

Spalte:

780-782

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Peerlinck, Franz

Titel/Untertitel:

Rudolf Bultmann als Prediger 1971

Rezensent:

Winter, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

779

interpretieren und voraussetzen, daß sie falsch verstanden
worden sei. Doch für Bosse steht fest, daß „ihre logische
Struktur ihrer ... intendierten dynamischen Funktion nicht
entspricht. Das spricht sachlich gegen ihre weitere Verwendung
in der heutigen christlichen Friedengethik" (S. 108).
Unverständlich ist, wieso Ii. die Dialektik, die zugegebenermaßen
dynamisch ist, in die Nähe der Komplementarität
rückt, nur weil sie angeblich „politisch gegen ein statisches
Mißverständnis nicht gefeit" sei: Es ist doch ein Unterschied,
ob eine Konzeption in ihrer Logik undynamisch ist oder ob
eine andere gegen statische Mißverständnisse geschützt werden
muß. Gegen Mißverständnisse kann sich schließlich nichts
und niemand wehren. Aber: abusus non tollit usum.

Berlin Gerhard llassarak

Kellner, Erich [Hrsg.]: Sexualität ohne Tabu und christliche

Moral. München: Kaiser, u. Mainz: Matthias - Grünewald -
Verlag [1970]. 192 S. 8°. DM 12,80.

In dieser Schrift, die einen Tagungsbericht über die vordringlichsten
Probleme der modernen Sexualität enthält, werden
sechs Referate und drei dazwischen stattgefundene Diskussionen
wiedergegeben; die Referenten zu gleichen Teilen
Theologen (zwei katholisch, einer evangelisch) und Naturwissenschaftler
(bzw. Mediziner). .1. David handelt über „Christliche
Sexualmoral in einer säkularisierten Welt", Ilans Giesc
über „Emanzipatorische Scxualerziehung". Paul Matussek
hat zum Thema „Sexualität als Partnerschaft", Joachim II-
lies „Die ganz andere Dimension menschlicher Liebe". Franz
Böckle spricht über „Christliche Sexualethik im Umbruch",
Wolf Dieter Marsch über „Christliche Moral und Evolution
der Sexualität".

Die Veröffentlichung läßt sich leicht als ein Ganzes begreifen
; denn die hier vertretenen Standpunkte liegen überraschend
nahe beisammen. Gewiß hat sich der katholische
Theologe mit der Interpretation des Naturrechtes und der
kirchlichen Autorität auseinanderzusetzen. Der evangelische
Ethiker findet anhand der Bibel leichter durch die auch ihm
anhaftenden Traditionen einer christlichen Bürgerlichkeit zur
Freiheit hindurch. Aber diese Differenzen erweisen sich dann
im Gespräch als überraschend relativ, wie auch die Unterschiede
zwischen den Theologen und den hier vert retenenNaturwissenschaftlern
mehr in den Unterschieden des jeweils
vorgetragenen Materials als in der Gesinnung und in der ethischen
Tendenz zu suchen sind. Der Wille zur Fortschrittlichkeit
, zur Emanzipation, um nicht zu sagen zur Einholung der
auf dem Gebiete der Sexualmoral stattgehabten Entwicklungen
ist allen gemeinsam. Um so überzeugender treten dann
in den naturwissenschaftlichen Voten die Umrisse eines spezifisch
menschlichen Verhaltens hervor, und in den theologischen
Voten entfalten die Gedanken der Liehe und der Verantwortung
auf dem Hintergrund einer Analyse des Moral-
wandelns doch eine zwingende Normkraft.

Dieser Tagungsbericht ersetzt keine Ethik der Sexualität,
aber er vermag eine Orientierungshilfe zu bieten, auch wenn
man bei einzelnen Sätzen Vorbehalte machen mag. Die Freiheit
des Urteils erweist sich immer aufs neue als eine schwere
Aufgabe, aber ihr Lohn liegt immer auch darin, daß sie nicht
so gefährlich ist, wie es der herkömmlichen Konvention in
ihrer Zaghaftigkeit erscheinen mag. Nachdenklich bleibt der
einleitende Satz von J. David: „Ich werde zu dem Schluß
kommen, daß es eine Moraltheologie kaum gibt, sondern daß
alles im Grunde genommen Philosophie, Soziologie, Anthropologie
, Psychologie ist. Von einer eigentlichen Theologie als
Offenbarungswissenschaft kann auf diesem Gebiete kaum gesprochen
werden." Ebenso scheint mir für das ganze Buch zu
gelten, was W. D. Marsch am Ende seines Referates sagt:
„Nirgends sonst bedarf es so dessen, was wir mit dem viel
mißbrauchten Wort .Liebe' meinen: den anderen anzuerken-

780

nen, ohne ihn zu mißbrauchen, ihn in seinem Anderssein gelten
zu lassen und zugleich die eigene Identität zu wahren."

Das Buch ist nach der einen Seite fast verschwenderisch
ausgestattet: Als Anhang werden Personenregister, Sachregister
und Verzeichnis der Referenten geboten (S. 179—191).

Aber man erfährt über die Tagung seihst weder wann noch
wo sie stattgefunden hat. Die Diskussionen sind offenbar
nach Tonband wiedergegeben. Aber muß der Leser darum
wirklieh mit allen Einzelheiten derselben belästigt werden:
„Prof. J.: Meine Töchter hätte ich nicht gerne als Versuchspersonen
. .." (S. 55); „Prof. M.: Ich sage: ja. Prof. S.: Ein lautes
Ja.". Und vor allem: Ist es wirklich nötig und der Sachlichkeit
dienlich, in der öffentlichen Präsentation bei dieser
Thematik immer so reißerisch aufzutreten, wie es hier schon
im Buchtitel geschieht, und dann, bis zur Anbiederung an die
heute umlaufenden Populärurteile, im Bcgleittext: „Die
christliche Morallehre, deren Hauptfeld immer die Ge-
schlechtlichkeil war — und noch ist —, trottet wie ein störrischer
Esel hinter der allgemeinen Entwicklung her..." Offenbar
hat der Verantwortliche für solche Texte keine Kennt -
nis von der Geschichte außerchristlicher Askese, und er hat
die Geschichte der christlichen Moral nie studiert oder wieder
vergessen.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

Becker. Walter: Das soziale Geheimnis in der Gemeindedia-
konie (Die Innere Mission 60, 1970 S. 112-115).

— Künstliche Insemination. Ihre Probleme in juristischer
und ethischer Sicht (Evangelische Kommentare 3, 1970
S. 289-291).

Boll, Heinrich: Woche der Brüderlichkeil (JK 31, 1970 S.
210-211).

Crowther, C.: Works, Work and Good Works (ET 81, 1970 S.
166-171).

Heckmann, Gustav: Max Borns öffentliches Wirken (Neue
Sammlung 10, 1970 S. 125-127).

Heller, Agnes: Religion und Alltagsleben (Internationale Dialog
Zeitschrift 3, 1970 S. 128-137).

Herrick, Canon R. W.i The Social Sciences and the Work of

the Churches. IV. Dependence and Worship (ET 81, 1970
S. 164-166).

Mathers, James: The Social Sciences and the Work of the
Churches. V. The Use of Understanding of Group Beha-
viour in Pastoral Care (ET 81, 1970 S. 196-200).

Venzmer, Gerhard: Darf die menschliche Erbmasse künstlich
verändert werden? (Wege zum Menschen 22, 1970
S. 76-78).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Peerlinck, Franz, Dr.: Rudolf Bull mann als Prediger. Verkündigung
als Vollzug seiner Theologie. Kerygma und Mythos
als Problem der Predigt. Hamburg-Bergstedt: Reich
1970. 266 S. 8° — Theologische Forschung. Wissenschaftl.
Beiträge zur kirchl.-evang. Lehre, hrsg. v. Il.-W. Bartsch,
F. Buri, D. Georgi, G. Harbsmeier, J. M. Robinson, F.
Theunis, K. Wegenast, 50. DM 20,-; Lw. DM 24,80.

Die Doktorarbeit des Antwerpener Bcdcmplnrislc npntcrs
ist in Verbindung mit E. Schillebeeekx und G. Hasenhüttl
entstanden. „Es gehört zu der großen ,katholischen' Tradition
in der evangelischen Kirche, die heule in der römischkatholischen
Kirche noch zu wenig beachtet wird, daß der
Theologieprofessor neben dem Lehrstuhl die Kanzel besteigt,
um Gottes Wort zu verkünden" (S. 13; 261). Nach dieser Anknüpfung
beschränkt sich der Vf. darauf, IL liultmanns homiletische
Produktion immanent darzustellen und positiv, ja
apologetisch zu würdigen. Die homiletischen Kriterien für

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 10