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Ausgabe:

1971

Spalte:

763-765

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Nikiprowetzky, Valentin

Titel/Untertitel:

La troisième Sibylle 1971

Rezensent:

Heller, Jan

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763

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 10

704

Aalen, Leiv: John Nomc runder de 65. En hilsen post festum
(Tidsskrift for Teologi og Kirkc 10, 1969 S. 241).

Aarflot, Andreas: När historien fär liv. Om John Nomc som
historikor (Tidsskrift for Teologi og Kirkc 40,1969 S. 242 Iiis
251).

Carder, W. G.: On the Bcginnings of Canadian Baptist. Mis-

sionary Work in India: The. Maritime Provinces Mission

(India'n Church History Review 4, 1970 S. 37-43).
Dorais, Fernand: Le qucstionnenient de la critique litteraire

(Science et Esprit 23, 1971 S. 221-246):
Eabiny, Tibor: Fragen der Kirchengeschichtsschreibung in

Ungarn heute (ZdZ 2, 1971 S. 48-53).
Gauss, Julia: Das Religionsgespräch von Abaelard (ThZ 27,

1971 S. 30-36).
Oavigan, J. J.: The Discalced Augustinians in Vienna.With

a sketch of their Germanic Province (Augustiniana 20,

1970 S. 495-580).
Gunleiksrud, Gaute: John Nome som religionsfilosof og etiker

(Tidsskrift for Teologi og Kirke 40, 1969 S. 252-271).
Meersman, Achilles: A Prosposal to Erect the Madurai, My-

sore and Carnatic Missions into a Diocesc (Indian Church

History Review 4, 1970 S. 15-18).
Oftestad, Berat Torvild: Mikael Hertzberg og „Pro Ecclesia".

En höykirkelig stromning i mcllomk rigst idens Norge (NTT

71, 1970 S. 193-216).
Yerushalmi, Yosef Hayim: The Inquisition and the Jews of

France in the Time of Bernard Gui (HThR 63, 1970 S.

317-376).

Ypma, E.: Los auteurs augustins francais. Liste de leurs noms
et de leurs ouvrages (Augustiniana 20, 1970 S. 347—396).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Nikiprowetzky, Valentin: La troisimie Sibylle. Paris — La
Haye: Mouton 1970. XII, 386 S. gr. 8° = Ecole Pratique
des Hautes Etudes — Sorbonne. Sixieme Section: Sciences
Economiques et Sociales. Etudes Juives IX. ffr. 84, — .

Das Buch bietet eine ausführliche Zusammenfassung der
Forschungsarbeit an dem dritten Sibyllenbuch. Es bleibt
wahrscheinlich manchen von unseren Lesern schwer zugänglich
; ob aus technischen oder sprachlichen Gründen, mag dahingestellt
bleiben. So wird eine ausführlichere Inhaltswie-
dergabe nützlich sein.

Die ersten vier Kapitel befassen sich mit der Gestalt der
Sibylle. Allen alten griechischen Schrift stellern, die vor dem
6. Jh. schrieben, wie Homer oder Hesiod, war sie unbekannt.
Die erste Erwähnung ist bei Herakleit von Ephesos, später
bei Aristophanes und Piaton. Jedoch ist allen diesen Schriftstellern
nur eine Sibylle bekannt; mehrere Sibyllen-Gestalten
erschienen erst später. Sibylle war ein asiatisches Gegenstück
zur delphischen Pythia; als Prototyp diente die Gestalt
der Cassandra. In der hellenistischen Zeit gab es Sibyllen fast
überall, z. B. Varro zählt zehn Sibyllen auf. Die vielen Sibyllen
-Gestalten kann man in drei Gruppen aufteilen: acht
griechische, eine italienische, drei orientalische. Die letzte aus
der dritten Gruppe ist die sogenannte babylonische oder hebräische
Sibylle, mit der sich das ganze Buch befaßt.

Dann untersucht der Autor den Namen Sibylle sowie die
alte Behauptung, daß die babylonische Sibylle Tochter des
Berossos gewesen sei. Der Vergleich der alltcstamentlichen
und der sibyllinischcn Nachricht vom Bau des Babelturmes
begründet keineswegs die Vermutung, daß sich die sogenannte
babylonische Sibylle auf besondere babylonische Quellen
stützt. Daraus folgt, daß wir in dem dritten Buch nicht mit
der „babylonischen", sondern mit der „hebräischen" Sibylle
zu tun haben. Weil nun der letzte Abschnitt des „dritten Buches
" (Vers 827) diese Sibylle als Verwandte von Noah vorstellt
, konnte man sie in dieser Epoche nur als chaldäische
oder babylonische bezeichnen. Diese Verwandtschaft ist nicht

zufällig. Die beiden, Noah und Sibylle, sind Bußprodiger
vgl. 2. Petr. 2,5 —,die sich bemühen, die sündige Menschheit
vor dem Gericht Gottes zu reiten: Noah vor der Wasser
Sintflut, Sibylle vor der Feuer-„Sintflut". Die ausführliche
Analyse des „dritten Buches" bestätigt auch eindeutig, dafl
dieses Pseudepigraph seinen Ursprung In dersell..... Überlieferung
hat wie das llcnoch- und .1 uhiläenhuch. Aus diese)
zwei Büchern entnimmt auch das ,,dritte Buch" öfters direkte
Anregungen.

Das fünfte Kapitel analysiert den Texl und die Komposition
. Zuerst liefert der Autor eine Inhaltsübersicht, dann
beschreibt er die Struktur des „dritten Buches". Obwohl es
eine Kompilation ist, kann man darin doch einen Plan linden :

Das Buch sollte ein Gegenstück des Alten Testamentes sein.
Die Verse 97—274 vertreten die geschichtlichen Bücher, die
anderen (1—96 und 275—829) entsprechen den Propheten. Im
Gegensatz zu der geläufigen Vermutung hat also das „dritts
Buch" eine bestimmte logische Folge. Sehr schwierig isl zu
unterscheiden, was man als Vergangenes und was mau als
Zukünftiges meint; beides wurde absichtlich vermischt.

Das sechste Kapitel befaßt sich mit der Lehre des „drillen
Buches". Im ersten Abschnitt ..Theologie" sind die Aussagen
über Gott, göttliche Wesen, Menschen und Welt geordnet vorgelegt
. Der zweite Abschnitt untersucht die Beziehungen
zwischen Gott und Mensch. Es sind: Gotteserkenntnis, Gerechtigkeit
, Liebe, Übertretung, Strafe und Gottes Beziehung
zur Geschichte. Der dritte A bschnitt ist. den gesrhi<'hls-

philosophischen Fragen gewidmet, besonders der Eschatolo-
gie. Die bekannte pseudepigraphische Auffassung, die die Geschichte
mit der Prophetie und die Chronologie in Ii der Kscha-
tologie eng verbindet, kommt auch hier völlig zur Geltung.
Der letztere vierte Abschnitt enthält sehr wertvolles Vergleichsmaterial
über den sibyllinischen Synkretismus. Die benutzten
mythologischen Begriffe und Bilder stammen fast
ausschließlich aus den griechischen Quellen; die wirklichen
Beziehungen zum Orient sind sehr dünn. Die Sibylle arbeitet
geläufig mit der alexandrinischen Euhemeros-Doktrine.nach
der die heidnischen Götter ursprünglich urzeitliehe, später
vergötterte Mensehen waren. Dagegen bleibt der Ursprung
der vielen apokalyptischen Aussagen unsicher.

Die Entstehungszeit des ..drillen Buches", von dem das

sichte Kapitel spricht, kann man nicht genau feststellen. Der
Autor lehnt die herrsehende Meinung ab, daß das Buch entweder
in den Jahren 170—163 v. Chr. oder um L40 v. (dir
entstanden sei; durch eine überzeugende Analyse kommt er
zu dem Datum 42 v. Chr., also kurz nach dem Tode von Caesar
. In einem beigefügten ausführlichen Exkurs zeigt der Autor
, daß keine von den Stellen, die man bisher als christlich0
Interpolationen zu deuten pflegte, wirklich aus einer christlichen
Hand stammen muß.

Das achte Kapitel untersucht den Ursprung des „dritte"
Buches". Dieses ist — wie auch der ganze Rest der Sammlung
samt dem „vierten Buch" — ein Produkt des hellenistischen
Ägyptens. Das „vierte Buch" unterscheidet sich in dieser Hin-
licht keineswegs von dem hier untersuchten „dritten Buch •
So ist auch die Meinung unhaltbar, daß das „dritte Buch" W
einem traditionellen, das „vierte" dagegen in einem sekliri-
sehen Judaismus wurzeln sollte. Die Hypothesen, es hätte
eine sibyllische Sekte gegeben, kann man aus dem Text nicht
begründen. Positiv beurteilt der Autor die alte Vermutung
von Ch. Alexandre, daß das „dritte Buch" aus den Händen
oder mindestens aus der Werkstatt von Aristobul stamm»,
der einen älteren „Pseudo-1 lesiod" in die sibyllinische Fori»
umgearbeitet hat. Die Beziehung des Buches zu den Therapeuten
, die besonders M. Friedländer und J. Thomas vertreten
haben, sind zwar wahrscheinlich; die Therapeuten waren
aber in dem alexandrinischen Judaismus mehr eine Strömung
als eine Sekte und verkörperten eine dem Philo verwandte
Tendenz. So entstammt das gemeinsame Gut, dasdi"
Sibyllinen, Philo und die Therapeuten aufweisen, der nllgc*
meinen Stimmung in der griechisch-freundlich gesinnte»
Gruppe des alexandrinischen Judentums. Für die offizielle'1