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Ausgabe:

1971

Spalte:

757-759

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kertelge, Karl

Titel/Untertitel:

Rechtfertigung bei Paulus 1971

Rezensent:

Stuhlmacher, Peter

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 10

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Berlin Karl Martin bischer

Int gesamt möchte ich das Buch B.s eine zum Nachdenken sen und abschließend herausgestellt, die Rcchlfcrligungs-
anregende Studie nennen, die gewissenhaft das Material aus- lehre des Paulus diene als theologische Reflexion dem Verbreitet
, wichtige Beobachtungen macht, und Kinzelschlüsse slündnis seines Kcrygmas, was nach Kertelge freilich heißt.
z'eht, die nicht übergangen werden können. Der Rezensent ihre „letzte. Intention ist... die Begründung des neuen Gehor-
liat sich bemüht, die von Ii. angefangenen Versuche kon- sams de» Menschen" (307).

strnktiv weiterzufuhren. Ein Buch, das zu solchem Nach- Meine Einwände gegen die Darstellung entzünden sich an

denken und Fortführen zwingt, isl ein gutes und wichtiges diesem Schlußsalz, betreffen dann das vom Vf. m, I*!. noch

Buch. nicht hinreichend gewürdigte christologische Moment der

Rechtfertigung und einige Einzelheiten, darunter vor allem
die weitgehende Ausklammcrting der Frage von Rechtfertigung
und Endgericht sowie Rechtfertigung und Ende der Geschichte
. Der Methode des Vf.s, seiner Auslegung der (iottes-
gerechtigkeit und der Würdigung der Rechtfertigung als Mit-

Kertelge, Karl: „Rechtfertigung" hei Paulus. StU....... zur "' der Panischen Theologie stimme ich dagegen gern zu.

Struktur und zum Bedeutungsgehalt des paulinischci. D« Kortclpr- und ich fast gleichzeitig und unabhängig von-

Rechtfertigungsbegriffs. Münster LW.: Verlag Aschendorff einander den Versuch gemacht haben, die pauhnische Recht-

[19671. VII, 335 S. gr. 8° = Neutestamentliche Abhand- fertigungstheologie vom Phänomen der Gottesgerechtigkeit

langen, hrsg. v. J. Gnflka, N. F. 3. Kart. DM 38.-; Lw. her zu erfassen, empfinde ich es als wichtig, daß auch er der

D^j ^2 _ vor allem in der liultmannschule bis heute emphatisch verteidigten
anthropologischen Fassung der Gottesgerechtigkeit

Das vorliegende Buch verdient Beachtung. Es handelt sich als Glaubensgerechtigkeit nicht zustimmt, vielmehr in der

um eine 1964 in Münster i. W. angenommene, für den Druck 6UMOCIOOUVT) öeoO einen aus dem Alten Testament heraus-

"ocli mehrfach ergänzte katholisch-theologische Dissertation. wachsenden, schon im Judentum (vor allem in Qumrun) ge-

Oa es dem Vf. weilgehend gelingt, die in Dissertationen üb- brüuchlichcn, formelhaften Ausdruck sieht, der bei Paulus

liehen Vereinseitigungen zu vermeiden und er zudem sein „zu einer Aussage über das eschatologische Heilshandeln

ihema in fundiertem Gespräch sowohl mit der modernen Gottes und die daraus erfolgende Heilssi luation des [mufihei-
protestantischen wie katholischen Exegese unseres Jahrhun- Ucn: der. Bez.] Menschen auf Grund ihres Glaubens an Jesus
derts zu behandeln weiß, und zwar ohne in konfessionelle Po- Christus" erhoben wird (107). Obwohl sich Kertelge die Par-
Icmik zu verfallen oder den Absland zwischen paulinischer allelität von Rom. 1,3f. und 1,16f. bei seiner Argumentation
Rechtfertigungsholschaft und späterer kirchlicher I.ehrbil- entgehen läßt, schließt er aus Rom. 3,24—26; 10,3f. und
düng zu übersehen, haben wir eine grundlegende Arbeit vor 2. Kor. 5,21 mit Recht auf eine christologische Bestimmung
uns, an der nunmehr der Standpunkt der kritischen katho- des Ausdrucks „Gottesgerechligkeit" im Sinne der Erschei-
Btehen Exegese zum Rechtfertigungskomplex zu messen ist. nung dieser Gerechtigkeit in Person und Werk Jesu Christi.
Baß uns eine Zusammenfassung dieses Standpunktes — ab- K. sieht auch, daß der von der Tradition in Rom. 3,24—26
Besehen von R. Sehnaekenburgs knapper Skizze in seiner vorgegebene Sühnegedanke von Paulus „als gültige Interpre-
"Nculcslamentlichc(n) Theologie" — fehlte, erhöht den Wert lation des Todes Jesu in sein Christusverständnis einbezogen
der Arbeit Kertelges (= K.) ebenso wie der Umstand, daß (wird)" (108). Wenn er aber gleichzeitig meint, dieser Sühne-
Uns eine entsprechend abgewogene und zusammenfassende gedanke werde von Paulus „nicht weiter entfallet" (ibd.),
Barstellung der Rechtfertigungstheologie des Paulus im pro- sondern die Sühnopferchristologie werde von Paulus in
'estantischen I!( ■reich bislang fehlt und bei der noch anhalten- Rom. 3,21 ff. und Oberhaupt nur „durch die Einführung seiden
erregten Debatte wohl auch noch eine Zeit lang fehlen nes Glaubensbegriffes auf den Menschen hin ausgerichtet'"
w'rd. (302), geht er m. E. zu rasch an Rom. 4,25; 5,1-11; 8,31f;

Das Ruch ist durchweg gut lesbar, erleichtert die Orientie- 2. Kor. 5,21 vorbei und verliert damit gleichzeitig die Mög-

rung durch fortlaufend gegebene Zusammenfassungen, Stel- lichkeit, die angenommene christologische Begründung der

'e'i- und Sachregister, bleibt, in der wissenschaftlichen Pole- Gottesgerechtigkeit als befreiendem Heilserweis GoUesdurcb-

nuk erfreulich fair und zurückhaltend und bietet eine gute gängig festzuhalten. Wie wenig das Christusgeschehen bloße

k'teraturübers'cht. K. gibt seine Darstellung in zwei Haupt- Voraussetzung der paulinischen Soteriologie ist, zeigt sich ja

feilen, denen ein zusammenfassender Schluß folgt. Im ersten an Rom. 8,31—34, wo Paulus durchaus eigenständig auch das

eil wird in zwei Kapiteln zunächst die Struktur der pauli- Wirken des Auferstandenen als Fürsprache zur Rechtferti-

'"schen Rechtferligungsbolschaft untersucht, und zwar von gung sehen lehrt und damit der Möglichkeit vorbeugt, das

e^nfr und Phänomen der Gottesgerechtigkeit(6UVtauooövr) Ereignis der Rechtfertigung nur relrospekliv auf einst began-

oeoC) her. Der zweite Teil bemüht sich in vier Kapiteln gene Sünden zu bezichen und auf die Taufrechtfertigungein-

™n* den „Bedeutungsgehalt des paulinischen RechtfertigungS- zugrenzen. Beachtet man aber, daß für den Apostel sowohl

Begriffs", wobei der forensische und eschatologische Sinn der der Opfertod Jesu wie sein Wirken als Auferstandener mit

Rechtfertigung, die Zusammenhänge von Rechtfertigung und der Rechtfertigung verbunden werden, kann man noch viel

glaube, Rechtfertigung und Taufe sowie Rechtfertigung und freier von einer „cschatologischen Erstreckung" der Recht-

'-Unk behandelt werden. Zwei Exkurse „Zur Deutung der fertigung (151) bzw. davon sprechen, daß das Heil für den

Unhcilsmächte" und „.Gesetz und Evangelium' bei Paulus" Apostel „Erfüllung und Verheißung zugleich" sei (158). Auf

ervollständigen die Argumentation. Im Schlußabschnitt die Konsequenz, daß Rechtfertigung christologisch und an-

Wird der theologische Ort der Rechtfertigung bei Paulus be- thropologisch prozessual gedacht werden muß, nach Rom.

*l"nmt und das Gesamtergebnis thesenartig zusammenge- i 1,32 auf das Ende der Geschichte als Rechtfertigung aller

*Bt. Die Hauptthese lautet: „Über ihre situationsbezogene, Gottlosen aus Glauben an Christus allein zuläuft und sich in-

Polemisch akzentuierte Intention hinaus ist die Rechtferti- sofern zugleich soteriologisch und theozentrisch zuspitzt,

fc'K'igsthcsc des Paulus allgemeingültiger theologischer Aus- stößt K. deshalb nicht durch, weil er die Funktion von Rom.

ruck seiner Reflexion über die Situation des Menschen in der 9—11 für den Rechtfertigungskomplex nur beiläufig streift

"nde und des Heilswirkens Gottes am Menschen. Seine und darüber hinaus den Aspekt der Treue Gottes zu seinen

f^htfertigungslehre ist jedoch keine systematisch ausge- Verheißungen, den Paulus in Rom. 1,1 ff.; 1,16f.; 3,5; 3,24 bis

'""e Heilslehre, wohl aber die geschlossenste und umfas- 26; 4; 9,4f.; ll,28ff. gerade im Zusammenhang der Recht-

8^ndsle theologische Darstellung seincg Heilsgedankens, fertigungsverkündigung kräftig betont, zu sehr hintanstellt.

' <irch die ein neues christliches Selbstverständnis des Men- Für die Frage nach Rechtfertigung und Heiligung hat das

? begründet wird" (306f.). Zuvor wird auf die christolo- nun freilich Folgen. Mit großer Behutsamkeit widmet sich der

c ie Begründung der Rechtfertigung bei Paulus hingewie- Vf. zwar gerade diesem Thema, betont energisch, Rechtferti-