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Ausgabe:

1971

Spalte:

52-55

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schröder, Oskar

Titel/Untertitel:

Aufbruch und Mißverständnis 1971

Rezensent:

Lell, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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Setzungen der Zeit. Als freilich 1627 Cosins „Devotions"
erschienen, hatte sich längst schon ein anderer, liturgieferner
Typ des privaten Andachtsbuches durchgesetzt, der
sich in der Anordnung seines Stoffes nicht mehr an den
„horae canonicae" orientierte, sondern in seinen Gebeten
und Meditationen auf konkrete Situationen des täglichen
und geistlichen Lebens bezogen war. Cosins Veröffentlichung
darf als ein Versuch gewertet werden, den „Primer"
in seiner ursprünglichen, dem offiziellen Stundengebet der
Kirche verpflichteten Form zu erneuern („a somewhat iso-
lated phenomenon in relation to the populär devotional
literature of the time", XXVII); kein Wunder, wenn dieser
Restaurationsversuch von Anfang an auf den erbitterten
Widerstand der puritanischen Kreise stieß (bereits der 2.
Auflage mu5te Cosin mit Rücksicht auf die puritanischen
Angriffe ein klärendes Wort — „The Printer to the Reader"
— hinzufügen).

Hauptquellen für Cosins „Primer" sind zwei Horarien
der elisabethanischen Epoche: Das „Orarium" von 1559/60
und die „Preces Privatae" von 1564. Im Aufbau folgt Cosin
im wesentlichen diesen und anderen Stundenbüchern früheren
Datums: An eine Vorrede, die mit zahlreichen Väterzitaten
durchsetzt ist und die Bedeutung des geformten, an
die „horae canonicae" angelehnten Gebetes auch für die
private Frömmigkeit betont, schliefen sich die üblichen
kalendarischen Materialien, Festlisten und katechetischen
Stücke (Credo, Herrengebet, Zehn Gebote mit Erklärungen
usw.) an. Den Hauptteil des Buches bilden dann die „Hou-
res of Prayer": Vorbereitende Gebete, Versikel, Psalmen,
Antiphonen, Lesungen, Hymnen, Cantica, Kollekten, Preces,
Benediktionen usw. in der für die einzelnen Hören typischen
liturgischen Abfolge und Auswahl, nach dem Vorbild
des offiziellen kirchlichen Stundengebets, nur wesentlich
vereinfacht und auf ein einziges Modell für die betreffende
Höre beschränkt, ohne Wechsel im Proprium. Jeder einzelnen
Höre wird eine kurze Einführung nebst einer Reihe
von Schrift- und Väterzitaten vorausgeschickt, die den
„ancient use" der jeweiligen Gebetsstunde begründen sollen
(z. B.: „The Antiquitie of the Mattins, or, Morning
Prayer. Deduced aswell from the Testimony of the sacred
Scriptures, as from the holy Fathers of the Church", S. 76).
Cosin kennt 6 Gebetszeiten, wobei Matutin und Laudes zu
einer Höre („The first Houre, or, the Morning Prayers")
zusammengefaßt sind; es folgen Terz, Sext („Mid-day"),
Non, Vesper („Time of Evensong") und Komplet.

Der Inhalt der „Devotions" wird vervollständigt durch
die 7 Bußpsalmen, die Litanei mit den dazugehörigen Gebeten
, die Kollekten für die Sonn- und Feiertage des Jahres
(wobei auch die Sonntage nach Trinitatis und zahlreiche
Heiligentage eigene Kollekten erhalten), Gebete vor und
nach dem Empfang des Abendmahls, Sündenbekenntnisse,
Gebete für König und Königin (in Form eines kleinen Offiziums
), Gebete für die vier Quatemberzeiten, Gebete für
Kranke, Sterbegebete, Gebete zu verschiedenen Anlässen
(ein Zugeständnis an die neueren, liturgiefernen Gebetbücher
!), darunter besonders eines „for the whole Estate
of Christs Catholike Church" (S. 284), aber auch für Eltern,
Kinder, Schwangere, Kranke, Kriegszeiten, Geburts- und
Tauftage, Notlagen usw. Die Sammlung schließt mit einem
Gebet Augustins und einer ausführlichen Segensformel.

Der Einfluß, den Cosin mit seinen „Devotions" auf die
weitere Entwicklung der liturgischen Frömmigkeit in der
Church of England und in der weltweiten Anglikanischen
Gemeinschaft ausgeübt hat — insbesondere auch auf die
verschiedenen Versionen des Book of Common Prayer —,
wird von den Herausgebern sehr hoch eingeschätzt: „ ...not
since Cranmer had a single man exercised so much influence
on the English liturgy". Angemerkt sei noch, daß seine
„Houres of Prayer" auch von einigen anglikanischen Ordensgemeinschaften
als reguläres Stundengebet übernommen
wurden.

Bedeutsam sind Cosins „Devotions" jedoch auch als
ein Dokument der Theologie und der Frömmigkeit der —
besonders mit dem Namen von William Laud verbundenen
— „High Churchmanship" des 17. Jahrhunderts. Bei aller
Loyalität gegenüber der Krone und den damit verbundenen
politischen Konsequenzen erweist sich diese Theologie
(gerade auch am Beispiel der „Devotions"!) doch als eine
ökumenisch aufgeschlossene, großzügige Art christlichen
Denkens. Cosin teilt mit seinen hochkirchlichen Zeitgenossen
das Bewußtsein, in der Kirche von England die begehrte
und notwendige „via media" („the mean between the
.excesses' of Geneva and Rome", XV) gefunden zu haben:
Eine gesunde, von allen Auswüchsen und Fehlentwicklungen
gereinigte Katholizität, die fest auf dem Boden der
Schrift und der Väter steht und offen ist für alles Gute und
Wahre in den anderen Konfessionen, auch in der Kirche von
Rom („the Church of Rom is a true, though not a sound
Church of Christ", XVI); eine Katholizität, die das Ende
der Spaltungen herbeisehnt und vorausschaut („ . . .that at
last an end may be put to the differences of religion, or
at least that they may be lessened, and that we may ,follow
peace with all men, and holiness' ", XXII). Die Hochschätzung
der Alten Kirche, ihrer Lehre und ihres Lebens „before
Popery", der man in Cosins Werk auf Schritt und Tritt
begegnet, ist Grundlage dieser Haltung, die sich selbst als
„katholisch, aber nicht papistisch" charakterisiert. Jedem,
der einen Sinn hat für kirchengeschichtliche Zusammenhänge
, ist ohne weiteres deutlich, daß es ohne diese frühe
anglikanische Theologie, wie sie in Cosins „Devotions" einen
hervorragenden Ausdruck findet, nie zur Ökumenischen
Bewegung unseres Jahrhunderts gekommen wäre.

Barth/Ostsee Karl-Heinrich Bieritz

Dienst, Karl: G. W. F. Hegels Sicht der Reformation in ihren
Grundzügen (DtPfrBl 70, 1970 S. 481-485).

Fransen, Piet: Das Thema „Ehescheidung nach Ehebruch*
auf dem Konzil von Trient (1563). (Concilium 6, 1970 S.
343-348).

Kuss, Otto: Über die Klarheit der Schrift. Historische und
hermeneutische Überlegungen zu der Kontroverse des
Erasmus und Luther über den freien oder versklavten
Willen (ThGl 60, 1970 S. 273-321).

Luijk, Benigno van: L'Ordine agostiniano e la riforma
monastica (Augustiniana 20, 1970 S. 235—266).

Schlenck, Wolfgang: Die Reichsstadt Memmingen und die
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Schöne, Jobst: Luthers Bekenntnis vom Altarsakrament.

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Teeuwen, N.; Meijer, A. de [Hrsg.]: Documents pour servir

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Extraits des registres des prieurs generaux (1507—1551)

(Augustiniana 20, 1970 S. 267—323).
Weier, Reinhold: Das Theologieverständnis Martin Luthers

und dessen Bedeutung für die Gegenwart (Catholica 24,

1970 S. 177-193).

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Schroeder, Oskar: Aufbruch und Mißverständnis. Zur Geschichte
der reformkatholischen Bewegung. Graz-Wien-
Köln: Verlag Styria [1969]. 562 S. 8°. Lw. DM 42.-.
Der einundachtzigjährige katholische Ökumcniker will
„den mit dem vagen Ausdruck ,Modernismus' bezeichneten
reformkatholischen Aufbruch am Anfang unseres Jahrhunderts
in seiner positiven Bedeutung ... würdigen, anstatt
— wie bisher in katholischen Darstellungen — nur