Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1971

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

711

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9

712

1. Advent bis Pfingsten, der 2. Teil Auslegungen zu zentralen
Fragen des Glaubens und des biblischen Kerygmas
(so über den Sinn der Gleichnisrcde, über brüderliche Liebe,
apostolische Sendung, über Abendmahl und Trinität); im
3. Teil werden Texte interpretiert, die den Glauben in der
Konfrontation mit der Welt zeigen, zuletzt ein Abschnitt
aus dem hohenpricsterlichen Ccbet Joh. 17. Dabei aber
finden sich vielfältige thematische Berührungen und motivische
Überschneidungen: Predigten zum Himmelfahrtstag
finden sich im 1. und 3. Teil; das Motiv „Gott als Geist"
beschließt den 1. und eröffnet („Geist wider Geist") den

2 Teil; von Gebet und Lobgesang hören wir in allen Teilen
des Bandes, so daß keine Frage, keine Antwort irgendwo
endgültig abgelegt wird, sondern immer neu Erinnerung,
Vertiefung, Erhellung stattfindet

Der sorgfältig gewahrte Rückbezug zum Text ist überall
spürbar, drängt sich aber nie schulmeisterisch-penetrant
auf. Das exegetische Wissen ist im Hintergrund präsent,
ohne belehrend präsentiert zu werden; wo es nötig ist,
werden Ergebnisse der Text- und Sachkritik nicht verschwiegen
, sondern gerade der homiletischen Veranschaulichung
dienstbar gemacht (so z. B. S. 69 über den Schluß
des Markusevangeliums, S. 268 über das Christusbild des
Johannesevangeliums). Dabei entstammen die Predigttexte
etwa zur Hälfte den Evangelien; den paulinischen (und
deuteropaulinischen) Briefen sind 4, dem Alten Testament

3 Texte entnommen.

Die Zone der theologischen Reflexion hat der Vf.
nicht gemieden, sondern er hat sie durchschritten und dann
als Prediger freilich hinter sich gelassen. So wirken seine
Aussagen durchdacht, aber nie intellektuell überfrachtet.
Er mutet dem Hörer und Leser zu, sich mit ihm den Streitfragen
und Glaubenszweifeln der Gegenwart zu stellen -
wo, wann, wer Gott sei; was Ostern uns sein könne;
welcher Stellenwert dem Wort „Himmel" im Zeitalter der
Weltraumflüge zukomme; was sich dem Teilnehmer am
Mahl des Herrn erschließt - und läßt mögliche Antworten
so aufleuchten, daß sie ohne doktrinären Zwang wie aus
dem Wesen der Sache selbst erfahrbar werden: Ostern -
„ein Lied wider den Tod"; Abendmahl - „der Tisch des
Glaubens".

So vollzieht sich die notwendige homiletische Aktualisierung
niemals durch Reduktion auf das vordergründig
Eingängige - weder sachlich noch sprachlich. Jede
Verharmlosung des in der biblischen Überlieferung Vorgegebenen
unterbleibt. Darum sucht Jetter immer wieder
und schonungslos die Konfrontation mit der Wirklichkeit,
besonders auch mit den vielfältigen Formen kirchlichen
Versagens - auf S. 212 findet sich z. B. auf engstem Raum
ein nahezu vollständiges Schuldregister der Christenheit.
Neben solcher Konfrontation findet sich als Weg zur
Aktualisierung die Methode der Intensivierung: Die biblische
Aussage wird auf dem Weg zur Konkretisierung nicht
verlassen, sondern in einander umfassenden und überlagernden
Kreisen der Betrachtung immer unausweislicher
auf die Situation bezogen - so etwa wenn das Osterbekenntnis
und die Nachricht vom Lawinentod einer Jugendgruppe
als Doppelmotiv einer ernsten Festpredigt einander
begleiten (S. 57 ff.). So zeichnet sich eine doppelte
geistige Bewegung ab: Ein Erkenntnisgang vom Text her
in das Wort hinein, so daß der Hörer zuletzt nicht eine
bravouröse rhetorische Schlußkadenz, sondern das Wort
selbst als Wegleitung im Ohr behält; und: eine Lebensbewegung
mit dem Wort zur Welt, die sich unter dem
Wort als Welt Gottes erschlossen hat. All dies erreicht
der Vf. in der ursprünglichen Kraft seiner Sprache, die
ihn ausweist als einen, der im Wort und in der Welt zu
Hause ist.

Predigtpublikationen werden heute meist sehr kritisch
aufgenommen, „Professorenpredigten" oft mit achtungsvoller
, aber leicht ironische Skepsis. Hier aber liegt ein

notwendiges, ermutigendes, weiterführendes Buch vor;
hilfreich nicht zuletzt auch für Theologen.

I.i-ipzigr Norbert Müller

Csipai, Arno: Diakonie als Ausdruck christlichen Glaubens
in der modernen Welt. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
G. Mohn [1971]. 40 S. 8° = Handbücherei für Gemeindearbeit
, hrsg. v. A. Funke, W. Hahn, P. Krusche,
A. Niebergall, H.-W. Surkau, H.Thimme, 49. Kart. DM 4,80.

Depelchin, Joe: Theses pour un lieu d'ecoute (Communion
96, 1971 S. 34-36).

Dumas, Andre: La soumission mutuclle dans les epitres
(Communion 96, 1971 S. 4-19).

Forck, Gottfried (Hrsg.): Wie soll es bei uns weitergehen?
Tauflehre und Taufpraxis. Zwölf Gemeindebriefe. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [1970]. 111 S. 8". Kart. M 4,-.

Frank, Isnard W.: Von der Pfarrei als Anstalt zur Pfarrei
als Gemeinde (WuA 12, 1971 S. 11-16).

Peisker, Carl Heinz: Moderne diakonische Ausbildung
(DtPfrBl 71, 1971 S. 177-179).

Rubio, Jose: Estructuras y libertad cn la vida religiosa
(Revista augustiniana de espiritualidad 11, 1970 S. 385 bis
407).

Schrift, Theologie, Verkündigung. Hrsg. von dem theologisch
-wissenschaftlichen Arbeitskreis „Schrift und Verkündigung
". Gütersloh: Gütersloher Verlagkhaus G. Mohn
(1971). 73 S. 8°. Kart. DM 5,80.

Turrado, Argimiro: El hombre, totalidad indivisible en su
vida y en todo su dinamismo. Necesidad de un cono-
eimiento präetico de todos los elementos de la vocaeiön
(Revista agustiniana de espiritualidad 11,1970 S. 363-384).

Volp, Rainer; Programmierte Christen? - Bemerkungen
zur Zielsetzung von kirchlichen Strukturreformen (KuK 34,
1971 S. 28-30).

Wächter, Christophe von: Developpement, reeiprocite et
avenir culturel (Communion 96, 1971 S. 22^33).

LITURGIEWISSENSCHAFT

Kurzeja, Adalbert: Der älteste Liber Ordinarius der Trierer
Domkirche. London, Brit. Mus., Harley 2958, Anfang
14. Jh. Ein Beitrag zur Liturgiegeschichte der deutschen
Ostkirchen, hrsg. u. bearb. Münster/Westf.: Aschendorff
[1970]. XXI, 626 S., 3 Taf., 1 Faltkte gr. 8° =: Liturgie-
wissenschaftl. Quellen u. Forschungen, hrsg. v. O. Helming
, 52. Kart. DM 120,-.

M. W. ist dieses Werk die umfangreichste liturgiegc-
schichtliche Arbeit, die je als Dissertation (Trier 1967)
vorgelegt worden ist, und darüber hinaus der umfassende
Kommentar zu einer liturgischen Textausgabc in unserer
Zeit. Daß es über 1900 Anmerkungen enthält, manche so
lang, daß sie den Textteil einer Seite völlig verdrängen,
ist Ausdruck des breiten Rahmens, in dem der Gegenstand
betrachtet wird, 1. geographisch (das Register verzeichnet
europäische Orte zwischen Linköping und Syrakus, Wells
und Konstantinopel), 2. historisch (von der Urkirche, etwa
S. 383 zu den Fürbitten, bis heute, etwa Anm. 388 u. 407
zu den Antiphonen der Fastenzeit, Anm. 500: Erinnerung
des Vf. an seine Heimat, IV), 3. inhaltlich (es werden all''
in dem Text erwähnten Punkte des liturgischen Lebens
durchdiskutiert). Der Prologus des S. 431-556 veröffentlichten
, vermutlich infolge der Französischen Revolution (19)
nach England gelangten Textes (Editionsgrundsätze S. 425 ff )
bietet in ungewöhnlicher Weise eine Eigendefinition: Er
lehrt, was im Laufe des Kirchenjahres in choro et qu°
ordine sit cantandum, qualiter ibi sit in offieiirs divinis
agendum et extra ad stationes et alias procedendum in
ordine.

Die im 12. Jh. aufkommenden libri ordinarii (LO) wollten
dem Klerus den Gebrauch der verschiedenen liturgischen
Textbücher erleichtern. Sie vermitteln wertvolle Kenntnis