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1971

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9

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nicht nur, um vernünftiges Denken ernst zu nehmen, sondern
auch, um Offenbarungsaussagen überhaupt machen zu
können, die von einem kritischen Denken ernst genommen
werden wollen" (S. 89).

Hinsichtlich Barths weist der Vf. darauf hin, daß dieser
nicht immer und ausschließlich exegetisch arbeitet. Man
denke nur an sein Anselm-Buch. Man kann auch fragen, ob
es wirklich immer die Exegese ist, die Barths dogmatische
«Aussagen trägt. Es ist Browarzik wichtig, dafj Barth in
mehrfacher Hinsicht den Rahnerschen Ansatz bestätige:
einmal indem beide Theologen auf je ihrem Weg zu gleichsinnigen
Aussagen von Gott kommen; sodann indem eben
Barth selber nicht rein und konsequent exegetisch verfahre;
schließlich indem Offenbarungstheologie als solche exegetisch
, als exegetische aber historisch verfahre, was kein
prinzipielles Prae gegenüber dem metaphysischen Denkweg
verdiene. („Warum soll der denkende Mensch den Mut
aufbringen, einem menschlichen Zeugnis zu vertrauen,
daß es die Wahrheit sagt, und nicht einer vernünftigen
Überlegung?" S. 185) - Browarzik sieht bei Barth ein
unklares „Mischverfahren" zwischen exegetischem und
dogmatischem ( metaphysischem) Ansatz. K. Barth erscheint
ihm offenbar als Wirrkopf, der „viel Wertvolles mit
viel Unverständlichem, ja Widersprüchlichem vermengt"
hat (S. 142), der sich wenig darum kümmert, „wie nun
das eine zum anderen paßt" (S. 148), der sich in Tautologien
ergeht, nicht denkt, wo man denken muß, aber
reflektiert, wo es nichts zu reflektieren gibt (vgl. S. 180).
„Sein Verfahren ist sprunghaft und willkürlich und wird
weder der dogmatischen noch der exegetischen Aufgabe
gerecht" (S. 225). Seine „diszendierende theologische Denkart
(sc. im Gegensatz zur transzendentalen), die von Gott
selbst ausgehen will, ist erschlichen", weil wir „auf der
Seite der Menschen und nicht auf der Seite Gottes" stehen
(S. 154. Zwischenfrage: Wer hat sich in unserm Jahrhundert
um das Letztgesagte mehr Gedanken gemacht als
K. Barth?). Die menschliche Selbstgewißheit mußte Barth
im Zuge seines Ansatzes in Selbsttäuschung „umdeuten, um
nicht zu sagen umlügen" (S. 194). Barths Polemik „macht
es dem Nachdenkenden schwer, bei der Sache zu bleiben
und nicht auch auf irgendwelche Schimpf- und Spottreden
zu verfallen" (S. 192). Dies sind nur einige Beispiele dafür.
Wie das Buch in dem Barth gewidmeten Teil Pamphletcharakter
annimmt. Seltsam, wie mit einem Autor, der auf
jeder Seite methodische Reflexionen vorträgt, die Gefühle
derweise durchgehen können. Wobei vielleicht Haßliebe
im Spiel ist. (Barth figuriert in der Widmung nach Rahner
als ,verehrter Lehrer'.) Vergleicht man Zitate, weil einem
dieses und jenes Barth-Dictum seltsam vorkommt, so entdeckt
man nicht nur haufenweise inhaltlich wenig belangvolle
Zitatfehler, sondern auch grobe sachliche Entstellungen
(vgl. nur S. 181.184/7), die für mich diese Arbeit an den
Rand des Skandalösen rücken- Steht K. Barth heute derweise
als Abschaum da, daß man ihm gegenüber, in einer Habilitationsschrift
, der fundamentalen Gebote sachlicher Zuverlässigkeit
überhoben ist? Aber halten wir uns dabei,
gleichwohl, nicht auf. - Browarzik hätte gut getan, mehr
literarische Hilfen heranzuziehen, wo ihm Barth wirr
erscheint; z. B. hinsichtlich des Freiheits-Begriffs die dies-
bez. Monographie von U. Hedinger. Er hätte sich um
Barths theologisch-methodische Reflexion mehr mühen müssen
, da sie, trotz A. v. Harnack (dessen Kritik an Barth für
Browarzik gefundenes Fressen ist) von Anfang an ausge
Prägt vorliegt. Statt ihn in der Nähe des ,credo, quia absurdum
' anzusiedeln (vgl. S. 87). Er hätte sich durch seine
(eher kurzschlüssige und höchstens halbrichtige) Feststel-
!ung, Barth habe die katholische Analogielehre mißverstanden
, nicht vom Durchdenken von dessen Analogia-fidei-
Position dispensieren sollen. Er hätte auch gut getan,
Barths Gespräch mit den Philosophen Heinrich Barth
(•Philosophie und Theologie', 1960) und Max Bense (.Denken
heißt: Nachdenken', 1963) heranzuziehen - um nur
dies zu nennen. (Wie kann Browarzik übrigens immer
wieder Fichtes berühmtes Lob des Metaphysischen gegen
Barth ausspielen wollen, wo seine eigene Intention, als
wissenschaftliche, gerade nicht auf die ,Seligkeit', sondern
gerade auf die .Verständigkeit' geht?!) Schließlich: Browarzik
legt Wert darauf, daß die Transzendentalthcologie,
als christliche Theologie, auf Offenbarung bezogen ist. („Nur
weil der Analogietheologe wirklich auch Theologe ist und
Glaube wie Offenbarung voraussetzt, kommt er zu dem
ihm so sicher und notwendig erscheinenden Erkenntnisziel.
Es ist also eine doppelte Richtung in diesem Denken zu
unterscheiden: Eine Richtung von dem sich offenbarenden
Gott auf Welt her und eine andere von Welt auf den sich
offenbarenden Gott hin" (S. 84). Bowarzik müht sich auch
um die Verhältnisbestimmung (vgl. S. 241 ff.), wenn er auch
Barth sehr getadelt haben dürfte, wenn der, an Rahners
Statt, das Verhältnis nicht luzider bestimmt hätte, als
Rahner es bestimmt hat; am deutlichsten ist wohl die
Empfehlung im Anschluß an C. H. Ratschows Lob der lutherischen
Dogmatik des 17. Jahrhunderts: „weit entfernt von
der modernen Hypothese, daß ,von Gott ausschließlich von
dem biblischen Wort aus zu sprechen sei', hätten sie noch
den metaphysischen Mut, unabhängig von Schrift und
Historie theologische Sachfragen ,in aller möglichen Sauberkeit
zu lösen, um daraufhin (!) ... die biblischen Zeugnisse
erfassen zu können'" (S. 270). Gegenfrage: Braucht
dieses theologische Bemühen, um nicht auch in Browarziks
Sinn abwegig zu werden, nicht das Gegenüber einer ,Offenbarungstheologie
' (welcher der Autor bisweilen nur den
Alleinvertretungsanspruch absprechen zu wollen scheint,
die er an anderen Stellen jedoch grundsätzlich ad absurdum
führen will) - eine Offenbarungstheologie, die nicht nur
Umschlag ist für Glauben und Denken, sondern auch für
Exegese und Denken, die den, bestehenden Schwierigkeiten
zum Trotz Exegese wagt (schon indem der christliche Theologe
aus dem Bibelwort lebt!), ohne daß sie, wie Browarzik
es immer wieder voraussetzt, für jeden ihrer Sätze ein
Jesuswort braucht - denkt sie doch dem Offenbarungszeugnis
im ganzen wie im einzelnen nach. Unvermutet und
doch kennzeichnend ist der allerletzte Satz bei Browarzik
selbst, nicht der vom Vor-Recht der transzendentalen
Methode in der Theologie, sondern die Anerkenntnis, daß
metaphysische Forschung einer „Biblischen Theologie"
rufe, die ,als eigene Wissenschaft die richtige Vermittlung
zwischen Exegese und Dogmatik darstellt' (Rahner); aber
bis dahin führe „noch ein weiter Weg" (S. 271). Wäre Barths
Fehler vor allem der, daß er zu früh gekommen ist?

Außer den genannten Unkorrektheiten der Arbeit
bestehen eine Menge Fehler wie ungenaue literarische
Titel, fehlende Redezeichen u. a. m„ von denen im einzelnen
nicht auszumachen ist, auf wessen Konto sie gehören.
Speziell muß ich hier hinweisen auf die allzu regellose
Interpunktion, die die Lektüre stört. (Derlei hat eine soziale
Funktion, die man nicht verachten soll. Freilich hat der
Autor gerade in diesem Punkt an K. Barth nicht das beste
Vorbild.) Positiv seien hier die natürliche Sprache, die sehr
ausgeprägte (in ihrer Ausdrücklichkeit beinahe übertriebene
) methodische Reflexion und das (leider nicht überall
durchgehaltene) umsichtig wägende Urteil hervorgehoben.

„Jeder Weg der Erkenntnis muß erlaubt sein, der zu
genauerer Erkenntnis theologischer Wahrheit führt" (S. 244).
Ja, die transzendentale Methode soll in der Theologie ihre
Chance haben. Wobei aus Browarziks eigenen Darlegungen
folgt, daß ihre Chance in der christlichen Theologie von
derjenigen der Offenbarungstheologie abhängt; ich ergänze:
ihre Chance für die Ethik wie für die Dogmatik.

Schüller bei Wuppertal Jürgen Fangmeier

Biser, Eugen: Von der Befähigung zum Glauben (WuA12
1971 S. 7-11).