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Ausgabe:

1971

Spalte:

48-50

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ziegler, Walter

Titel/Untertitel:

Die Bursfelder Kongregation in der Reformationszeit 1971

Rezensent:

Krumwiede, Hans-Walter

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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Ideen des 16. Jh.s bis heute (61 f.). Hier tritt der alles durchwirkende
Tendenzcharakter des jungdeutschen Geschichtsromans
ans Licht: es sei der Gegenwart und Zukunft aufgetragen
, „die von der Reformation gestellten, aber nicht
gelösten Aufgaben zum Abschluß ... zu führen" (64). Eben
in dieser tendenziellen Zielung aber zeigt sich „die Fragwürdigkeit
des künstlerischen Wertes" dieser Romane (65).
Bei allem Bemühen um Geschichtstreue verknüpft man
Luthers, aber auch Müntzers Gedanken bedenkenlos „mit
ganz modernem Geistesgut" (78). Es bleibt ein „unbewäl-
tigter Zwiespalt zwischen historischem Stoff und künstlerischer
Formung" (84). Mitsamt ihrer künstlerischen Schwäche
fügen sich diese Romane geistesgeschichtlich doch „zu
einem ebenso charakteristischen wie umfassenden Reformationsbilde
" (86).

Von ihm handelt ausführlich das III. Kap. Um einiges
Wichtiges hervorzuheben: 1. Luthers Befreiung des
Gewissens ist der „Beginn der Befreiung des Geistes
überhaupt" (110 f.). — 2. Der Gedanke der Freiheit, mit
dem die Jungdeutschen sich als Erben Luthers (114) betrachten
, wird bewußt auf den politisch-gesellschaftlichen
Bereich ausgeweitet. Er kulminiert, bei entschiedener Bejahung
des Grundwillens der Bauernbewegung, zugleich
unter Abgrenzung vom Sozialismus (123), in dem Ideal einer
„Heiligung des Volkes selbst" (108). Die demokratischen
Züge des Freiheitsbegriffes werden verschmolzen mit den
nationalen, mit einem reflektiert „deutschen" Verständnis
auch der religiösen Triebkräfte der Reformation. — 3. Dem
entspricht eine betont heroische Auffassung Luthers; für
G. Kühne ist er „ein Urmensch", „der Kernmann" (110.113),
mit einem bis heute unausgeschöpften Vorrat an geistigen
und sozialen Erneuerungskräften. Diese heroisierende Lutherauffassung
impliziert allerdings auch eine (in verschiedenen
Tonlagen und Gewichtsverteilungen vorgetragene)
Kritik sowohl an den religiös-theologischen wie an den
persönlichen Schranken Luthers selbst, vor allem an der
Verengung und Erstarrung der reformatorischen Dynamik
in der Folgezeit. Luthers Werk ist über „eine verhängnisvolle
Halbheit" nicht hinausgekommen (116). — 4. Diese
Tragik spiegelt sich für die Jungdeutschen in der unglückseligen
„Trennung von Luther und Müntzer" (120); in positivem
Zusammenwirken hätten die religiösen und die revolutionären
Ursprungskräfte der reformatorischen Frühzeit
sich gegenseitig steigern und reinigen können. — 5.
Mit Recht erkennt der Autor in dem Reformationsbild der
Jungdeutschen und seiner Konsequenz, dem Appell zur
„Weiterführung der Reformation in der Gegenwart", eine
„Grundidee des Neuprotestantismus" (142, A. 371), unter Bezugnahme
auf W. v. Loewenich, Luther und der Neuprotestantismus
(1963). Die historischen Verzeichnungen dieses
jungdeutschen Reformationsbildes werden, unter fortlaufendem
kundigem Rückverweis auf die neuere theologische
wie allgemeinhistorische Erforschung der Reformation,
Schritt für Schritt zurechtgestellt. Der Autor, der mit seiner
großen Bibliographie „Die Lutherdrucke des 16. Jh.s und
die Lutherhandschriften der Niedersächs. Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen" 1967 (vgl. Besprechung ThLZ
94, 1969 Sp. 287-289), jüngst auch mit einer Geschichte der
„Luthersammlung der Niedersächs. Staats- und Univ.-Biblio-
thek Göttingen" 1970, an der wissenschaftlichen Erforschung
von Luthers Fortwirken selbst verdienstlich teilnimmt, hat
sich diese Zurechtstellung alle mögliche Liebesmühe kosten
lassen. Eben darum gebührt ihm auch Zustimmung dafür,
daß er, im Gegensatz zu W. Lütgert und F. Schnabel, das
Junge Deutschland nicht als „Schrittmacher des Atheismus",
vielmehr als Träger des Willens zur „Vermittlung", in ideeller
Nachbarschaft zur „liberalen Vermittlungstheologie"
des 19. Jh.s, beurteilt sehen will.

Martin Doerne T

Ziegler, Walter: Die Bursfelder Kongregation in der Reformationszeit
. Dargestellt an Hand der Generalkapitelsre-
zesse der Bursfelder Kongregation. Münster/W.: Aschendorff
[1968]. VI, 156 S., 1 Faltkte. gr. 8° = Beiträge z. Geschichte
des alten Mönchtums u. des Benediktinerordens,
hrsg. v. S. Hilpisch u. E. von Severus, Veröffentlichungen
des Abt-Herwegen-Instituts Maria Laach, 29. Kart. DM
26.-.

1955 bis 1959 hat P. Paulus Volk aus Maria Laach, der
beste Kenner der Geschichte der Bursfelder Kongregation
und ihr eigentlicher Historiograph, in drei stattlichen Bänden
„Die Generalkapitelsrezesse der Bursfelder Kongregation
" herausgegeben (I: 1458—1530, Respublica-Verlag Siegburg
1955; II: 1531-1653, 1957; III: 1654-1780, 1959). Es
ist das Verdienst der Arbeit von W. Ziegler, dieses reiche
Quellenmaterial erstmalig im Zusammenhang ausgewertet
und in den Rahmen der Geschichte der Kongregation gestellt
zu haben. Gliederung und Methode der Monographie
werden dabei durch die Edition bestimmt: Nicht von den
Einzelabteien, sondern von dem Ganzen der Kongregation
aus, wie es sich in den Generalkapiteln darstellt, ist die Arbeit
angelegt (S. 1 f.). Das innere Recht eines solchen Vorgehens
liegt offen zutage. Im Gegensatz zum Zisterzienser-
Orden hatte das benediktinische Mönchtum keinen organisatorischen
Zusammenhalt, das einzelne Kloster war isoliert
. Der ordo Cluniacensis und die Kongregationen des
15. Jahrhunderts bedeuteten dann die Gestaltung des mo-
nastischen Lebens vom Orden und nicht mehr von der Abtei
aus.

In den ersten drei Teilen „I. Die Bursfelder Kongregation
zu Beginn der Reformationszeit", „II. Die Mittel der
Bursfelder Kongregation, um für ihre Klöster zu sorgen —
Ihre Tauglichkeit", „III. Die Ursachen des Niederganges in
der Reformationszeit" führt Z. in die Geschichte der Kongregation
, ihre Verfassung und ihre besonderen Probleme
ein.

Bei einführenden Abschnitten lassen sich ohne Mühe
Desiderata anmelden, man kann es immer auch anders machen
. Einige Punkte seien jedoch angemerkt. Nach Z. war
die Bursfelder Kongregation (= BK) von Johann Dederoth,
„der mit Joh. Rode von St. Matthias/Trier in Verbindung
stand, in Anlehnung an die Reform von S. Giustina in Padua
gegründet worden" (S. 4). Bei einer solchen These sollte
nicht unerwähnt bleiben, daß P. Volk eine Einflußnahme
Barbos v. Giustina „auf die rechtliche und liturgische Gestaltung
der Bursfelder Kongregation" für unbewiesen hält
(Fünfhundert Jahre Bursfelder Kongregation, 1950, S. 127
u. 189). Auch ergäben sich bisher keine Anhaltspunkte für
eine Abhängigkeit des Bursfelder Liber Ordinarius von den
Trierer Statuten (ebd. S. 136). Zur weiteren Verdeutlichung
hätte die Formulierung von Volk dienen können: „Das war
eben das Neue, was die Bursfelder aszetische Literatur hervorbrachte
: die Devotio moderna in das liturgische Offizium
einzukleiden" (ebd. S. 203).

Mit Recht hat Z. auf die Bedeutung der liturgischen
„uniformitas" hingewiesen (S. 6). Gerade darin ist ja die
Tradition des Benediktinerordens zu greifen, der seine
Hauptaufgabe im Gottesdienst und in der Gelehrsamkeit
gesehen hatte. Darum darf das Urteil Z.s nicht zu eng verstanden
werden, nämlich, daß die Klöster der Kongregation
„keine größeren geistigen und wissenschaftlichen Leistungen
aufzuweisen haben" (S. 13). Das ist nur richtig,
wenn man den Gottesdienst und insbesondere die Liturgie
als einen Bereich eigener Gestaltung versteht. Nicht unerwähnt
lassen möchte der Rez. als Kirchenhistoriker den
kritischen und aufmunternden Satz des Abtes Günter von
Erfurt auf dem Generalkapitel 1481 in seiner Rede „De
Historia": „sine historia non est homo. Sine ea non sumus
monachi, immo sine ea nemo potest salvari aeternum"(ebd.).

Sicher hat auch die alle Kräfte beanspruchende Verbreitung
der Reform zur Schwächung der schon reformier-