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Ausgabe:

1971

Spalte:

688-690

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Jossa, Giorgio

Titel/Untertitel:

Regno di Dio e Chiesa 1971

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Press, 1964) zusammenfassend darzustellen. Diese Vorlesungen
sind unter dem Titel "The Sermon on the Mount",
Cambridge, Univ. Press, 1969 erschienen und liegen jetzt -
in dem anzuzeigenden Buch - in deutscher Übersetzung
vor. Die deutsche Ausgabe enthält einen längeren Anhang,
den X. Leon-Dufour für die französische Ausgabe ("Pour
comprendre le Sermon sur la Montagne", Paris, Edition du
Seuil, 1970) erstellt hat: einige Anmerkungen aus dem
englischen Hauptwerk (z. T. von Leon-Dufour ergänzt) und
ein kleines Lexikon rabbinischer und anderer Begriffe
(Redaktion: X. Leon-Dufour). Die Anlage des Buches dient
dazu, die Thesen des Vf.s einem größeren Leserkreis zu
gänglich zu machen.

Die Darstellung folgt im ganzen der großen Untersuchung
von 1964. Der erste Teil (S. 13-44) untersucht
zunächst „Die Bergpredigt im Kontext des Matthäusevangeliums
". Es folgt: „Die Bergpredigt im Kontext der jüdischen
Messiaserwartung" (S. 45-78), „Die Bergpredigt im
Kontext des zeitgenössischen1 Judentums" (S. 79-106), und
„Die Bergpredigt im Kontext der frühen Kirche" (S. 107-142).
Zielpunkt der Darstellung ist der folgende Abschnitt über
„Die Bergpredigt im Kontext des Wirkens Jesu" (S. 143-167).
Die letzten Seiten der Darstellung (S. 169-173) suchen das
Ergebnis der Untersuchung zu formulieren. Es folgen die
Anmerkungen (S. 175-184), das „kleine Lexikon" (S. 185 bis
191), Register und Abkürzungsverzeichnis (S. 193- 200).

Die Thesen des Vf.s sind aus der großen Untersuchung
bekannt und bedürfen keiner neuerlichen ausführlichen
Kritik. Die Vorzüge treten auch in dieser auf das Wesentliche
beschränkten Fassung deutlich heraus: die umfängliche
Kenntnis der jüdischen, und hier vor allem wiederum
der rabbinischen Tradition; das sorgfältig abwägende Urteil
(charakteristisch auch jetzt wiederum die minutiöse Darstellung
der Frage, ob und in welcher Weise man von
einer jüdischen Tradition einer „neuen Tora" in messiani-
scher Zeit sprechen) könne: S. 45ff.); die klare Einsicht in
das Hauptproblem urchristlicher „Ethik": wie kann die
eschatologische Radikalisierung mit den Bedingungen der
Endlichkeit vermittelt werden (vgl. bes. S. 122 ff.);
schließlich die lebendige und anregende Darstellung, aus
der man reiche Belehrung empfängt.

Natürlich ruft auch die kürzere Fassung wieder gewisse
Bedenken hervor. Die These vom Bezug des 1. Evangeliums
auf das in Jamnia sich neu konstituierende Judentum
(S. 98 ff.) ist nicht überzeugender geworden, so wenig wie
der Versuch, die paulinische und matthäische Auffassung
von der Stellung des Gesetzes einander anzunähern
(S. 111 ff.). Das ist ja nur möglich, wenn man (wie der Vf.)
die Radikalität der paulinischen Gesetzesfreiheit abspannt
und die Paradoxie des Begriffes „Gesetz Christi" verkennt.
Abgespannt wird aber auch die Gesetzeskritik Jesu
(S. 155 ff.). Der Vf. betont zwar die Differenz Jesu zur
Gesetzesauffassung der zeitgenössischen jüdischen Gruppen,
läßt sie aber nun doch nicht in ihrer ganzen Schärfe
heraustreten. Er versteht Jesus als vollmächtigen Interpreten
der Tora, der die Positivität der Torabestimmungen
transzendiert, der hinter die Torabestimmungen zurückfragt
nach dem reinen Gotteswillen und der unmittelbar
und intuitiv Gottes Willen erkennt (S. 165). Er leugnet
aber charakteristischerweise, daß diese, die Positivität der
Tora transzendierende Unmittelbarkeit auch zu einer Abrogation
der positiven Bestimmungen der Tora führen
kann. Kann man aber z. B. wirklich mit dem Vf. sagen,
Jesus bleibe „bei der Diskussion über den Sabbat oder
über die Ehescheidung im Rahmen des Gesetzes" (S. 159)?
Die paradoxe Stellung Jesu zum Gesetz kommt nur hinsichtlich
ihrer bewahrenden, nicht (oder wenigstens nicht
radikal genug) hinsichtlich ihrer kritischen Seite zum Ausdruck
. Vielleicht liegt das daran, daß der Vf. traditionsge-
sehichtliehen Analysen ausweicht und das spezifische Interpretationsproblem
der Verkündigung Jesu (nämlich das

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Problem des bloß intentionalen Vermittlungsstandes) nicht
reflektiert. Aber wie immer das sein mag: es ist auf jeden
Fall zu begrüßen, daß die anregenden, unkonventionellen
und zur Auseinandersetzung zwingenden Thesen des Vf.s
nun auch einem breiten Leserkreis erschlossen werden.

Druckfehler: S. 98 muß es heißen: „und alles zu lieben".
S. 190 liest man „Baraitta".

Die Übersetzung ist zuweilen ungeschickt. S. 43 muß es
heißen: „Es ist aber nicht genug, wenn nur das erkannt
wird". S. 118 muß es wohl heißen: „das rechte Leben". 8. 145
erscheint der Ausdruck „Mißinterpretation", und 8. 106 gehen
die Übersetzer das englische "nevertheless" mit „Nichtsdesto-
trotz" (!) wieder.

Das „Kleine Lexikon rabbinischer und anderer Begriffe"
(S. 185—191) weist leider einige Unklarheiten und Fehler auf,
z. B. 8. 185 und 189 (zu Abot bzw. l'irqe Abot) sollte es heißen:
„Traktat au» der Ordnung Neziqin der Mischna". 8. 190 (zu
Sota) sollte es heißen: „Traktat der Ordnung Nasehim". 8.190
liest man eine unzutreffende Aussuge über die Zitationsweisc
der Talmude.

Wien Kurt Niederwimmer

Alfaro, Juan: La gracia de Cristo y del Cristiano en el

Nuevo Testamente. (Greg 52, 1971 S. 27-64).
Andriessen, Paul: Das größere und vollkommenere Zelt

(Hebr 9, 11) (BZ 15, 1971 S. 76-92).
Berbuir, Eucharius: Die Eucharistie nach dem Zeugnis des

Neuen Testaments (WiWei 33, 1970 S. 81-97).
Frankemölle, Hubert: Die Makarismen (Mt 5,1-12; Lk 6,

20-23). Motive und Umfang der redaktionellen Komposition
(BZ 15, 1971 S. 52-75).
Gerhardsson, Birger: Einige Bemerkungen zu Apg 4,32

(StTh 24, 1970 S. 142-149).
Gnilka, Joachim: Jesus - ein Essener? Jesus und Qumran

(Bibel und Kirche 26, 1971 S. 2-5).
Jart, Una: The Precious Stones in the Revelation of St. John

XXI. 18-21 (StTh 42, 1970 S. 150-181).
Lefon-Dufour, Xavier.- L'Exegete et l'evenement historique

(RechSR 58, 1970 S. 551-560).
Noack, Bent: Celui qui court. Rom. IX, 16 (StTh 24, 1970

S. 113-116).

Oyen, Hendrik van: Die Ethik Jesu in jüdischer und evangelischer
Sicht (ZEE 15, 1971 S. 98-117).

Petri, Heinrich: Jesus, der Mann aus Nazareth, und seine
Zeit (Cath 25, 1971 S. 63-66).

Reimarus, Hermann Samuel: The Goal of Jesus and his
Disciples. Introduction and Translation by G. W. Bucha-
nan. Leiden: Brill 1970. X, 143 S. gr. 8°. Lw. hfl. 36,-.

Sahlin, Harald: Die drei Kardinalssünden und das Neue
Testament (StTh 24, 1970 S. 93-112).

Schierse, Franz Joseph: Jesu und Paulus. Hat Paulus Jesus
zum Kultgott gemacht? (Bibel und Kirche 26, 1971
S, 9-11).

Steiner, Anton: Warum lebten die Essener asketisch? (BZ 15,
1971 S. 1-28).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Jossa, Giorgio: Regno di dio e chiesa. Ricerche sulla conce-
zione escatologica ed ecclesiologica dell' Adversus haere-
ses di Ireneo di Lione. Napoli: M. d'Auria Editore Ponti-
ficio 1970. X, 263 S. 8° Serie Storica, II. Historia
Salutis, Collana Teologico-Pastorale-Ecumenica, dir. da
A. Ambrosanio, 7. Lire 3.200,-.
Bisher war Irenäus so etwas wie ein ökumenischer
Kirchenvater. Wie er selbst zeitlebens um die Sammlung
und Vereinigung aller rechtgläubigen Traditionen bemüht
war, sahen in ihm nicht nur die Griechisch-orthodoxen,
sondern auch römische Katholiken und die meisten evangelischen
Christen einen alten Zeugen ihres Glaubens. Demgegenüber
bedeutet dieses Buch, in einer ökumenischen
Reihe erschienen, fast eine Sensation. Ein moderner italienischer
Katholik, durch sein früheres Werk über die Geschichtstheologie
des zweiten Jahrhunderts schon rühmlich
bekannt, sagt hier bestimmten irenäischen Gedanken (so
wie er sie sieht) in streng wissenschaftlicher Form, aber

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9