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Ausgabe:

1971

Spalte:

682-684

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pesch, Rudolf

Titel/Untertitel:

Jesu ureigene Taten? 1971

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Lösung der mit dem Thema des Vf.s verbundenen Probleme
ohnehin nicht erwarten kann, wird man dem Vf. bereits
dafür Dank wissen, daß er zur kritischen Überprüfung
eigener Positionen provoziert - ganz abgesehen von dem
Dank für die vielerlei trefflichen Bemerkungen zu einzelnen
Texten des Alten Testaments, des Judentums und
des Neuen Testaments, auf die hier im einzelnen nicht
eingegangen werden konnte.

Jona Hims-Friedrieh WeiO

Auer, Eberhard G.: Der dritte Tag. Die Ereignisse nach den
Auferstehungsakten der Evangelien. Acta ressurrectionis
domini. Metzingen/Württ.: E. Franz 1970. 78 S., 6 Abb.
a. Taf. 8°.

Man könnte versucht sein, diese Schrift als ein typisches
Produkt des schwäbischen Geistes zu deklarieren; dazu
verleitet auch ihr Erscheinen im Metzinger Ernst Franz
Verlag, der vornehmlich „Zeugnisse der Schwabenväter"
herausgibt. Aber obwohl Methode und Ergebnis mitunter
sehr an den biblischen Realismus der „Schwäbischen Väter"
erinnern, steht doch der Vf. nicht unter dem Zwang
dogmatischer Prämissen. E. G. Auer, ein Pfarrer in Württemberg
, zählt sich zu den Exegeten „mit unbefangenem Blick".
Wenn er nicht analytisch-kritisch, sondern eher konstruk
tiv und spekulativ verfährt, so ist das durchaus sachgemäß,
da ja auch das Neue Testament von solchen Exegeten verfaßt
worden ist. Abgesehen davon ist Auers gedrängte,
originelle Darstellung des Ostcrgeschehens viel anregender
als manche langatmige Dissertation über das Kerygma
oder auch als die kurzschlüssige These, die Auferstehung
Jesu sei lediglich ein Intcrprctamcnt der apokalyptisch gestimmten
, ersten Christen gewesen. Auch Sprache und Stil
dieses Büchleins partizipieren an der Entdeckerfreude des
Vf. und erhalten von dorther Kraft und Schwung.

E. Auer wagt es - horribile dictu! - über die Osterbotschaft
hinaus zum Ereignis der Auferstehung zurück
zugehen und nach dem „sachlichen, nackten Ostertatbestand"
zu fragen (S. 18). Zwar ist das Ereignis der Auferstehung
im Neuen Testament nicht direkt geschildert, doch gib',
es .stumme Zeugen", die man zum Reden bringen kann.
Sie erscheinen im johanneischen Ostcrbericht, speziell in
den Versen Joh. 20, 5-7, die das Betreten des Grabes durch
Johannes und Petrus erzählen. Aber nicht diese beiden
Jünger, sondern die bruta facta von Binden und Grabtuch
verifizieren Tatsache und Hergang der Auferstehung, die
..acta resurrectionis Domini". Der Vf. bedarf freilich eines
exegetischen .Schlüssels": Das Schweißtuch des johanneischen
Berichts ist mit dem Grabtuch (sindön) der synoptischen
Evangelien gleichzusetzen; es war bei der Kreuzabnahme
über den Kopf und Leib Jesu gelegt worden. Ferner wird
aus der Analogie zu ägyptischen Mumien gefolgert, daß
mit den „Binden" vier bis fünf Leinwandstreifen gemeint
sind, die man in bestimmten Abständen ringförmig um das
umhüllende Grabtuch hcrumgebunden hatte; bei der Salbung
waren sie von dem dazu verwendeten harzigen Öl
getränkt worden. Am Ostermorgen boten sie den in das
Grab schauenden Jüngern einen unglaublichen Anblick: Sie
lagen unverändert, „als würden sie den Herrn noch immer
festhalten", am ursprünglichen Ort, harzvcrklebt, „in ihren
Windungen steif in die Luft starrend" (S. 42 f). Dagegen
befand sich das Grabtuch nicht mehr zwischen den Binden,
sondern lag zusammengefaltet abseits, wahrscheinlich direkt
hinter der Eingangspforte des Grabes (S. 44). Von der
..Macht des Auferstchungsereignisses ergriffen" war es
. widerstandslos durch die Binden hindurchgeglitten", bewegt
vom Willen des Herrn, der „aus des Todes Banden
erstand" (S. 69). So bezeugten die erstaunliche Statik der
Binden und die nicht minder wunderbare Bewegung des
Grabtuches die Tatsache, daß das Grab in eine Aufer
slchttngskammer verwandelt worden war.

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Der Vf. hat das Verdienst, auf die Bedeutung dieser
Verse nachdrücklich aufmerksam gemacht zu haben. Dafi
der Evangelist bei seiner großen Vorliebe für Zeichen mit
der Lage von Binden und Tuch auf das Aufcrstehungs
geschehen hinweisen will, scheint mir über jeden Zweifel
erhaben zu sein; ihre Lage ist nicht etwa als „natürliche
Ordnung" (K. Barth) oder als „beliebige Plazierung" (R. Bultmann
) anzusehen. Richtiger ist das Urteil C. K. Barretts,
der in seinem, dem Vf. offensichtlich nicht bekannten,
Johanneskommentar zu dieser Stelle bemerkt: .. "it seems
that the body had in some way disappeared from, or
passed through, the cloths and left them lying as they
were" (S. 468). Dennoch scheint mir Auer an verschiedenen
Punkten über das Ziel hinauszuschießen, so mit der Deu
tung des „Liegens" der Binden, das sich fast als ein
„Stehen" ansieht (vgl. Bild 1), dann mit der Glcichsetzung
von Schweißtuch und Grabtuch und schließlich mit der
Macht des Auferstandenen, der zum Subjekt des Oster -
geschchens wird. Und kann man denn wirklich den „irrationalen
Tatbestand" der Auferstehung gleichsam more geo
metrico rekonstruieren? Führt das nicht in die Richtung
der objektivierenden Auferstchungsberichte in den apokryphen
Evangelien, z. B. im Hebräerevangelium, nach welchem
der Auferstandene sein Grabtuch einem Knecht des
Hohenpriesters übergab, ehe er dem Jakobus erschien?
(Hieronymus, de viris inl. 2). Und wollte nicht auch der
Vierte Evangelist die „acta resurrectionis" hinter sich lassen,
wenn er in dem vom Vf. nicht mehr behandelten Vers 20, 9
bemerkt, die beiden Jünger hätten die Schrift noch nicht
gekannt? Das will doch sagen: Der echte, für den Christen
aller Zeiten geltende Zeuge für die Auferstehung Jesu ist
nicht das Grab mit seinen Textilien, sondern der Text, das
vom hl. Geist erhellte Zeugnis der Schrift.

Tübingen Otto Betz

Pesch, Rudolf: Jesu ureigene Taten? Ein Beitrag zur Wua-
derfrage. Freiburg-Basel-Wien: Herder [1970], 166 S. 8° =
Quaestiones Disputatae, hrsg. v. K. Rahner u. H. Schlier,
52. Kart. DM 19,80.

1967 veröffentlichte F. Mußner eine Untersuchung über
.Die Wunder Jesu', in der versucht wurde, die Wunder als
.ipsissima facta' Jesu nachzuweisen, weil sie in unlösbarem
Zusammenhang mit der historisch gesicherten Auseinandersetzung
Jesu mit den pharisäischen Schriftgelehrten stehen.

Diesen Begriff der ,ipsissima facta' nimmt Pesch auf
und stellt ihn hinsichtlich der Wunder Jesu zugleich in
Frage: „Jesu ureigene Taten?" Er will über „die Methodik
der Befragung von Wundergeschichten überhaupt unterrichten
", und zwar unter besonderer Berücksichtigung der
Berichte von Aussätzigenheilungen: eine quaestio, die eine
Disputation zweifellos verdient.

Im 1. Kapitel stellt Pesch fest, daß Jesus ohne Zweifel
Dämonen ausgetrieben und Kranke geheilt habe, wenn wir
auch keinen authentischen Einzelbericht über einen Exorzis
mus besitzen und nur wenige Heilungen historisch sichern
können. Indessen sei die exorzistische Tätigkeit Jesu durch
die Logienübcrliefcrung hinreichend bezeugt, während
einige Heilungsgeschichten durch ..die Angabe des Ortes
und der Person sowie die nüchterne Erzählart ohne besondere
christologischc Akzentuierung" als verbürgt gelten
können.

Freilichi diese Berichte über Jesu Taten spiegeln
nichts für Jesus unverwechselbar Charakteristisches wider,
sondern sind im traditionellen Stil antiker Wundererzäh
hingen gehalten, weswegen man von .ipsissima facta' im
Sinne von unvergleichbaren und genuin jesuanischen Taten
nicht sprechen können, wenn man auf die entsprechenden
Erzählungen schaut.

Wie steht es aber speziell mit der Heilung Aussätziger,
die für Mußner spezifisches Beispiel der ipsissima facta

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9