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1971

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9

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schichtliche Zeit denken können, als das Bewußtsein der
Zusammengehörigkeit der im Reiche vereinten Israel-
Stämme geweckt war und das Wcstjordanland sowie ein
schmaler Streifen des Ostjordanlandes ideell als unter sie
aufgeteilt verstanden wurde. Vf. scheint dagegen schon in
der vordavidischen Zeit mit obengenannter Vorstellung
zu rechnen, welcher Annahme jedoch gewichtige Gründe
entgegenstehen.

Vf. arbeitet in starkem Maße literarkritisch. Das ist in der
gegenwärtigen Situation sehr zu begrüßen. Mitunter scheinen
die überlieferungsgcschichtlichen Probleme aber zu
sehr beiseite gedrängt, wie etwa S. 52, wo es heißt, Jos 17,
14-18 gehöre der Zeit des Geschehens nach hinter Ri 1, 26
(oder 29), der Sache nach hingegen zur Landverteilung, deshalb
habe der Abschnitt offenbar seinen Platz von Anfang
an vor Ri 1 gehabt. Man bleibt ohne Auskunft darüber,
wie Vf. sich den Zusammenhang literarisch vorstellt, ganz
abgesehen von der Frage nach der Möglichkeit der geschichtlichen
Auswertung und Einordnung der uns überkommenen
Überlieferungsstücke. Und wenn Vf. S. 46 die
Bedeutung von Ri 1 als geschichtlicher Quelle für den
Hergang der Landnahme betont, S. 52 Anm. 12 aber sagt,
die Israeliten seien gemeinsam über den Jordan gezogen
und, nachdem sie bis Gibeon gekommen waren, hätte sich
das Haus Joseph nach Norden, Juda nach Süden gewendet,
so sind hier die Dinge zweifelsohne zu einfach gesehen,
mindestens gesagt. Es ist endlich nicht wahrscheinlich zu
machen, daß die Warnung, sich auf die Verehrung der
kanaanäischen Götter einzulassen, nicht von Anfang an in
den Gedanken- und Überlieferungskreis gehört, aus dem
auch das Verbot stammt, mit den Vorbewohnern ein friedliches
Abkommen zu schließen. Man wird literarisch vor
allem E und N als Wurzelbodcn annehmen können. Dann
käme man für die Entstehung der Forderung ins 9. Jh.,
was m. E. historisch wahrscheinlicher ist. Denn die Sippen,
die sich später zu der Größe .Israel' zusammenschlössen,
sind über einen langen Zeitraum hin in das Kulturland von
Palästina eingewandert. Der offenbar im Spätstadium mitgebrachte
Jahweglaube mußte sich dann allmählich durchsetzen
. Da bleibt geschichtlich kein Raum für ein Programm
, das offensichtlich erst später unter gesamtisraeli-
tischem Gesichtspunkt geschichtlich zurückdatiert wurde,
aber Geltung beanspruchte für die Zeitverhältnisse, unter
denen es ins Leben trat.

Auch im einzelnen müssen noch einige Vorbehalte ausgesprochen
werden. Methodisch wäre es sicherlich besser
gewesen, Vf. hätte die Belege nicht in der Reihenfolge
erörtert, wie sie im AT vorkommen, sondern sie ständig
nebeneinander betrachtet und vom literarischen und formgeschichtlichen
Befund überlieferungsgeschichtlich dahinter
zurückgefragt. Vf. verneint, daß es sich bei dem >I t$ <■ B
Ex 23, 20 um eine mythologische Größe handle. Man müsse
" !elmehr an ein Symbol der Gottheit denken, bei dem
Jrakcl eingeholt wurden. Das ist eine kaum wahrscheinliche
Deutung. Die Darlegungen zu Jos 9 überzeugen nicht. Es
fehlt die Stringenz der Argumentation. Der Begriff „Ätio
logie" fällt nicht (den hat man S. 43 Anm. 65 in einem
anderen Zusammenhang) und die überlieferungsgeschichtliche
Fragestellung spielt nicht die ihr zukommende Rolle.
Die Erörterungen Noths sind hier nicht nur gründlicher
und umfassender, sondern auch überzeugender. In wenig
glücklicher Weise gibt Vf. hier s ■ v j durch ,Fürst'
wieder. Bei der Beurteilung der Deboraschlacht (S. 69 f)
geht Vf. offensichtlich zu weit, denn die Jesreel-Ebenc
wurde durch die beteiligten Stämme kaum unterworfen.
Wenn der Leser auf S. 83 das gegen Mowinckel gerichtete
Urteil findet: „das ist bloße Behauptung', dann kann er sich
der Erkenntnis nicht erwehren, daß es durch nichts als
lauter Vermutungen gedeckt ist. Es ist endlich darauf zu
verweisen, daß die Begriffe „deuteronomisch" und „deuteronomistisch
" nicht scharf geschieden verwendet werden.

Nach Eißfeldts grundlegender Definition (Einleitung "1964,
S. 19 Anm. 2) sollte, worauf schon W. Thiel in seiner 1970
veröffentlichten Dissertation (Die deuteronomistische Redaktion
des Buches Jeremia, S. 59) hingewiesen hat, „deuteronomisch
" das auf die Verfasser des Deuteronomiums, und
„deuteronomistisch" das auf die Redaktion, die im Geist und
Stil des Deuteronomiums andere Bücher überarbeitet oder
ergänzt hat, zurückgehende Gut genannt werden.

Das Referat wäre unvollständig und nicht sachgerecht,
wer.n nicht auch betont würde, daß sich in der Arbeit, die
in einem letzten Kapitel die „Nachgeschichte des Vertreibungsgebots
* behandelt, eine Menge guter, überzeugender
oder erwägenswerter Äußerungen finden. An Bemerkenswertem
sei erwähnt, daß Vf. den Begriff Ii > ^ j in der
von ihm besprochenen Formulierung durch .Frieden' wiedergibt
, womit die gemeinte Verpflichtung inhaltlich bezeichnet
werde. Ex 23,20-33 als nicht deuteronomistisch
ansieht. Ex 34,12 zum älteren, von Ex 23 und D unabhängigen
Bestand von J rechnet. Dt 7 aus dem 7. Jh. herleitet
(hält den Abschnitt für jünger als den „Hauptteil des Gesetzes
") und die Bannideologie des Josuabuches zu der
exilischen Schicht der deuteronomistischen Landnahmeerzählung
rechnen zu können meint.

Auf einige Druckfehler, außer wenigen, die man selbst
leicht ausmerzen kann, sei noch hingewiesen: S. 12 Z. 17
fehlt in dem Satz ein Verb, in Anm. 54 auf S. 38 muß es
,Sebas ben Bichri' lauten (nicht .Seba ben Bichris'), S. 56
Z. 23 nicht 27, sd. 28, S. 59 Z. 20 ,Benjaminiten' (statt
Judäern'), S. 66 Z. 3 Jos' (statt ,Ri'), S. 109 in der Anmerkung
1960 (nicht 1962), die Parallele zu Mi 4,1-4 findet
sich in Jes 2,2-4 (nicht V. 1-4, s. S. 161). Bei Alts Kleinen
Schriften Bd. 1 u. 2 müßte die 2., verb. Aufl. von 1959 genannt
werden (S. 165).

Abschließend wäre nochmals zu unterstreichen, daß die
analysierten Texte und die geschichtlichen Erwägungen zu
unverbunden nebeneinanderstehen. Die Darlegungen tragen
überhaupt in ihrem Kern einen stark hypothetischen, von
Vermutungen geprägten Charakter. Vielleicht sind solche
Hypothesen aber notwendig, damit die Auseinandersetzung
mit ihnen zu glaubwürdigeren und begründeteren Ergebnissen
gelangen kann.

Leipzig Wolfram Herrmann

Arenhoevcl, Diego: Die Kritik der Propheten (WuA 12,
1971 S. 22-26).

Kessler, Martin: The Law of Manumission in Jer 34 (BZ 15,

1971 S. 105-108).
Sasb0, Magne: Die hebräischen Nomina 'ed und 'ed. Zwei

sumerisch-akkadische Fremdwörter? (StTh 24, 1970

S. 130-141).

NEUES TESTAMENT

Thyen, Hartwig: Studien zur Sündenvergebung im Neuen
Testament und seinen alttestamentlichen und jüdischen
Voraussetzungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1970. 281 S. gr. 8° = Forschungen zur Religion und
Literatur des Alten und Neuen Testaments, hrsg. v. E.
Käsemann u. E. Würthwein, 96. Kart. DM35,-; Lw. 40,-.
Mit den vorliegenden „Studien", die im Jahre 1966 von
der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg als
Habilitationsschrift angenommen worden sind, hat der Vf.
dankenswerterweise seine im Jahre 1964 in der „Dankes
gäbe für; Rudolf Bultmann" im Anschluß an Mk 1,4 vorgetragenen
Überlegungen zum Thema der „Sündenvergebung
" noch einmal aufgenommen, weitergeführt und
zugleich in einen weiteren Rahmen gestellt.

Abgesehen vom I. Kapitel, in dem zunächst „Die Voraussetzungen
" geklärt und nacheinander die Zusammenhänge
von Sünde und Vergebung im Alten Testament, im