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Ausgabe:

1971

Spalte:

675-678

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmitt, Götz

Titel/Untertitel:

Du sollst keinen Frieden schließen mit den Bewohnern des Landes 1971

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9

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keiten aufzuzeigen. Im dritten Teil wendet sich die Einführung
den historischen und literarischen Autoren zu.
Anhangsweise werden auch die Daniel-Apokalypsen eingeordnet
. Sie stammen im allgemeinen aus sehr viel späterer
Zeit und stehen mit der alten jüdischen Apokalyptik nur
in losem Zusammenhang. Ein Fund aus der Höhle 4 in
Qumran zeigt indessen, daß die Anfänge dieser Überlieferung
in die Zeit des hellenistischen Judentums zurückgehen
und ihre Aufnahme mit ausführlichen sachlichen
Angaben in dem vorliegenden Werk daher berechtigt ist.
Auf eine besondere Problematik weist das 30., das Schlufj-
kapitel des zweiten Teils, und mehrfach auch die Bemerkungen
zu den im 3. Teil behandelten Texten hin. Es geht um
die Frage jüdischer Interpolationen heidnischer Schriften,
die so zu Mitteln jüdischer Propaganda werden können,
oder auch um jüdische Autoren, die als außerhalb des
Judentums stehend erscheinen und so um so wirksamer
für das Judentum Zeugnis ablegen. Der mehrfach zitierte
Theodore (Th., nicht S.) Reinach: Textes d'auteurs grecs
et romains relatifs au Judaisme 1895, hat gelegentlich dieselben
Texte unter seiner Themastellung besprochen, und
sichere Entscheidungen werden sich wohl kaum fällen
lassen, zumal die Traditionsgeschichte der einzelnen Aussagen
(z. B. Demetrius Phalereus - Josephus - Euseb)
schwer zu beurteilen ist.

Solche Schwierigkeiten zeigen, daß wir noch fern von
einer historischen Gesamtschau sind. Wir stehen vielmehr
am Anfang, und in dieser Situation hat die vorliegende
Einführung mit ihrer Materialdarbietung wie mit ihrer
Darstellung der bisherigen gelehrten Bemühungen ihre
richtungweisende Bedeutung. Dabei wird besonderer Wei t
auf die weniger bekannten und weniger bearbeiteten
Schriften gelegt. Überall erhält der Leser und der Forscher,
der mitarbeiten möchte, genaue Auskunft und weiterführende
Angaben. Die damit angeregte Arbeit wird vor allem
der Bibelwissenschaft dienen, der sie Vergleichsmaterial
für mancherlei Aussagen wie auch neue Gesichtspunkte
für exegetische Probleme zu geben vermag. Die Einblicke
in die Entfaltung der Frömmigkeit des hellenistischen
Judentums werden auch eine deutlichere Zeichnung des
Gesamtbildes der religiösen Situation in dieser Epoche ermöglichen
. Jedenfalls ist es dem Verfasser gelungen, das
vielschichtige Material in übersichtlicher Form darzustellen
und den Zugang zu den Texten zu erschließen. Von großem
Wert ist auch die Darbietung bibliographischen Materials in
reicher Fülle, die auch abseits veröffentlichte kleinere Arbeiten
zugänglich macht. Auch die äußere Gestaltung und
Ausstattung des Werkes verdient unseren Dank. Wir hoffen
und wünschen, daß auf dem soliden Grund dieser Einführung
die Arbeit der Herausgabe und Erforschung der
Pseudepigraphen rüstig voranschreite und der Religionswissenschaft
wie der Theologie zu immer tieferen Einsichten
verhelfe.

Gießen Georg Bertram

Knoch, Otto: Wahrlich, wahrlich - oder: Amen, amen? Zur
Wiedergabe einer altvertrauten biblischen Formel in der
neuen Einheitsübersetzung (Bibel und Kirche 26, 1971
S. 18-20).

Scharbert, Josef: Aus der Werkstatt der „Einheitsbibel"!
Vorgeschichte und Arbeitsweise der Einheitsüberset/.u'Kj
(Bibel und Kirche 26, 1971 S. 12-17).

ALTES TESTAMENT

Schmitt, Götz: Du sollst keinen Frieden schließen mit den
Bewohnern des Landes. Die Weisungen gegen die Kanaa-
näer in Israels Geschichte und Geschichtsschreibung.
Stuttgart Berlin-Köln Mainz: Kohlhammer [1970]. 174 S.

gr. 8° Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und
Neuen Testament, hrsg. v. K. H. Rengstorf u. L. Rost,
5. Folge, 11. Kart. DM 32,-.
Vf. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bei J (Ex 34,
12.15), bei E (Ex 23, 32), im älteren Rahmen zur deutero-
nomischen Rechtssammlung (Dt 7,2) und in einem ätiologischen
Stück des Richterbuches (Ri 2,2) sich findende
Weisung, die Israeliten sollten den Bewohnern des Landes,
also den Kanaanäern, keine Berit, d. h. weder Sicherheit
noch Verbleib im Lande, gewähren, sachlich zu erklären
und geschichtlich einzuordnen. In die Erörterungen werden
noch Jos epp 9; 13-19 und Ri 1 einbezogen. Die Gründlichkeit
der vorgelegten Interpretationen verdient Lob. Besonders
eingehend widmet sich Vf. den Problemen von Ri 1;
er gibt auch eine plausible Erklärung von Jos 17,14-18
(das freilich in einem den Fortgang der Erörterungen nicht
fördernden Exkurs). Seine These ist, das literarisch mehrfach
zu fassende bzw. vorauszusetzende Verbot eines Friedens
Schlusses oder Vertreibungsgebot sei keine geschichtliche
Theorie, sondern bestimmte tatsächlich Israels Einstellung
gegenüber den Vorbewohnern Palästinas in der Frühzeit
seiner Geschichte. Dieser Behauptung wird nicht jeder
vorbehaltlos zustimmen können. Vf. geht in seinen Überlegungen
und Deutungen öfter eigene Wege. Er setzt den
Zusammenschluß eines Stämmebundes in sehr früher Zeit
voraus (wobei unklar bleibt, seit wann und in welchem
Umfang) und nimmt an, die Israeliten hätten nicht lange
friedlich mit den Kanaanäern zusammen im Lande gewohnt,
sie vielmehr von Anfang an durch ihr gewaltsames Eindringen
vernichtet oder vertrieben (S. 120:.....jene beiden,

für Israels Volkwerdung bestimmenden Größen der Richterzeit
, Jahwekrieg und Stämmebund, .. . schon früh in eine
. . . Beziehung zueinander getreten"). Er versteht Jos 17,
14-18 und Ri 1 als Widerspiegelung eines Eroberungsprogramms
, welches „den geschichtlichen Kern der Tradition
von der Landverlosung" (S. 114) bilde. Für die Auffassung
des Verfassers bezeichnend sind die auf S. 122 seines
Buches sich findenden Sätze: „Dieser unbedingte Wille,
diese Entschlossenheit, aufs Ganze zu gehen, diese schroffe
Trennung von den anderen - konnte, das so leicht unter
Stämmen entstehen, die alle nur allmählich im Lande ein
gesickert waren und schon lange hatten schlecht und recht
mit den Vorbewohnern auskommen müssen? Viel glaub
licher ist, daß sich hier der Impetus einer Gruppe fortsetzt,
die auf besondere Art ins Land gekommen war, die sich
von niemand harte vorschreiben lassen, wo und unter
welchen Bedingungen sie sich festsetzen sollten." Das hinter
Jos epp 13-19 und Ri 1, 27-36 stehende Programm setzt
Vf., da die Theorie sich nicht einfach mit den später
erreichten Zuständen decke, die Spannungen innerhalb der
Landverteilungstradition noch niemand aus der Königszeit
habe erklären können und es deshalb begründet sei, es
einmal mit der anderen Möglichkeit zu versuchen und
ernsthaft mit einer Tradition der Frühzeit zu rechnen (S. 85),
in der Zeit „zwischen der Mitte des 13. und dem Ende des
12. Jh., spätestens aber in der ersten Hälfte des 11. Jh."
an (S. 86; s. a. S. 88). Die Landverteilung und das Vertreibungsgebot
sei nicht lange nach der Landnahme, genauer
„nach dem Eindringen der letzten Einwanderungswelle''
proklamiert worden, wobei zwei Landverteilungsgeschichten
zu unterscheiden seien, die von Gilgal für Juda und Joseph
und die von Silo für alle Stämme. Das Gebot der Ver
treibung sollte offenbar das Verhalten des Volkes bestimmen
(S. 81) und wirkte geschichtlich nur bis zur Zeit Sauls.
Danach habe es kein entscheidendes kanaanäisches Element
im Lande mehr gegeben.

Mit all dem sind mehrere Fragen wachgerufen. Wenn
die Vorstellung von den Stammesgebielen, wie sie hinter
Jos epp 13-19 und Ri 1 steht, sachlich älter sein soll als
die Gaueinteilung Salomos, dann wird man damit frühestens
an die Zeit Davids, also auf alle Fälle erst an die ge-