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Ausgabe:

1971

Spalte:

46-47

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kind, Helmut

Titel/Untertitel:

Das Zeitalter der Reformation im historischen Roman der Jungdeutschen 1971

Rezensent:

Doerne, Martin

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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9erungen gezogen werden können, sondern als Ausdruck Ruello, Francis: L'analogie de l'etre selon Jacques de Viter-

emer Grunderfahrung Ockhams, die zwar sein Denken be- be, Quodlibet 1, Quaestio 1 (Augustiniana 20,1970 S. 145—

We9t, sich aber nicht in logischen Spielereien erschöpft, 180).

sondern sich vielmehr bewußt gegen alle Lehren wendet, Stein, S., Prof.: Jewish-Christian Disputations in Thirteenth

die diese Freiheit einengen, ohne jedoch metaphysische Century Narbonne. An Inaugural Lecture Delivered at

Erkenntnisse, Realwissenschaft oder Sittlichkeit zu zerstö- University College London 22 October 1964. London:

ren, wie Ockham unterstellt wurde. Aus dieser göttlichen Lewis [1969). 27 S. gr. 8°. 5 s.

Freiheit folgt für Ockham die des Menschen in seinem sitt- Veliath, D.: The „scotism" of William of Alnwick in his
liehen Handeln, das Ockham, worauf bereits Kölmel hin- determinationes de anima (Salesianum 32, 1970 S. 93—
wies, in seinen politischen Schriften entfaltend beschrieb. 134).
A°er auch die Gotteslehre Ockhams, die den Geltungsbereich
des Notwendigen beschnitt und dafür die Kontingenz
der Schöpfung betonte, erlaubte ihm, grofje Teile der Sozialordnung
— allerdings in einem von Gott gesetzten Rah- ixin^i ir-M^ro^i nr»i irr
rnen — der Vereinbarung unter den Menschen zu überlas- KIRCHENGESCHICHTE:
Sen, so dafj das Eigentum ein „weltlich Ding" werden konn- REFORM AT I O N S Z EIT
. Schön zeigt der Vf., wie Ockham bei der Beschreibung
einer kollektiven Einheit auf seine philosophischen Schriften
zurückgriff. Johannes XXII. hatte behauptet, der Orden Kind- Helmut: Das Zeitalter der Reformation im histori-
sei nur eine persona imaginaria et repraesentata, woraus scnen Roman der Jungdeutschen. Göttingen: Vanden-
«■ Schlüsse zog, die dem franziskanischen Armutsideal den hoeck & Ruprecht [1969]. 160 S. gr. 8".

°den entzogen. Hiergegen mußte sich Ockham nach seiner Die Untersuchung, dem Gedächtnis Ferd. Jos. Schnei-
Entscheidung für das Armutsideal seines Ordens wenden. ders, des einstigen Hallischen Germanisten gewidmet, hat
r tat dies, indem er ganz im Rahmen seiner frühen Leh- ihren Ort im Grenzbereich zwischen Literatur- und Geren
darlegte, der Orden sei zwar keine selbständige meta- Schichtswissenschaft. Indem sie den historischen Roman
Physische Größe, aber in der Erscheinung seiner Glieder der Jungdeutschen auf sein Verständnis der Reformation
^ehr als die Summe dieser Glieder. und des Reformationszeitalters (bis einschließlich des 30jäh-
Es ist das Verdienst des Vf.s, das Augenmerk stark rigen Krieges) methodisch befragt, ist sie zugleich ein Kraut
Ockhams Persönlichkeit gelenkt und dadurch die Ein- derlicher Beitrag zur Kirchen- und Geistesgeschichte, für
eit seines gesamten Werkes verständlich gemacht zu haben. ihren Gegenstand eine Ergänzung von H. Bornkamms Buch
o er allerdings noch auf dem von Böhmer eingeschlagenen »Luther im Spiegel der deutschen Geistesgeschichte" (2 1970).
eg weit über Kölmel hinausgeführt hat (in bezug auf das Der Kreis des „Jungen Deutschland", der den Namen von
erhältnis der beiden Schriftengruppen), bleibt eine offene seinem frühen Theoretiker L. Wienbarg empfing, hat seine
rage. Eine Weiterführung der Arbeit hätte sicher für spä- literarische Produktion, die zwischen kulturpolitischer Pu-
ere politische Schriften Ockhams noch ein dem über den blizistik und Dichtung oszilliert, zu einem erheblichen Teil
rmutsstreit entsprechendes Kapitel über den Streit zwi- in der Gattung des „historischen Romans" erprobt,
sehen der kirchlichen und der weltlichen Jurisdiktion min- Diese problematische Literaturform zwischen „Roman
estens seit Johannes Quidort erfordert und noch Ockhams und Geschichte", von den Jungdeutschen im Gefolge W.
ntscheidung für den Kaiser als wichtiges Motiv aufneh- Scotts und in der Nachbarschaft von W. Alexis gepflegt,
j^en müssen. So scheint mir die vorliegende Arbeit vor al- findet in der deutschen Reformation nicht zufällig eines
em die neuere Ockhamforschung zu erhärten, so daß es ihrer Vorzugsthemen. Als wichtigste Repräsentanten dieses
nun möglich erscheint, Ockhams Sozialphilosophie, die eine reformationsgeschichtlichen Romans kommen in Kdnds Unwichtige
Etappe auf dem Weg zu Luthers Zweireichelehre tersuchungen vor allem zu Wort G. Kühne, Klosternovellen
lst- eine abschließende Darstellung zu geben. Der Leser (1838), Wittenberg und Rom, 3 Bde (1877); Th. Mündt, Tho-
wird bedauern, daß der Vf. das nicht gleich selbst getan mas Müntzer, 1841/42; H. Laube, Gräfin Chateaubriant
at- aber er muß auch verstehen, dafj bei dem weitverstreu- (1843), Der deutsche Krieg (1865/66); als wohl reifstes Er-
len Material der neueren Ockhamforschung von dem Vf. Zeugnis dieser zwischen 1838 und 1877 gediehenen Litera-
einer Dissertation, nachdem er den langen Anmarschweg tur schließlich K. Gutzkow, Hohenschwangau (1867/68),
gewählt hatte, billigerweise nicht mehr verlangt werden Über das Reformationsbild der Aufklärung führt die-
ann. Das Buch gehört daher zu denen, die seit 1965 im se Prosaepik hinaus durch die tiefen Einwirkungen des
eutschen Sprachraum mit der neueren Ockhamforschung Idealismus, vor allem Hegels, und des Historismus, der
Ausführlich bekannt gemacht haben, so daß die nachfolgen- in der „Reife- und Spätzeit" der Jungdeutschen (20) zu
en Ockhamdarstellungen in medias res gehen und deren einem geschichtlich verstandenen Realismus hindrängt,
r. sich mühevolle und zeitaufwendige Vorarbeiten sparen Das I. Kap. (Die Quellen) spürt gründlich die histori-
Konnen. sehen Vorlagen und Dokumente des jungdeutschen Refor-
Leipzig Helmar Junghans mationsbildes auf. Dieser Roman, der grundsätzlich nur

__ „das Medium zur Vermittlung geschichtlicher Kenntnisse"

sein will (87), orientiert sich zunehmend an den durch

Alonso, C.: Pierre Assalhit O. S. A. Obispo de Alet y Sac- Ranke gesetzten Maßstäben geschichtswissenschaftlicher Er-

rista pontificio (f 1441) (Augustiniana 20, 1970 S. 107— kenntnis. „Am virtuosesten" hat Gutzkows „Hohenschwan-

144). gau" sich das Quellenmaterial angeeignet und dienstbar

fiukowski, Thomas P.: An Early Dating for Aquinas' 'De gemacht (44).

aeternitate mundi' (Gregorianum 51, 1970 S. 277—303). Das II. Kap. (Stoff und Form), in der Methode weit-

elhaye, Philippe: Dogmatische Fixierung der mittelalter- gehend an R. Petsch, Wesen und Formen der Erzählkunst,

liehen Theologie (Sakrament, vinculum, ratum et consum- 2. Aufl. 1942, angelehnt, analysiert sorgsam die Motive

rnatum). (Concilium 6, 1970 S. 340—342). und Aspekte der angestrebten künstlerischen Transposition

Kunzelrnann, A.: Geschichte der deutschen Augustiner-Ere- des historischen Stoffes. Kennzeichnend ist hier der Vorrang

miten (Augustiniana 20, 1970 S. 54—106). des „pragmatischen", noch mehr des „idealen" über den

Martin, Klaus: Die Entwicklung des Einsiedlerwesens im „realen Nexus" (54). Das Schwergewicht des Interesses liegt

Eistum Regensburg (Erbe und Auftrag 46, 1970 S. 197— einmal auf der (vermeinten) Ähnlichkeit der Reformations-

205). zeit mit der Gegenwart, sodann auf dem Fortwirken der