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Ausgabe:

1971

Spalte:

671-673

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Baago, Kaj

Titel/Untertitel:

Pioneers of indigenous christianity 1971

Rezensent:

Lehmann, Arno

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671

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 9

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RELIGIONSWISSENSCHAFT

Baago, Kaj: Pioneers of Indigenous Christianity. Bangalore:
The Christian Institute for the Study of Religion and
Society; Madras: The Christian Literature Society [1969].
VII, 214 S. 8° Confessin g the Faith in India Series,
4. Kart. Rs. 5,50.
Boyd, R. H. S.: An Intrcduction to Indian Christian Theo-
logy. Madras: The Christian Literature Society [1969].
XII, 285 S. 8°. Kart. $ 1,50.
Thomas, M. M.: The Acknowledged Christ of the Indian
Renaissance. Bangalore: The Christian Institute for the
Study of Religion and Society; Madras: The Christian
Literature Society [1970]. XIV, 346 S. 8". Kart. 12 s.
Boyd, Robin: What is Christianity. Madras: The Christian
Literature Society [1970]. VII, 186 S. kl." 8°. $ 0,50.
Es ist bedauerlich, daß es in den Gebieten der jüngeren
Kirchen Theologische Schulen gab und noch gibt, die nach
Lehrinhalt und Lehrformen bis hin zur Unterrichtssprache
austauschbar wären mit irgendeiner westlichen Lehranstalt,
weil ihnen das eigene Gesicht fehlt. ,Noch heute ist man
in vielen indischen Theologischen Colleges vertrauter mit
den Namen und der Gedankenwelt Barths und Brunners,
Tillichs und Bultmanns als mit Brahmabandhab oder Chen-
chiah" (und anderen). Man hält die Zeit für gekommen,
daß „der indische Theologe nicht weiterhin über seine
Schulter schielen muß, um zu sehen, ob er sich im Gleichschritt
befindet mit dem Aquinaten, Calvin oder Barth".

Die in den ersten drei Büchern genannte stattliche Zahl
von Namen und die in R. Boyds „Einführung" gebotene
Bibliographie (zu der K. Baago's "Bibliography of Indian
Christian Theology", Madras 1969 hinzuzunehmen ist) zeigen
, dafj und wieviel schon seit langem für eine erstrebte
indische christliche Theologie gedacht und geschrieben worden
ist.

Dabei wird mit Nachdruck vermerkt, daß die Transformation
der Hindu-Kultur und der Tradition nicht zu einer
neuen sykretistischen Religion führen werde oder dürfe,
sondern als Frucht der Übernahme ein Christentum zeitigen
werde, das gleichermaßen die alten geoffenbarten Glaubensinhalte
bewahren und doch kulturell in Indien „zuhause"
sein werde. Und mit eben dieser Einheimischmachung des
Christusglaubens wolle und könne man einen eigentümlichen
Beitrag zu einer ökumenischen Theologie leisten:
und eine solche Theologie sei da, wenn es auch noch nicht
zu einer Summa oder KD gekommen sei!

Warum, so wird immer wieder argumentiert, soll der
indische Theologe sich bei seinen Aussagen nicht der Terminologie
der indischen Philosophie und Religionswelt
bedienen mit genau so gutem Gewissen und dem Nutzen,
wie es die westliche Theologie mit der Übernahme und
starken Verwendung einer säkularisierten griechischen
philosophischen Terminus-Fülle getan hat?

Christus bleibt der Gottessohn, es bleiben sein Kreuzestod
und seine Auferstehung als Glaubensinhalt, und das
Kreuz ist und bleibt der Ort, wo Gott und Menschen sich
begegnen und treffen. Aber dieses Evangelium muß, um
anzukommen und angenommen werden zu können, auf
vertraute Weise in den indischen Denkformen weitergegeben
werden. „In diesem Prozeß muß der religiöse
Hinduismus sterben, alle seine feinsten Einsichten aber
werden aufgenommen und erhalten ihre Erfüllung, ihre
wahre und volle Bedeutung, in Christus."

Am religiösen Hinduismus wird Kritik geübt, weil
gewisse Elemente im scharfen Gegensatz zu den Grundsätzen
Christi stehen. Zur gleichen Zeit aber meint man,
in der großen und reichen Religionswelt Indiens eine
praeparatio Evangelii entdecken zu können. Mit immer
neuen Wendungen wird versichert, daß es in dieser Religionswelt
einen „hidden Christ" gibt, daß Gottes Geist an
den Jüngern jener Systeme wirkt und „auf eine unbekannte

Weise" ihre Herzen vorbereitet. Also auch nichtchristlichc
Denker sind erleuchtet worden von der Sonne der Gerechtigkeit
, und sie haben den hl. Geist empfangen, was aber
die „spezielle" Offenbarung Christi nicht unnötig machen
soll. Er allein gilt als das wahre Licht, das volle Befriedigung
geben kann. Dieser „hidden Christ" soll vor uns
am Werke sein: „Christus ist gegenwärtig im Hinduismus,
und für Millionen von Menschen wurde er so zum effektiven
Mittel der Erlösung und der Vereinigung mit Gott,
und eben dies genau zufolge der verborgenen Gegenwart
Christi im Hinduismus." Als der Antaryämin (innerer Führer
) wohnt heute der auferstandene Herr in den Herzen
seiner Bhaktas (Gläubigen, Verehrer). „Der Gott der
Christen ist Brahman!" „Wenn es legitim für die Kirche
war, sich' in Chalcedon und weiterhin einer westlichen
Sprache zu bedienen, dann muß es genau so legitim sein
für die indischä Kirche, daß sie sich jetzt und für immer
der Sanskritsprache bedient!" R. Boyd schließt sein Buch
so: „Der ,unbekannte Christus' ist da im Hinduismus. Er
hat viele Segen ausgeteilt, aber noch ist sein Name nicht
bekannt, und sein Angesicht ist nicht offenbar geworden.
In vielen Aspekten des Hinduismus ist er gegenwärtig,
und er wartet darauf, die volle Bedeutung seiner Lehre
zu zeigen, die ohne Kenn'nis seiner selbst nichts anderes
ist als Hinweis auf die Wirklichkeit."

Die indische christl. Theologie ist nicht nur eben da -
das Volumen der „arrivierten" Theologie wird als beachtlich
bezeichnet und belegt mit vielen Namen, die natürlicherweise
in den genannten Büchern überall auftauchen.
Nur wenige von ihnen sind Europäer. Diese bleiben bewußt
Nebenfiguren neben den Kindern des Landes, unter denen
auch einige bedeutende Nicht-Theologen sind. Da begegnen
folgende Namen: Krishna Mohan Banerjee, Parani Andi,
A. S. Appaswamy, Brahmabandhav Upadyay, Sadhu Sundar
Singh, Kandaswami Chetti, Ram Mohan Roy, Keshab Chan
dra Sen, Nehemiah Goreh, A. J. Appaswamy, P. Chenchiah,
V. Chakkarai, P. D. Devanandan, Surjit Singh, S. Kulandran,
Dhanjibhai Fakirbhai, Mark Sundar Rao, Paul Sudhakar,
Raymond Panikkar, Lal Behari Day, P. C. Mozoomdar,
Vivekananda, Radhakrishnan, Mahatma Gandhi. Die von
den genannten Persönlichkeiten bezogenen Positionen nachzuzeichnen
, kann hier nicht der Ort sein. Die Grundzicle
wurden oben bereits genannt. Die Autoren der Bücher
pflichten ihnen weithin und zumeist, bei mancher Kritik,
durchaus bei. M. M. Thomas' Buch empfiehlt sich besonders
durch einen Epilog, der die Kriterien einer indischen christlichen
Theologie entfaltet, dann biographische Angaben
bietet, kurze Angaben über die vorgekommenen Bewegungen
macht und einen Index bringt, der als Sachindex
freilich sehr ungenügend ist. Robin Boyds Buch, dem eine
Dr.-Arbeit zugrunde liegt, scheint mir besonders wertvoll
zu sein. Es bietet dem Leser am Schluß Material über
„Indische Christi. Theologie heute", ein Extra-Kap. über
"Types and terms" des indischen-theologischen Denkens
und zuletzt ein Kap. "Assessment and a Prospect". Daneben
findet sich ein Glossarium zur Erklärung der im Buche
angeführten indischen Wörter, eine gute Bibliographie, ein
Namensindex und ein gutgearbeiteter, wenn auch ergänzungsbedürftiger
Sachindex.

Das in diesen 3 Büchern verfolgte Anliegen steht ganz
unter dem Gesichtspunkt der Zeugnisverpflichtung, und es
ist sehr wichtig. Damit stimmt auch überein eine Klage aus
unseren Tagen über eine Hindi-Bibelübersetzung: „Kein
einziger wesentlicher Terminus war so übersetzt, daß ein
Hindu von seinem Hintergrunde her unzweideutig verstehen
konnte, um was es sich handelte" (Klaus Kloster-
maier: Christ und Hindu in Vrindaban. Köln '68, 74/5). Aber
würde die Bibel nicht hinduistisch verstanden, wenn Hindu-
Wörter im Texte stünden? Ich erinnere mich, daß mir ein
Hindu-Gelehrter erzählte, ein deutscher Missionar habe
eine „Heidenpredigt" gehalten. Als Kenner des Hinduismus