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Ausgabe:

1971

Spalte:

622-624

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Slenczka, Reinhard

Titel/Untertitel:

Oecumenica, Jahrbuch für ökumenische Forschung, 1969 1971

Rezensent:

Gallinat, Reinhold

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 8

622

nicht nur in umfassender Weise belehrend, sondern zugleich
ein ermutigendes Beispiel für die Verbindung exegetischer
Grundlagenforschung mit praktisch-theologischer Zielstellung
.

Leipzig Norbert Müller

Voigt, Gottfried: Die große Ernte. Homiletische Auslegung
der Predigttexte der Reihe V. Teil I (1. Advent bis Pfingstmontag
). Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht [1970]. 279 S. gr. 8".
Predigtmeditationen werden immer mehr zu Zwischenträgern
zwischen theologischer Wissenschaft und Verkündigung
, weil der durchschnittliche Prediger sich wenig Zeit
zum theologischen Direktstudium durch Fachliteratur läßt.
So ist der Einfluß von gedruckten Meditationen nicht zu unterschätzen
.

Deutlicher als bisher hat Vf. seine aus jahrzehntelanger
homiletischer Arbeit erwachsenen Dispositionsvorschläge
zur Grundlage der eigentlichen Predigtüberlegungen gemacht
. Die Exegesen zu Beginn sind vielseitig und wohlerwogen
, ohne den neuesten Thesen gegenüber immer offen
bzw. ihnen verfallen zu sein. Charakteristisch mag folgendes
Zitat sein: „Es ist gut, dafj Systematische und Praktische
Theologie gegenüber einer nicht selten zu beobachtenden
heuristisch notwendigen Überschärfung der Fragestellungen
und Methoden darauf dringen, daß uns die Schrift nicht in
lauter Scherben und Splitter zerbricht" (S. 100). — Eine vielseitig
gehaltene Einsticgsüberlegung endet regelmäßig mit
einer Gliederungsangabc, die — etwas stereotyp — in der
Mehrzahl drei, in der Minderzahl zwei Teile aufweist. In
der Einsticgsüberlegung werden Gedanken zum Kirchen-
Jahr, zur theologischen Lage, zur evangelischen Grundbindung
und vor allem zur exegetischen Bündelung zusammengetragen
. Und es kommen grundlegende Bedenken oder
Zweifel zu Wort. — In den folgenden Meditationszügen
wechseln exegetische und theologische Reflexionen, die mit
geistlichen Übertragungen personaler und ekklesiologischer
Art versetzt sind. Nicht nur die Texte der Reihe V, sondern
auch des Vf.s Intention bewirken eine Zurückhaltung in Fragen
ethischer Konkretion: „Predigt schafft nicht nur den
Kairos, sie vollzieht sich innerhalb eines bestimmten gottgesetzten
Kairos ... Es besteht Grund zu der Sorge, wir
könnten über dem ersten das zweite vergessen und uns da-
niit um den Trost bringen, der uns für das Werk der Verkündigung
mitgegeben ist" (S. 7 f.). Es ist gut, daß das gesagt
wird; aber dennoch bedarf der Prediger für die Vielfalt
heutigen menschlichen Lebens eines geschärften Blickes.
Trotz aller Rufe nach Wirklichkeitsnähe scheint vielen Predigern
die Lcbcnsfülle des Menschen zwischen Geburt und
Tod in ihren kleinen und großen Zusammenhängen immer
loch zu wenig bekannt zu sein, so daß bestimmte anthropologische
Klischees aus Kirche, Welt und Ökumene „modernisierend
", aber im Grunde schon wieder lebensfern umlaufen
. Predigtmeditationen sollen die Meditation vor Ort
nicht ersetzen; aber sie können durch frische situative und
sprachliche Übertragungswinke die Richtung zum Marsch
w die Welt des Menschen markieren. So möchte man sich
etwa mehr Hilfen zum heutigen Verstehen des Fastens als
eines Verzichtes auf Lebensnotwendiges um Gottes willen
wünschen (S. 96 f.). Die Gedanken zum schmalen und breiten
Weg (S. 74) machen deutlich, wie es möglich ist, Bilder
sprachlich zu erweitern. Über solcher Arbeit muß die Nähe
Zum Text, die Vf. durchhalten möchte, nicht verlorengehen;
auch nicht das „alte Evangelium von der Vergebung der
Sünden" (S. 8).

Im übrigen soll nicht über exegetische oder theologische
Differenzen, die es immer geben wird, gerechtet werden.
Wenige Druckfehler sind stehengeblieben.

Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Oecumenica. Jahrbuch für ökumenische Forschung 1970.
Evangelium und Sakrament, hrsg. vom Institut für ökumenische
Forschung in Strasbourg durch G. Gaßmann u.
V. Vajta. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn;
Minneapolis, Minn: Augsburg Publishing House; Paris:
Les Jditions du Cerf; Neuchätel: fiditions Delachaux et
Niestie [1970). 277 S. gr. 8".

Der fünfte Band der in dem Straßbourger Forschungsinstitut
herausgegebenen Reihe enthält unter dem Gesamtthema
„Evangelium und Sakrament" die vom 19. bis 31. August
1968 beim „Zweiten Internationalen Ökumenischen Seminar"
in Straßburg gehaltenen Vorträge und Berichte in einer für
den Druck überarbeiteten Fassung. Voran steht der „Entwurf
einer Problemstellung" von Vilmos Vajta, am Ende
Kurzberichte über die in vier Gruppen geführte Diskussion
der Tagungsteilnehmer. Die dazwischen abgedruckten neun
Vorträge von drei römisch-katholischen, drei lutherischen
und je einem orthodoxen, anglikanischen und reformierten
Theologen entfalten das Gesamtthema nach sorgfältig geplanter
Regie unter exegetischem, historischem und konfessionell
-systematischem Gesichtspunkt. Den Auftakt bilden
drei neutestamenliche Referate, wobei das letztere bereits
hinüberlenkt in den Frühkatholizismus eines Ignatius von
Antiochien. Es folgen Darstellungen zu den spezifisch konfessionellen
Ausprägungen der Sakramentsproblematik: in
orthodoxer, römisch-katholischer, lutherischer, reformierter
und anglikanischer Tradition. Ein einzelnes Referat versucht
die Konfrontation von katholischer und lutherischer Problemstellung
.

Das Einleitungsreferat von V. Vajta untersucht zunächst
, wie „Evangelium und Sakrament" miteinander verbunden
gedacht sein können, und erörtert dann einige hierher
gehörige systematische Probleme, die mit den für die
Diskussion ausgegebenen Themen identisch sind, aber von
den folgenden Referaten nur zufällig und am Rande aufgegriffen
werden.

Krister Stendhal spricht zum Thema „The New Testament
background for the doctrine of the Sacraments" (41 bis
58), im wesentlichen von Taufe und Eucharistie. Die Mahlfeier
leite sich ab aus den Gebräuchen der jüdischen Familie
und Bruderschaften. Grundlegend sei neben dem gemeinschaftlichen
ihr eschatologicher Charakter. Einen wichtigen
Hinweis findet Stendhal im Text des Vaterunser, dessen
vierte Bitte sachgemäß so verstanden werden sollte: „Give
us the antieipatory meal of the Kingdom here and now" (58).
An dem Problem der Realpräsenz sei das NT nicht interessiert
; 1 Kor 11 handele vom Verfall der brüderlichen Gemeinschaft
. Ein Satz mag hier noch zitiert werden, der die
exegetische Arbeit in ein bemerkenswertes Licht rückt: „I
am not practicing biblical imperialism. I count on the crea-
tive power and inspiration of our systematic theologians"
(42).

Johannes B e t z nimmt in seinem Vortrag, „Die neutesta-
mentliche Struktur des Sakraments, aufgewiesen am Abendmahl
" (61—80), erwartungsgemäß in wichtigen Punkten gegenteilige
Positionen ein. Das betrifft etwa die Realpräsenz
und den Opfercharakter des Mahles, die beide schon in ältesten
Bibeltexten belegbar seien; während der eschatologi-
sche Aspekt auch von ihm als grundlegend angesehen wird.
Alle am Abendmahl wesentlichen Elemente sind „im Kern
originäre Schöpfung Jesu" (73).

Bo R e i c k e behandelt zum Thema „Evangelium und Sakrament
im 1. Jahrhundert" (82-92) zunächst die lukanische
Auffassung, dann Texte aus dem ersten Johannesbrief und
den Ignatiancn. Dabei ergibt sich, daß der 1. Joh trotz des
zeitlichen Abstandes Lukas sachlich nähersteht. Sind bei Lukas
und im 1 Joh Evangelium und Sakrament noch eng beieinander
, so betont bereits Ignatius die Bindung der Sakramente
an das Bischofsamt.