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Ausgabe:

1971

Spalte:

617-619

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Downing, Francis Gerald

Titel/Untertitel:

Has christianity a revelation ? 1971

Rezensent:

Bartsch, Hans-Werner

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 8

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forschung seiner Auffassungen, aber auch der philosophisch-
theologischen Konzeption Schleiermachers in ihrer wirklichen
Entwicklung und ihrer sachlichen Bedeutung anzusetzen
haben.

Bonn-Bad Codesberg Heinz Kimmcrle

Downing, F.Gerald: Has Christianity a Revelation? London:
S. C. M. Press [1964]. 315 S. 8" = The Library of Philo-
sophy and Theology, cd. by J. Mcintyre and I. A. Ramscy.
Lw. 35 s.

Dafj „Offenbarung" (revelation) ein unzureichender und
mißverständlicher Begriff ist, um die biblische Botschaft klar
und eindeutig zu interpretieren, ist die Hauptthese des Buches
. Als Alternative für einen derart zusammenfassenden
Begriff bietet Downing den Begriff „Erlösung" - „Errettung"
(salvation) an. In einem historischen Teil wird vom atlichen
Hintergrund her zunächst das Neue Testament auf seine
Verwendung des Begriffes befragt (2 Tafeln geben am
Schluß, S. 291 ff. eine Statistik der verschiedenen Vokabeln,
die den beiden Alternativbcgriffen äquivalent erscheinen),
um von daher knapp die theologiegeschichtliche Entwicklung
darzustellen. Eine linguistische Untersuchung führt zu
der Darstellung der Ursachen für den mißverständlichen Gebrauch
des Begriffs, um in einem Schlußkapitel darzustellen,
wie Christentum und seine theologische Darstellung besser
auf den Begriff Offenbarung verzichtet und „salvation" als
Alternative benutzt.

Die Darstellung ist durch zwei Probleme gegliedert: 1.
«In welchem Sinne wird .offenbaren' benutzt, da es so vieler
Wörter bedarf, von der .Offenbarung' Gottes, der Einer ist,
zu reden?" (S. 12). Dieses Problem, dessen Behandlung vor
allem die zweite Hälfte des Buches ausmacht, wird später
genannt: „In welchem Sinne — wenn überhaupt — kann von
Gott gesagt werden, er sei .offenbart', da die Christen derart
Verworren und unsicher über ihn und seine angenommene
•Offenbarung' sind?" (S. 162).

2. Das zweite, dringender erscheinende (S. 14) Problem
ist, „ob die .Offenbarung Gottes in Christus' ein .sinnvoller'
(rncaningful) oder .biblischer' Gedanke ist" (S. 17).

Für das AT stellt der Autor überzeugend dar, daß alle
Wörter, die mit Offenbarung äquivalent sind, oder in Beziehung
stehen, sich entweder auf den Plan Gottes für sein
Volk oder auf Gottes Forderung und deren Zweck bezichen,
die die Grundlage des Gemeinschaftslebens bildet (S. 58 f.).
Im eigentlichen Sinn als Enthüllung der Geheimnisse Gottes
begegnet der Begriff nur in der Gnosis.

Für das NT stellt der Autor fest, dafj der Begriff in ihm
licht vorkommt: „Revelation, in any of its modern theologi-
cal uses, as a major term (or even the sole adequatc term)
with which to convey the purpose of the life, death, resur-
rection of Jesus, docs not occur in the New Testament" (S.
123). Allerdings gilt dies mit einer Einschränkung, die besonders
bei Paulus deutlich wird: „Paul does not seem to
See the great ,saving acts' of God in the recent past in terms
°f .revelation', .revelation of God'. There will be .revealings'
Hl the futurc as the great act of God; but this is in a
roythical, pictorial sense" (S. 83). Darum ist Offenbarung
für Paulus ein untergeordneter Begriff, den er neben dem
cschatologischen Ende nur für die Inspiration der Propheten
und die Erscheinungen des Auferstandenen als Offenbarung
des Geheimnisses des Kreuzes gebraucht (S. 86).

Für die Synoptiker zeigt der Autor an einem instruktiven
Beispiel, welche Entscheidung für die Exegese mit der Verwendung
des Begriffes impliziert ist. Legt man Mt 11,25
auf dem atlich-jüdischen Hintergrund aus, so gewinnt die
Einladung am Schluß das Schwergewicht und es handelt sich
nicht um persönliche Kenntnis Gottes, sondern um das Reich
G°ttcs, das durch die Einladung angeboten wird. Legt man
den Text dagegen auf gnostischem Hintergrund aus, so gehört
es in die dritte Generation und spricht von dem unbekannten
Gott, den der gnostische Erlöser offenbart (S. 87 ff.).
„Weder Jesus noch die Synoptiker selbst scheinen nach den
Berichten ,Offcnbarung' irgendwelcher Art als Jesu Aufgabe
oder Erfolg angesehen zu haben. Weder er noch sie sagen
, daß er Kenntnis von Gott mitgeteilt habe, oder dafj
dies das Ergebnis seines Lebens und Wirkens war" (S. 96).
Auch für das Johannes-Evangelium kommt der Autor zu dem
gleichen Ergebnis, und die übrigen ntlichen Schriften wie
die folgenden Apostolischen Väter bis hin zu Augustin ändern
an dem Befund nichts Wesentliches. Eine relative Ausnahme
macht nur der Diognetbrief, der es als Gottes Absicht
nennt, „that men should, by faith, have a clear knowledgc
about himself, here and now, through the saving activity of
Christ" (S. 136). Aber damit führt der Diognetbrief zu einem
Verstehen des Handelns Gottes, das sich von dem der ntlichen
Autoren erheblich unterscheidet.

Im Zusammenhang mit dem AT setzt Downing an die
Stelle der Offenbarung des Wesens Gottes sein Handeln,
durch das Israel ins Dasein gerufen wurde, durch das die
christliche Gemeinde entstand. Darum ist die Antwort auf
diese „großen Taten Gottes" hicht metaphysische Erkenntnis
, sondern der Gehorsam, der sich in der Liebe betätigt.
Es wird von daher verständlich, daß der Autor den Begriff
„salvation" im Sinne der Befähigung zu solch liebendem
Handeln für besser hält, um theologisch die biblische Botschaft
zusammenfassen bzw. den Ansatz für ihre theologische
Entfaltung zu gewinnen.

Allerdings muß gegenüber diesem Entwurf kritisch eingewandt
werden, daß der Autor es versäumt, das Handeln
Gottes konkret und geschichtlich als Ansatz zu nehmen. In
seiner Kritik an Barth und Bultmann wird das Ungenügen
des Entwurfs, einen Begriff durch einen anderen zu ersetzen
, deutlich (S. 249—261). Er hält bei beiden den apologetischen
Versuch, für Gottes offenbares Handeln einen sturmfreien
Raum zu gewinnen, für ein bestimmendes Motiv.
Und er hält einen Satz, in den er selbst Bultmanns Konzeption
zusammenfaßt: „Actions of God are only paradoxically
identical with observable events" (S. 260) für ein „juggling
with words" (ibd.). Es ist schon richtig, daß der Begriff
Offenbarung in Barths Dogmatik wie in Bultmanns Arbeiten
— vor allem, wenn beides in englischer Übersetzung
gelesen wird! —, den sie der traditionellen Theologie entnehmen
, allzu nahe an Offenbartheit und damit an objektivierende
Begriffe gerät. Liest man allerdings beide Theologen
als Dialektiker, wird diese Nähe zumindest sehr reduziert
. Jedenfalls ist es ein Kurzschluß, der zudem gegen
den Schlußabsatz in Bultmanns Aufsatz „Neues Testament
und Mythologie" steht, wenn ihm auf Grund des Redens von
Gottes eschatologischem Handeln vorgeworfen wird, daß
damit der Anstoß des Bruchs der Kausalkette bestehen bleibt
(S. 258). Einerseits übersieht Downing, daß Bultmann von
Gottes eschatologischem Handeln redet, eben gerade
nicht von objektivierbarem Geschehen. Und andrerseits
bleibt das Reden von „salvation" unter dem gleichen
Verdacht, sobald der Leser fragt, wie nun diese „salvation
acts of God" aussehen.

Um diesem Dilemma abzuhelfen, nützen auch die Beispiele
und Parallelen aus dem täglichen Leben nichts, die im
Englischen anscheinend sehr beliebt sind und witzig erscheinen
, die manchmal jedoch nahezu peinlich wirken. Wenn
man zustimmt, daß der Begriff Offenbarung als Ansatz für
die Theologie zur Interpretation der biblischen Botschaft
unzulänglich und mißverständlich ist, so wird man ihn besser
ersatzlos streichen, um eben von Gottes eschatologischem
Handeln zu reden. Aber man muß dem theologischen Leser
dann allerdings zumuten, in der Dialektik von Gottes Handeln
zu reden, die mit dem Begriff eschatologisch im pauli-
nischen Sinn bezeichnet ist. Dieses Handeln Gottes ist nicht
„observable", obwohl es im Glauben das gegenwärtige Leben
des Glaubenden bestimmt.