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Ausgabe:

1971

Spalte:

40-41

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Zeller, Winfried

Titel/Untertitel:

Frömmigkeit in Hessen 1971

Rezensent:

Kohls, Ernst-Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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Gesamtwerkes, der 1968 verstorbene Dozent Dr. Friedrich
Walter. Dann ergreift der Bearbeiter des vorliegenden Bandes
, der damalige Universitätsdozent Dr. theol. et phil. Harald
Zimmermann, gegenwärtig Professor an der Universität
Saarbrücken, das Wort. Er gibt einen kurzen Überblick
über die Rechts- und Verfassungsentwicklung der Evangelischen
Kirche in Österreich. Was vor uns liegt, ist keine
Darstellung der Geschichte oder des Wesens unserer Kirche,
sondern eine Aufzählung der heute bestehenden Gemeinden
. Stichjahr ist das Jahr des Toleranzediktes Josefs IL,
1781. Die fallweise sehr bewegte Geschichte vieler Gemeinden
in der Reformationszeit ist nur andeutungsweise berücksichtigt
. Denn selbst unter dem toleranzfreudigen Kaiser
Maximilian II. ist es zu einer Organisation der Gesamtkirche
im 16. Jahrhundert nicht gekommen.

Die Reihung der Gemeinden erfolgt fast ausschließlich
alphabetisch innerhalb der Superintendenzen. Zunächst folgen
einander die sieben Superintendenzen Augsburgischen
Bekenntnisses (A. B.): Wien, Niederösterreich, Kärnten,
Steiermark, Oberösterreich, Salzburg-Tirol und das Burgenland
, das 1922 als neuntes Bundesland Österreich eingegliedert
wurde. Die achte Superintendenz umfaßt die Kirche
Helvetischen Bekenntnisses (H. B.) mit ihren acht Gemeinden
, drei in Wien, eine in Linz, drei in Vorarlberg und eine
im Burgenland.

Den Gemeinderegistern jeder Superintendenz geht eine
kurze geschichtliche Einleitung voraus. Dieser ist jeweils
wie auch dem verfassungsgeschichtlichen Überblick ein überaus
sorgfältig zusammengestellter Literaturnachweis (Quellen
, Darstellungen, Zeitschriften bis zum Februar 1968) angeschlossen
; diese Zusammenstellungen gehören zu den
größten Vorzügen des Buches.

Die Wiener Gemeinden sind nach den Bezirken geordnet
, in denen sich, von I aufsteigend, der Sitz des Pfarramtes
befindet; in den übrigen Superintendenzen ist die Reihenfolge
, wie schon erwähnt, alphabetisch. Unter dem fettgedruckten
Namen der Gemeinde steht das Gründungsjahr,
das nicht immer das einer selbständigen Gemeinde sein
muß, sondern allenfalls einer Predigtstation, einer Teilgemeinde
oder einer Tochtergemeinde; aus den entsprechenden
Jahreszahlen ist der Aufstieg der Gemeinde zu ersehen
.

Es folgt die Angabe der vorhandenen Matriken —
Tauf-, Trau- und Sterbematriken — jeweils mit der entsprechenden
Jahreszahl des Beginns der Führung. Sie stellen
die wichtigste Quelle dar; dann werden andere Quellen
aufgezählt, Pfarrarchive, Pfarrchroniken, Archiv des Oberkirchenrates
; ein Verzeichnis am Anfang des Bandes hilft
zur Auflösung der verwendeten Abkürzungen. Auch hier
folgen Literaturangaben über die betreffende Gemeinde
und schließlich über das Bestehen von etwaigen Tochtergemeinden
, Predigtstationen oder Predigtstellen.

Nur wer selbst ein wenig am Zustandekommen des
Bandes mitgearbeitet hat, kann ermessen, welch eine Fülle
von Kleinarbeit hinter diesen Daten, hinter jeder einzelnen
Angabe steckt. Nicht überall sind die Quellen leicht greifbar
, die Pfarrarchive vielfach in einem bejammernswerten
Zustand, auch das Archiv des Oberkirchenrates läßt den
Forscher oft im Stich; Dutzende von Briefen, Hunderte von
Einzeluntersuchungen sind notwendig, bis der Vf. der Kurzbiographie
der Gemeinde das gebrauchte Datum in der
Hand hält. Dieser Aufgabe hat sich der Bearbeiter in mustergültiger
Weise unterzogen, so daß heute der evangelischen
Kirche Österreichs Nahe- oder Fernestehende ein Nachschlagewerk
außerordentlichen Ranges in die Hand bekommen,
in das die Interessierten nur die Daten der weiteren Entwicklung
einzutragen haben, um es aktuell zu erhalten. Wir
wünschen dem Buche, das in dankenswerter Weise die Wiener
Katholische Akademie herausgebracht hat, die weiteste
Verbreitung.

Wien Grete Mecenseffy

Zeller, Winfried: Frömmigkeit in Hessen. Beiträge zur hessischen
Kirchengeschichte, hrsg. v. B. Jaspert. Marburg:
Elwert [1970]. XV, 215 S. kl. 8°.

Seit vor nahezu hundert Jahren der Altmeister der Hessischen
Kirchengeschichte Heinrich Heppe seine „Kirchengeschichte
beider Hessen" veröffentlicht hat, ist der Ruf
nach einer neueren Darstellung unter Einbeziehung heutiger
Quelleneditionen und Forschungsergebnisse ständig
lauter geworden. Die Hessische Kirchengeschichte ist seit
dem Frühmittelalter, über das Reformationszeitalter bis in
die neueste Zeit hinein eine ungewöhnlich reiche zu nennen
, und es sind nicht nur die Namen des Bonifatius, der
Hl. Elisabeth, des Landgrafen Philipp von Hessen und eines
August Friedrich Christian Vilmar, die exemplarisch die
überterritoriale Bedeutung der Hessischen Kirchengeschichte
verdeutlichen können.

Winfried Zeller hat seit Beginn seiner Marburger Lehrtätigkeit
vor zwei Jahrzehnten in seine kirchenhistorischen
Forschungen die hessische Kirchengeschichte intensiv mit
einbezogen, wie sie noch jeden, der nach Hessen als Profanoder
Kirchenhistoriker gekommen ist, in den Bann gezogen
hat. Der vorliegende Band vereinigt elf, größtenteils schon
veröffentlichte Abhandlungen Winfried Zellers zur hessischen
Kirchengeschichte, die einen einzigartigen Durchblick
durch alle Epochen dieses Bereiches vermitteln können
.

Der Band wird eröffnet mit den Abhandlungen, jeweils
über Bonifatius und die Hl. Elisabeth, die Winfried Zeller
zu den Jubiläen im Jahre 1954 und 1957 erstmals verfaßt
hat. Eindrücklich wird die Lebensmitte des Apostels der
Deutschen in seiner Liebe zur Hl. Schrift durch alle Etappen
seines Lebens verfolgt, und nicht minder eindringlich
wird die frömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung der Hl. Eli-

l sabeth von Winfried Zeller aus den literarischen Zeugnissen
nachgezeichnet. Den Abhandlungen über „Die Reformation

r in Hessen" (S. 34—51) und über die Bedeutung der im Jahre
1527 von Philipp von Hessen gegründeten Universität Marburg
(S. 52—66) ist die historiographisch-methodische Besinnung
„Zur Kirchengeschichte von Kurhessen" (S. 29—33)
vorangestellt, die die Mittlerfunktion der hessischen Kirchengeschichte
und Theologie innerhalb der allgemeinen
deutschen Kirchengeschichte anschaulich herausarbeitet (vgl.
auch die Abhandlung „Die niederhessische Irenik", S. 96
bis 140). Unter dem Aspekt einer „Mittelstraße" (S. 50) stehen
die Ideen des Landgrafen Philipp zu einer Einigung des
, deutschen und europäischen Gesamtprotestantismus, eben-

( falls die von Martin Bucer maßgeblich entworfenen bedeutenden
hessischen Reformationsordnungen: die Kasseler
Kirchenordnung und die Ziegenhainer Zuchtordnung von
1539, die die Konfirmation und das Ältestenamt neu in den
Protestantismus eingeführt haben.

Die zweite Hälfte des vorliegenden Bandes enthält vor
allem Abhandlungen Winfried Zellers, die seinen hymnolo-
gischen Forschungen im Zusammenhang der hessischen Kirchengeschichte
entsprungen sind. Die Abhandlungen „Zum
Verständnis Philipp Nicolais" (S. 67—79), über Raphael Egli
(S. 80—95) und über „Theologie und Kirchenmusik" (S. 192
bis 201) sind Meisterdarstellungen aus dem Bereich der
Geschichte der hessischen Hymnologie. Die Abhandlungen
über Heinrich Horche (S. 140—150) und Conrad Mel (S. 151
bis 191) bieten eine Kurzdarstellung der Hauptphänomene
des Pietismus.

Insgesamt ist der vorliegende Band gesammelter Abhandlungen
Winfried Zellers von einer verhaltenen Aktualität
, die weit über den Bereich der hessischen Kirchengeschichte
hinausgeht und die sich mehrfach unaufdringlich
aus der Darstellung herausmeldet, so aus den Schlußsätzen
der Eingangsabhandlung über Bonifatius: „Es mag ... zuletzt
als Wesentliches bleiben, daß auch Bonifatius ein .Liebender
' der Heiligen Schrift gewesen ist. Daß er in seinem