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Ausgabe:

1971

Spalte:

599-603

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Cyprian, Sw.

Titel/Untertitel:

Listy 1971

Rezensent:

Starke, Arnold

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599

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 8

600

Für den, der sich für Stellungnahmen der AV zu speziellen
Fragen interessiert, bietet das Sachregister und der Index
der griechischen Wörter eine gute Orientierung. Die Zahl
der Belegstellen zu den einzelnen Stichworten zeigt auf einen
Blick, was im Vordergrund steht und was nicht. Allerdings
sind hier auch die traditionellen Tugend- und Lasterkataloge
erfaßt, bei denen erst eine genauere Analyse etwaige
Nuancen herausfindet. Überraschendes ist kaum zu
erwarten. Wie im NT wird die Arbeit empfohlen, weil sie
Mittel zum Almosengeben schafft (Barnabasbrief). Die Herren
sollen ihre Sklaven menschlich behandeln, diese sich in
ihr Los fügen (Ignatius, Didache). Reichtum bringt moralische
Gefahren. Der Reiche gebe dem Armen Almosen, dieser
danke durch sein Gebet (Herrn. Par. II). L. bemerkt dazu
(S. 220), daß hier nicht soziale Ungleichheit verteidigt, sondern
die Folgen der faktisch vorhandenen Ungleichheit
wenigstens für den eigenen Kreis überwunden werden sollen
, in einem naiven Idealismus.

Mag der kritische Rückblick das Almosengeben als unzulängliches
Mittel erkennen, so wird das historische Urteil
den Fortschritt würdigen, den die Anerkennung einer Verpflichtung
gegenüber dem Armen bedeutet. Im jüdischen
und christlichen Almosengebot wird etwas wirksam, was
die griechisch-römische Antike weder theoretisch noch praktisch
kannte. Im besten Falle bedachte dort eine /wohltätige'
Stiftung alle gleich, und selbst wenn sie in scheinbarer Großherzigkeit
auch Sklaven einschloß, so nützte das mehr den
unterhaltspflichtigen Besitzern und schmälerte den Anteil
der armen Freien.

L. fragt am Schluß nach der Bedeutung der Morallehrcn
der AV für die Gegenwart. Er sieht sie nicht im Detail, sondern
in der Orientierungshilfe: in ihrer alttestamentlichen
Verwurzelung, in der theologischen Begründung als Antwort
des Menschen auf Ruf und Gabe Gottes, in der Unterstreichung
der Gemeinschaftswerte.

L. ist es gelungen, die Texte weitgehend für sich sprechen
zu lassen. Seine gründliche Studie ist weit mehr als ein
,simple essai', als den er sie bescheiden bezeichnet (S. 254).

Einige Einzelheiten: Nützlich ist die dreispaltige synchrone
Zeittafel für allgemeine Geschichte, Kirchengeschichte
und christliche Literatur. Daß dort für 43—44 die Eroberung
der Südbretagne verzeichnet ist, wird hoffentlich der französische
Leser für relevant halten. — Die Zitate sind durchweg
in französischer Übersetzung gegeben, z. T. die gleiche
Stelle in abweichenden Fassungen, so Barn. X 3 S. 148 und
schon S. 137, hier ohne genauere Stellenangabe und daher
nicht im Stellenregister (ebenso Barn. IV S. 153 und S. 123).
Auch das Bibelstellenregister hat nicht solche Zitate und
Anspielungen, die nicht ausdrücklich in Text und Anmerkungen
ausgewiesen sind. Bei den griechischen Wörtern
fällt auf, daß hagneia viermal mit dem richtigen und sechsmal
mit dem falschen Spiritus steht (dazu zweimal das Ver-
bum). Doch ist das Buch insgesamt sorgfältig genug gedruckt
, so daß der Druckfehler S. 1, Anm. 1, Zeile 1 kein
Omen für das Folgende ist. S. 56, Anm. 7 bezieht sich der
vage Rückverweis auf S. 42, wo aber keine entsprechende
Überschrift vorkommt. Der S. XI, Anm. 1 zitierte Polykarp-
Artikel von P. Meinhold steht nicht im Reallexikon für Antike
und Christentum (im Abkürzungsverzeichnis S. VI mit
k statt c zu schreiben), sondern bei Pauly-Wissowa - wie
schön wäre es, wenn das RAC schon bis P gediehen wäre!

Berlin Kurt Treu

Cyprian, Sw.: Listy. Tlumaczyl O. W. Szoldrski, Opatrzyl
wst^pem Ks. M. Michalski, Opracowal O. E. Stanula (Briefe
, übersetzt von P. Wlad. Szoldrski. Mit einer Einleitung
von M. Michalski, bearbeitet durch P. Em. Stanula). War-
szawa: Akademia Teologii Katolickiej 1969. 330 S. gr. 8°
= Pisma Starochrzescijariskich Pisarzy, 1 (Schriften altchristlicher
Schriftsteller, 1).

Von den hier in polnischer Sprache veröffentlichten Briefen
stammen 65 von Cyprian selbst; die übrigen sind von
anderen verfaßt oder an den Bischof von Karthago gerichtet
oder stehen nur im Zusammenhang mit seiner Person (S. 10).
Sie alle wurden schon vor vielen Jahren durch den Redemp-
toristenpater W. Szoldrski übersetzt. Aus der Einleitung und
dem Nachwort der Schriftleitung (zu ihr gehören außer den
obengenannten Theologen noch die Dominikanerpatres
Mateusz Bogucki und Jacek St. Bojarski sowie Pfarrer Win-
centy Myszor) geht hervor, daß schon 1937 eine polnische
Ausgabe von Cyprians Schriften in Angriff genommen wurde
. Der 1. Band erschien damals in Posen/Poznan aus der
Feder von Prof. Czuj als Band XIX der „Schriften der Kirchenväter
in polnischer Übersetzung, unter der Hauptschriftleitung
von Prof. Dr. J. Sajdek" (22 Bände dieser Reihe
waren bis 1939 erschienen!). Czuj behandelte in der Einleitung
Leben und Wirken des Bischofs von Karthago auf
Grund des Briefwechsels. Dieser 1. Band enthielt Cyprians
Traktate auf polnisch. Die Herausgabe des 2. Bandes mit
den Briefen wurde durch den Krieg, dann durch Krankheit
und Tod Prof. Czujs verhindert.

Nach dem Kriege wurde die Arbeit an den Väterschriften
an mehreren Stellen in Polen wiederaufgenommen. Doch
befriedigten diese Bemühungen - so meinen die Herausgeber
des vorliegenden Bandes — „nicht das auf patristi-
schem Gebiet vorhandene Bedürfnis, das in letzter Zeit gewaltig
anwächst als Ausdruck des großen Interesses an der
frühchristlichen Zeit. Die Christen von heute erkennen immer
besser, was dieser Abschnitt der Kirchengeschichte für
sie bedeutet. Indem sie Leben und Denken der ersten christlichen
Jahrhunderte kennenlernen, haben sie Gelegenheit,
über das Wesen des christlichen Lebens nachzudenken und
finden darin die Inspiration zur Erneuerungsarbeit in der
Kirche der Gegenwart" (S. 327). Später ist ausdrücklich vom
„gesellschaftlichen Bedürfnis" die Rede, das dieses Verlagsunternehmen
rechtfertige (S. 328).

Die Einleitung wiederholt nicht Czujs Darstellung vom
Leben und Schaffen Cyprians. Da jedoch — wie aus dem
Nachwort ersichtlich — in Polen das Bedürfnis besteht, die
Väterschriften dem Volke nahezubringen, wäre eine biographisch
-geschichtliche Einleitung zu Beginn des Werkes sehr
willkommen. M. Michalski gibt hier zunächst eine Gliederung
der Briefsammlung und äußert sich dann über den
literarischen Charakter antiker Briefe im allgemeinen, frühchristlicher
und dieser Briefe im besonderen, wobei er im
Anschluß an Bardenhewer feststellt, daß in formaler Hinsicht
die Grenze zwischen Cyprians Briefen und seinen Abhandlungen
fließend ist. Dann geht er auf die erhaltenen
Briefhandschriften und die Geschichte der Briefsammlung
ein bis zu den jüngsten Ausgaben. Ausführlich bespricht er
die Vorzüge der Textausgabe, die dieser Übersetzung zugrunde
liegt: St. Cyprien, Correspondancc, ed. Bayard, Paris
1925, 2. Aufl. 1945, nachgedruckt 1961 und 1962. Auch die
zeitliche Anordnung der Briefe kommt zur Sprache.

Da die Cyprianbriefe für die Christenverfolgung unter
Kaiser Decius hohen Quellenwert haben, geht die Einleitung
ausführlich auf die tatsächlichen Vorgänge bei dieser Verfolgung
ein, die in den herkömmlichen Beschreibungen,
wie Michalski feststellt, in allzu schwarzen Farben geschildert
werde. Um dem Leser die durchaus uneinheitlichen
Ergebnisse der zeitgenössischen Forschung hierüber beispielhaft
vor Augen zu führen, zeigt Michalski am Ende der
Einleitung auf, wie sich die decische Verfolgung nach dem
Urteil zweier französischer Forscher der Gegenwart darstellt
, und zwar des Historikers Ch. Saumagne und des evangelischen
Theologen M. Reveillaud aus Montpellier. Ein
Vergleich dieser Forschungsergebnisse zeige, wie viele geschichtliche
Fragen sich dem Leser der Cyprianbriefc stellten.

Der Übersetzer hat sich — wohl im Blick auf Leser aus
Laienkreisen — bemüht, die lateinischen Texte in eine flüssige
, leicht verständliche Gegenwartssprache zu übertragen.