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Ausgabe:

1971

Spalte:

597-599

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Liébaert, Jacques

Titel/Untertitel:

Les enseignements moraux des pères apostoliques 1971

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 8

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mangelhaften Photos zugänglich sind, werden von Michail
A 1 p a t o v (Moskau) Jg. 15, Seite 303 ff. in allen ihren Bezügen
erfaßt und interpretiert. Derselbe Gelehrte erschließt
Jg. 11/12, Seite 211 ff. die Apokalypse-Ikone in der Uspens-
ki-Kathedrale des Moskauer Kremls als bedeutsames Pendant
zu Dürers gleichzeitigem Holzschnitt wie als Zeugnis
fortwirkender Antike. — Ein 1957 in Isauricn gefundenes
spätantikes Silberreliquiar ordnete Helmut Buchhausen
(Wien) im gleichen Jg., Seite 137 ff. in die größeren geschichtlichen
und kunsthistorischen Zusammenhänge ein, die
Erstveröffentlichung durch M. Gough, Byzantinoslavica 19,
1958, 244 ff. weiterführend. Zum Abschluß der kunsthistorischen
Beiträge sei auf die gründliche Studie von Paul Speck
(Thessaloniki) Jg. 15, Seite 323 ff. hingewiesen, welche die
literarischen Quellen über die Endyte, die Bekleidung des
Altars in der byzantinischen Kirche, zusammenträgt.

In sehr vielen Arbeiten, die wir vortrugen, waren nicht
allein byzantinische Probleme zu berühren, sondern wurde
zugleich das Nachwirken solcher Phänomene deutlich, das
„Byzance apres Byzance", wie der große rumänische Historiker
Nicolac Iorga prägnant formulierte1". Ein Titel nur
bleibt unter diesem Rubrum noch zu notieren: Jg. 10, Seite
73 ff. verzeichnet Alexander S z e n t i r m a i die Spuren oströmischen
Kirchenrechts in der frühen ungarischen Gesetzgebung
und das Zurückdrängen dieser byzantinischen Einflüsse
durch die römische Kirche.

Angesichts der notwendigen Straffung des Stoffes konnte
unser Referat die wichtigen Materialien und wertvollen Ergebnisse
, welche acht Bände des „Jahrbuchs der Österreichischen
Byzantinischen Gesellschaft" an die Hand gaben, nur
zu einem Teil anführen und nirgends voll ausschöpfen. Es
konnte und wollte nur ein Protreptikos sein, der gerade
auch die Leser dieser Zeitschrift zur Beschäftigung mit diesem
wichtigen Instrument der internationalen Byzanzfor-
schung anregt, und zugleich ein festlicher Pancgyrikos, der
jenes Annuarium bei seinem Übergang in die neue Qualität
eines „Jahrbuchs der österreichischen Byzantinistik" mit den
besten Wünschen begleitet.

Berlin Johannes Irmscher

1 Zuletzt Jg. 8 (1959) ThLZ 94. 1969 Sp. 593 ff.

2 Vgl. dazu das Referat von Helga Köpstein, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
15, 1967, 918 f.

1 Lexikon der Alten Welt, Zürich 1965, 3395.

I B liest Vers 36 tmQaxaTF. fiF., x läßt das /ie aus (Das Neue Testament
griech. u. deutsch, hrsg. von Eberhard Nestle, neubearb. von
Erwin Nestle und Kurt Aland, 16. Aufl. Stuttgart 1957, 248).

5 Acta apostolorum apoerypha, ed. Ricardus Adelbertus Lipsius et
Maximiiianus Bonnet, II I, Leipzig 1898, 65 ff.

e Zum Begriff vgl. Albert Ehrhard, Überlieferung und Bestand der
hagiographischen und homiletischen Literatur der griech. Kirche, I 2,
Leipzig 1938 , 306 ff. und 358 f. über den Normaltext des Monats Oktober.

7 Jetzt in dritter Auflage von Francois Halkin, 3 Bde., Brüssel 1957.

H In: Polychronion, hrsg. von Peter Wirth, Heidelberg 1966 , 293 ff.

B Angezeigt von H. Hunger, Byzantinische Zeitschrift 62, 1969, 405.

10 Carolus du Fresne — du Cange, Glossarium ad scriptores mediae
et infimae Graecitatis, Neudruck Paris 1943, 1582 f.

II Zur Sache jetzt Hans-Georg Beck, Kirche und theologische Litera-
pt Im byzantinischen Reich, München 1959, 737 ff.

1L' Kurze Zusammenfassung der Fakten bei Wolfgang Buchwald, Ar-
pill Hohlweg, Otto Prinz, Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer
Tutoren des Altertums und des Mittelalters. München 1963, 157 f.

13 Franciscus Miklosich et losephus Müller, Acta et diplomata Groe-
ca medii aevi Sacra et profana, 1, Wien 1860, 287 ff.

14 Zur Entwicklung des Terminus vgl. Franz Dölger, Beiträge zur Geschichte
der byzantinischen Finanzverwaltung, 2. Aufl. Hildesheim 1960,
100 f.

15 Dazu Große Sowjet-Enzyklopädie: Geschichte Griechenlands, dt.
v°n W. Müller, Berlin 1954, 26.

/'. ZanrjQlov in: 'ElevdeQOvtidxr) 'Eyxvxlonaidixov Xe^ixov.
12. Athen 1931, 84 f.

17 Geboren 1898. Würdigung in der r>oni.uiaH coneTCKa« 3huhk;io-
nt'ahh. 2. Aufl., 6, Moskau 1951, 177.

a Zitiert nach Franz Dölger u. A.M.Schneider, Byzanz, Bern 1952, 15.

Liebaert, Jacques, Prof. Dr.: Les enseignements moraux des
Peres apostoliques. Cembloux: Duculot [1970). XIII, 294 S.
3r. 8° = Rechcrches et Syntheses, Section de Morale,
IV. bfr. 385.-.

Wer heute über die Apostolischen Väter (= AV) schreibt,
beginnt gewöhnlich mit einer Begriffsbestimmung. Ursprünglich
hatte der Terminus dogmatisches Gewicht: die
erste Generation nach den Evangelisten und Aposteln war
zwar nicht mehr direkt der Inspiration teilhaftig, besaß
aber durch den persönlichen Kontakt zu ihnen eine besondere
, hervorgehobene Autorität. Die kritischere Beurteilung
des Inspirationsbegriffs einerseits, genauere Kenntnis der
frühchristlichen, auch der jüdischen und gnostischen Literatur
, anderseits haben die Abgrenzung fragwürdig gemacht.
Auch wer den alten Begriff weiter verwendet und Anführungszeichen
für ihn ablehnt, unterstützt die Tradition gern
durch zusätzliche Argumente. So beruft sich etwa Angelo
O'Hagan in „Material Re-Creation in the Apostolic Fathers"
(TU 100, 1968) darauf, daß die AV einen repräsentativen
Querschnitt durch die frühchristliche Literatur vom Ende
des 1. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts geben. Außerdem
seien sie durch Ausgaben und Hilfsmittel gut erschlossen
und daher bequem auswertbar.

Auch Liebaert unterstreicht den Gesichtspunkt der repräsentativen
Auswahl, hebt aber noch stärker die Vielfalt
der Literatur dieser Zeit hervor, in die auch viele Apokryphen
und die Anfänge der Apologetik gehören. Die beschränkende
Auswahl ist daher praktisch notwendig, nach
dem Muster ähnlicher Arbeiten, unter denen K. Hörmann,
„Leben in Christus, Zusammenhänge zwischen Dogma und
Sitte bei den Apostolischen Vätern" (Wien 1952) L.s Thema
am nächsten steht. Eine Einseitigkeit ergibt sich trotzdem
nicht, denn die AV sind untereinander denkbar verschieden.
Es liege eine Welt zwischen der reinen Christusmystik eines
Ignatius und dem ganz jüdisch geprägten Moralismus des
Hermas (S. VII). Um den Rahmen doch noch weiter zu ziehen
, nimmt L. die Oden Salomos und das Thomas-Evangelium
hinzu. Sie bleiben freilich in der Darstellung am Rande
und finden auch in der Zusammenfassung keinen rechten
Platz. Für die zentralen Schriften hingegen (I. Klemensbrief,
Ignatius, Polykarp, Hermas, Didache) beruft sich L. grundsätzlich
auf ihre besondere Wirkung im Rahmen der großkirchlichen
Entwicklung.

Der Plural im Titel ist absichtlich gewählt. L. unterstreicht
, daß die AV keine systematische Ethik bieten, sondern
einzelne Unterweisungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten
. Dabei geht er zugleich den verschiedenen Einflüssen
und Vorstufen nach, die in der vorliegenden Form der
Schriften noch kenntlich sind, am deutlichsten im Hirten des
Hermas. Bei allem Nachdruck, der auf den Differenzierungen
liegt, wird doch auch Gemeinsames deutlich: Religion
und Ethik sind nicht zu trennen. Die Moral empfängt Begründung
und Ziel aus der Theologie und Christologie,
während die Anthropologie und speziell die Psychologie zurücktreten
. Das liegt auf der Linie des Neuen Testaments.
Anders ist es mit dem starken Einfluß jüdischer und judenchristlicher
Tradition, der am massivsten bei Hermas wirkt
und wie ein Rückfall von der im Neuen Testament erreichten
Höhe anmuten mag. Für die praktischen Probleme des
Gemeindelebens und des Alltags waren im Judentum Modelle
gegeben, deren Wirkung L. in Beziehung setzt zu anderen
, neuerdings deutlicher gesehen jüdischen Einflüssen.

Aus der innigen Verknüpfung von Ethik und Theologie
ergibt sich, daß L. die Moral in steter Verknüpfung mit der
Gesamthaltung des jeweiligen Autors würdigt. Der Leser
erhält damit ein abgerundetes Bild, das über den Titel des
Buches hinausgreift, wobei eine gewisse Breite in Kauf zu
nehmen ist. Neben den ethischen Grundfragen kommen
Einzelthemen in unterschiedlicher Intensität zur Geltung.
Am stärksten sind sie in Werken, die praktische Ziele verfolgen
, wie die Mahnrede zur Eintracht in I. Klem. und in
den christlichen Lebensregeln der Didache. Überall dominiert
das Gemeinschaftleben vor der individuellen Ethik.
So ist etwa die Gastfreiheit, für die die Didache genauere
Anweisungen gibt, eine Pflicht der Gemeinde als Ganzes.