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Ausgabe:

1971

Spalte:

579-582

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Kaufmann, Yehezkel

Titel/Untertitel:

Connaître la Bible 1971

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 8

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keit erreicht wird. In den Anmerkungen zum hebräischen
Teil des Kommentars hat der Herausgeber die Bezugnahme
des R. Abraham auf die Bibel, die Parallelen aus der Talmud
- und Midraschliteratur sowie anderen rabbinischen
Schriftstellern zwischen dem 11. und 14. Jh. zusammengestellt
. Auf diese Weise sind Abhängigkeiten und Beeinflussungen
R. Abrahams von bzw. durch bestimmte Traditionsströme
schnell erfaßbar.

Der Kommentar R. Abrahams ist entsprechend der Auslegungstradition
, in der sich der Vf. stehen weiß, streng
zweigeteilt. Der erste Teil jeder Versexegese — von wenigen
Ausnahmen abgesehen — enthält die wörtliche Interpretation
des Bibeltextes, der zweite Teil, auf dem das Hauptgewicht
liegt, bietet den verborgenen Sinn des Textes. Dabei
stellte sich R. Abraham „the task of establishing the
piain meaning in conformity with phraseology and context
and of reconciling . . . the occult Interpretation with the
figures of speech" (S. 51). Der allegorischen Auslegung entsprechend
stellt das Hohelied einen Dialog zwischen Israel
(= Geliebte) und Gott (= Liebhaber) dar, dessen Hauptthema
die Bitte Israels um Befreiung aus den verschiedenen
Verbannungen ist. Die Geschichte dieser Verbannungen
schlägt sich schließlich im Aufbau des biblischen Buches nieder
: 1,1—1,8 gegenwärtige Verbannung; 1,9—5,1 vom Exodus
bis zum Ende des ersten Tempels; 5,2-6,9 vom babyl.
Exil bis zum Ende des zweiten Tempels; 6,10—8,13 vom Ende
des zweiten Tempels bis zur Zeit R. Ahrahams, in welcher
Periode die endgültige Befreiung sehnsüchtig erwartet wird.

Den Abschluß des Buches bilden Index und Bibliographie
(S. 245—253), wobei sich das Stellenregister als wertlos erweist
, weil die aufgeführten Stellen aus Bibel, Talmud und
Midrasch mangels der Seitenverweise im Kommentar nicht
aufgespürt werden können. Dies ist einer der wenigen Mängel
in der sonst sehr sorgfältigen Bearbeitung dieses Kommentars
zum Hohenlied.

Die umsichtige und klare Gestaltung der Ausgabe macht
den Kommentar zu einer willkommenen Textgrundlage für
den, der sich mit der rabbinischen Exegese biblischer Bücher
zu beschäftigen hat. Für den Nichtjudaisten bzw. für
den nichtjüdischen Leser hätte die Ausgabe zusätzlich an
Übersichtlichkeit gewonnen, wenn die Stellen- und Literaturangaben
in den Noten zum hebräischen Text des Kommentars
in lateinischer statt in hebräischer Schrift bzw. Terminologie
aufgeführt worden wären.

Es wäre wünschenswert, wenn man künftige Ausgaben
rabbinischer Kommentare zur Bibel in ähnlich übersichtlicher
und sorgfältiger Weise gestaltete. Es erleichterte vielen
den Zugang zur mittelalterlichen jüdischen Literatur und
biblischen Exegese.

Erlangen Gunther Wanke

JUDAICA

Kaufmann, Yehezkel: Connaitre la Bible. Traduit par L. Tou-
boul et C. Duvernoy. Paris: Presses Universitaires de
France 1970. 400 S. gr. 8° = Sinai. Collection des Sources
d'Israel. Directeur: A. Chouraqui. ffr. 32.—.
Das Buch ist eine gekürzte Wiedergabe des 1956 in Jerusalem
herausgekommenen Hauptwerkes des Verfassers
IT,bN'"lto',!l H5H2SW mVin. Nachdem es durch die 1960 in Chicago
erschienene englische Kurzfassung von M. Greenberg einem
breiteren nichtjüdischen Leserkreis zugänglich gemacht
worden ist, liegt nun auch eine französische Kurzfassung
vor. Der hebräische und auch der englische Buchtitel (The
Religion of Israel) kennzeichnen den Inhalt treffend — es
handelt sich um eine Geschichte der israelitischen Religion -,
und es nimmt wunder, warum die französische Kurzfassung
nicht eine entsprechende Überschrift trägt, etwa „Histoire
de la Foi d'Israel.

Das Vorwort von A. Chouraqui stellt den Vf. vor: er lehrt
an der Hebräischen Universität von Jerusalem und ist dort
der profilierteste Vertreter der fundamentalistischen Schule.
Er steht also in entscheidenden theologischen, historischen
und literarkritischen Fragen in einer ganz anderen Tradition
als die an unseren Hochschulen gelehrte alttestament-
liche Wissenschaft. Deutlich wurde dies bereits an seiner
Schrift, The Biblical Account of the Conquest of Palestine,
Jerusalem 1953, mit der sich A. Alt kritisch auseinandersetzen
mußte: Utopien, ThLZ 81, 1956 Sp. 521—528.

Das Werk ist in drei Hauptteile gegliedert: 1) Nature de
la Foi d'Israel (S. 17—142). 2) Histoire de la Foi d'Israel
avant le Prophetisme Classique (S. 145—319). 3) La Prophe-
tie Classique (S. 323—393). Der erste Teil hat systematischen
bzw. religionsphilosophischen Charakter. In ihm wird die
israelitische Religion der heidnischen gegenübergestellt, wobei
der Gegensatz des israelitischen Monotheismus zum
heidnischen Polytheismus scharf herausgearbeitet wird. Die
beiden anderen Teile gliedern den Stoff historisch. Umrahmt
wird das Ganze von einer Einleitung (S. 9—13) und einem
Epilog (S. 394—397), der die Linien in groben Zügen bis in
die nachexilische Zeit weiterzieht.

Die Einleitung unterrichtet treffend über das Ziel der Untersuchung
und bringt zugleich die Hauptthesen. Es geht
dem Vf. um eine fundamentale Herausforderung der klassischen
Bibelkritik und die Gewinnung einer neuen Position.
Diese „neue" Position ist in Wahrheit jedoch eine recht alte,
und zwar etwa diejenige, welche die alttestamentliche Wissenschaft
vor Reuß, Graf und Wellhausen hatte. Nach K. ist
die Thora der literarische Ausdruck des ersten Stadiums des
Glaubens Israels, eines Stadiums, das dem der Schriftpro-
phetie vorausging. Die israelitische Volksreligion war seit
Mose monotheistisch, und sie hat sich organisch entwickelt,
ohne mit einer besonderen Form der Idolatrie zu kämpfen
zu haben.

Beide Hauptthesen bedingen und unterstützen einander,
und sie werden im Hauptteil des Buches breit entfaltet, und
zwar in ständiger polemischer Auseinandersetzung mit der
„Critique Classique", als deren entscheidender Vertreter
Wellhausen immer wieder genannt wird. Doch kennt der Vf.
offensichtlich einen erheblichen Teil der späteren Forschung,
was trotz des fast völligen Verzichts auf einen Anmerkungsapparat
und auf Literaturhinweise im Text an der Argumentation
deutlich wird.

Die entscheidende Auseinandersetzung mit Wellhausen
wird am Beginn des zweiten Hauptteiles (S. 145 ff.) durchgeführt
. Nach der biblischen Tradition, an der mit dem Judentum
und dem Islam auch das Christentum bis in die Neuzeit
festgehalten habe, seien die Urväter und Patriarchen
Monotheisten gewesen, und die Idolatrie sei erst später aufgekommen
. Unter dem Einfluß des Evolutionismus habe im
19. Jahrhundert jedoch die christliche Bibelwissenschaft diese
Tradition verlassen. Man verstand den Monotheismus als
das fortgeschrittenste Stadium der Religion und meinte, die
biblische Religion habe sich zu ihm hin aus primitiveren
Stufen allmählich entwickelt, wobei der Einfluß der Schriftpropheten
entscheidend gewesen sei. K. will nun zur „tra-
dition biblique" zurücklenken. Immerhin übernimmt er von
der „klassischen Kritik" die Aufteilung des Stoffes der Thora
in die Quellenschichten J, E, P und D. Aber er datiert sie
in solcher Weise, daß die Thora vor die prophetischen
Schriften gestellt werden kann, und von dieser Grundlage
aus behauptet er dann den durchgängigen Monotheismus
Israels.

Der jüngste Bestandteil der Thora ist nach K. nicht die
Priesterschrift, sondern das Deuteronomium, das er entsprechend
der vorherrschenden Anschauung mit der josia-
nischen Reform in Zusammenhang bringt (S. 167 ff.). Doch
seien bereits die kultischen Maßnahmen Hikias seine erste
Auswirkung (S. 169).

In dem Abschnitt „Anciennete du Code Sacerdotal" (*>•