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Ausgabe:

1971

Spalte:

556-558

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Koziol, Klaus

Titel/Untertitel:

Katechumenat heute 1971

Rezensent:

Frör, Kurt

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discher geistlicher Morgen- und Abendlieder bringt. Die
Analysen sind ausgerichtet auf die Beziehung der Lieder
einerseits zur kirchlichen Tradition und andererseits zu dem
Kunststil, der im 17. Jahrhundert dominierenden poetischen
Stilströmung, die in Deutschland mit Martin Opitz und in
Schweden mit Georg Stiernhielm gekennzeichnet ist.

Beifrage untersucht zunächst folgende deutsche Texte:
Martin Opitz'„0 Liecht gebohren aus dem Liechte"; Johann
RistS „WErde munter mein Cemüle" und sein Pendant
„GOtt der du selber bist das Liecht"; Paul Gerhardts „NUn
ruhen alle Wälder" und Johann Francks „UNsre müden
Augen-Lieder".

Im allgemeinen hat Opitz sein Morgenlied nach den Regeln
„der deutschen Poeterey" gedichtet: .alles rein und deutlich,
mit ziehrligkeit, keine versetzte reden oder zwang der worte,
keine undeutsche worte'. Das Lied enthält einfache adjektivische
Epitheta und solche Lichtmetaphorik, die man
„kirchlich-traditionalistisch" nennen könnte. Einige Kirchenlieddichter
schrieben später Strophen, die stilistisch weiter
fortgeschritten waren als Opitz' eigenes Morgenlied.

Rist, „Opitius secundus", wurde seines „opitizirens" wegen
manchmal kritisiert, obgleich er nur „rein gut und verständlich
Deutsch" schreiben wollte. Rists beide Lieder enthalten
reich Lichtmetaphorik in variierten Formen. „GOtt der du
selber" ist eine poetische Umgestaltung eines Gebets aus
Arndts Paradiesgärtlein. Die rhetorischen Mittel in einigen
seiner Lieder hat Rist aus den Gebeten von Arndt, Josua
Stegmann und Johann Gerhard übernommen. Die Rhetorik
ist „nur" die der lateinischen christlichen Literatur.

Die Texte von Gerhardt sind scheinbar einfach und „volksweiseartig
", aber sie enthalten docli auch rhetorische Figuren
und kunstmäßige Wendungen. Die Predigerausbildung, die
Übungen, rhetorisch geprägte lateinische Gedichte zu schreiben
, und die Entwicklung der deutschen Dichtung sind alle
sehr bedeutungsvoll für den Liederstil Gerhardts geworden,
der dem profanen Lyrikstil näher steht als Opitz in seiner
geistlichen Liederdichtung. Der Anfang von „NUn ruhen alle
wälder" und seine „Natureingänge" haben Ähnlichkeiten mit
denen des Ambraser Liederbuchs und der Aeneis. Das Lied
enthält auch eine Todesmeditation, die mit einer autorisierenden
Wirklichkeitsdeutung verflochten ist.

Francks „UNsre müden Augen-Lieder", enthält in seiner
Naturschilderung eine Paraphrase von besonderem Typus:
„das Schatten-Kind, die Nacht", eine Bildung in antikisierendem
, mythologischen Stil. Diese Stilart war bekannt, aber
die Form „Schatten-Kind" ist vielleicht von Franck selbst
aus bekannten Elementen gebildet. Eine andere Formulierung
, „deiner Güte Fenster" nennt Albrecht Schöne einer»
„Genitivus emblematicus". — Von verschiedenen Seiten erhob
sich Kritik gegen Francks Lied. Er selbst änderte 1674
die Zeile „Denn das Schatten-Kind, die Nacht" in „Denn die
trüb- und finstre Nacht". Doch brachte das 18. Jahrhundert
neue Kritiker.

Die ersten deutschen Kirchenlieder, die ins Schwedische
übersetzt wurden, sind Opitz' „0 Liecht gebohren aus dem
Liechte" und Rists „WErde munter mein Gemüte". Beitrage
untersucht die erstgenannte Übersetzung von einem Finnländer
Johannes Christierni Melartopaeus2, ihre Relationen
zum Urtext sowie ihre poetischen Bilder und Begriffe
. Der älteste bekannte Druck ist vom Jahr 1664.
Zwei schwedische Texte von Samuel Columbus (1674) und
Erik Lindschöld (etwa 1683) sowie einige Lieder und Übersetzungen
Spegels aus den obengenannten Texten von Rist,
Gerhardt und Franck sind am Ende des zweiten Teiles untersucht
. Spegel benutzte Lichtmetaphorik in gleicher Weise wie
Rist, aber vermied strenger als Gerhardt und Franck mythologische
und antikisierende Elemente. Die allegorisierende
Meditation hat er allerdings ziemlich unverändert übernommen
.

Der dritte Teil stellt zwei Passionslieder Spegels vor, die
sich von seiner Hand geschrieben im Manuskript T 220 fin-

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den. Diese Lieder sind wahrscheinlich während der Jahre
1684—89 geschrieben.

In der Passionsmeditalion der Lieder zeigt der Vf. Verbindungen
zu den „Betrachtelsen" (memoria passionis, praesen-
tia, propositio) bei Bernhard von Clairvaux, Ignatius von
Loyola und Joseph Hall auf. In Spegels Liedern liegt doch
die größte Betonung auf dem Versöhnungslhema ; das Mitleid
ist in den Hintergrund getreten. Überraschend ist Beitrages
Entdeckung von den Beziehungen Spegels zur englischen Andachtsliteratur
. Spegel besaß eine sehr große Privatbibliothek
, die eine umfangreiche Sammlung englischer Bücher
enthielt. Beifrage weist mehrere gemeinsame Hauptgedanken
und Motive mit den „metaphysischen" Dichtern Georg Herbert
und Abraham Cowley nach. Spegels Exemplar von Herberts
„The Temple" und Cowleys Works sind enthalten. Doch
ist der stilistische Unterschied zwischen Spegels Liedern und
ihren englischen Vorlagen sehr deutlich.

Beifrage gibt noch eine Übersicht über den „Klassizismus"
im schwedischen Kirchenlied und die Bestrebungen nach
Klarheit und Deutlichkeit, perspieuitas, sowie eine Zusammenfassung
der Kritik, die sich gegen den einen von den zwei
genannten Passionstexten Spegels richtete.

Die Untersuchung Belfrages (mit 23 Seilen Quellen-Verzeichnis
) bietet in sachlicher Hinsicht ein lebendiges und geschicktes
Bild der literarischen Stilströmungen und -bestre-
bungen, die auch für die Kirchenlieddiehter im 17. Jahrhundert
in Deutschland und in Schweden sowohl lebenswichtig
all auch von nicht geringem Nutzen waren. Wir erhalten eine
deutliche Schilderung der Atmosphäre, in der dieses wichtige
schwedische Gesangbuch im Jahr 1695 entstand.

Karhula/Finnland T. I. Haapuluincn

1 Das schwedische Wort ,,psalm" bedeutet nicht nur die Psalter-
Psalmen, sondern auch ,,geistliches Lied, Kirchenlied, Gesang"; z.B.
,,Psalmbok" bezeichnet „Gesangbuch".

' Der Übersetzung, für die bis jetzt der Obersetzer unbekannt ist,
liegt das Versmaß „Werde munter mein Gemüte4' zugrunde, nach welchem
der Text von Opitz auch heute noch in Schweden und Finnland
gebraucht wird.

Albrecht, Christoph: Die Stellung des Te Deum im lutherischen
Gottesdienst (ZdZ 24, 1970 S. 213-216).

Blankenburg, Walter: Johann Walters Gedanken über die
Zusammengehörigkeit von Musik und Theologie und ihrfl
Bedeutung für die Gegenwart (MuK 40, 1970 S. 317-322).

Matwcjew, N.: Liturgische Tonschöpfungen S. W. Rachma-
ninows (Stimme der Orthodoxie 1970 Heft 8 S. 61—64).

Söhngen, Oskar: Wo steht die Kirchenmusik zu Beginn der

siebziger Jahre? (MuK 40, 1970 S. 399-411).
- Kirchenmusik heute (ZdZ 24, 1970 S. 418-423).

Wagner, Günter: Die Problematik der gegenwärtigen Taufpraxis
der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften
(ÜR 19, 1970 S. 366-394).

KATECHETIK UND
RELIGIONSPÄDAGOGIK

Koziol, Klaus: KLatechumenat heute. Der Katechumenat bei
C. A. C. von Zezsehwitz und in der Gegenwart, Berlin!
Evang. Verlagsanstalt [1968]. 140 S. 8° = Theologische
Arbeiten, unter Mitarb. v. E. Fascher, A. Jepsen, A. D-
Müller, E. Schott hrsg. v. H. Urner, 27. Kart. M 10,50.

Die Arbeit ist die nahezu unveränderte Wiedergabe ein**
Greifswalder Dissertation von 1963/64. Der 1. Hauptteil
führt zur entscheidenden Fragestellung der Untersuchti"!?:

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 7