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Ausgabe:

1971

Spalte:

34-36

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sevenster, Jan N.

Titel/Untertitel:

Do you know Greek? 1971

Rezensent:

Fischer, Karl Martin

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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geschichte können wir schwerlich zurückgehen, auch wenn ein größeres Werk gehört, die Redaktionsgeschichte ist ihm

sie nicht die einzige Methode bleiben kann und heute mit unbekannt. Daher ist der Text des Markus im wesentlichen

Recht durch die Redaktionsgeschichte ein Gegengewicht die historische Basis für den authentischen Jesus. Notwen-

erfährt. digerweise stößt Ch. auf den Entwicklungsgedanken und

Ein abschließendes Kapitel umreißt den theologischen psychologische Momente (S. 74 l'horizon psychologique de

Standpunkt des Vf.s, der sich gegenüber der ungewissen Jesus). Auf S. 40 wird sogar erwogen, Mk 2,20 könne falsch

Historie auf die persönliche religiöse Erfahrung stützen eingeordnet worden sein, weil es entwicklungsmäßig besser

will (195-201). Unter den neun Appendices sind einige recht hinter dem Petrusbekenntnis passe. Wo Kritik akzeptiert

interessant, so über die Anwendung von Computern (213 bis wurde (die drei Tage sind selbst für Ch. eine nachösterliche

215), über Stilkritik (220—224) und über einen modernen Festlegung: S. 49 ff.), wird dies oft nicht klar markiert

Test mit zwei Autoren, die unterschiedlich beteiligt an ei- (undeutlich ist, ob Ch. das letzte Mahl für ein Passamahl

nem gemeinsamen Werk gearbeitet haben (232—241). Im hält). Meist wird die Kritik nur angedeutet, um methodisch

ganzen scheint mir die scharfsinnige Kritik Palmers beacht- zurückgewiesen zu werden. Das illustriert am besten der

lieh und nützlich zu sein, aber seine formale Logik dem Absatz zu Mk 10,45. Nach Ch. hält die Kritik dies Logion

faktischen Befund unserer Quellen und dem Stand der For- für paulinisch. Aber das lasse sich nicht mit Gewißheit be-

schung nicht gerecht zu werden. haupten, also könne das Wort älter sein. Ch. entdeckt dann

Würzburg Rudolf Schnackenburg die Elemente, warum der Spruch unmöglich von der Ur-

gemeinde erfunden worden sein könne. Also ist er noch
älter: jesuanisch. Denn er stimmt mit den ipsissima facta
Jesu von Kap. I mehrfach überein (S. 66—70).
Chordat, J.-L.: Jesus devant sa mort dans l'evangile de Marc. Mit Hilfe dieser Methode traue ich mir zu, alles als
Preface par A. George. Paris: Les £ditions du Cerf (1970). authentisch zu erklären. Offenbar handelt es sich also um
109 S. 8° = Lire la Bible, 21. ffr. 11.50. ein dogmatisch, nicht exegetisch orientiertes Unternehmen,
Im vorliegenden Heft ist ein memoire de licence der das den Anschluß an die Diskussion nicht sucht. Gelegent-
katholisch-theologischen Fakultät von Lyon abgedruckt. lieh (S. 65 f.) fürchtet der Vf. den Vorwurf „d'obscurantis-
°ies memoire de licence entspricht etwa unseren Examens- me". Zukunftsweise Momente der Evangelienkritik sind
arbeiten. Das Vorwort begründet den Abdruck (S. 8), der ihm anscheinend noch nicht zu Gesicht gekommen,
offenbar nicht selbstverständlich ist. Der Arbeit geht es Die relativ reichlichen Druckfehler können ungenannt
um die Frage, ob und in welcher Weise Jesus auf seinen bleiben.

Tod vorbereitet war und seine Jünger vorzubereiten suchte. Borsdorf b. Leipzig Gottfried Schille
Er sei allmählich dahin geführt worden, mit einem solchen
Tod zu rechnen, und habe sich zu einer positiven Bedeutung

des Todes als Dienst an allen Menschen durchgerungen. Sevenster, J. N., Prof.: Do You Know Greek? How much

Für die Durchführung dieser Generalthese wird der Mar- Greek could the first Jewish Christians have known?

kustext zugrunde gelegt. Wirklich exegesiert wird allerdings Leiden: Brill 1968. VIII, 197 S. gr. 8° = Supplements to

nur in Kap. III (S. 59 ff.). Novum Testamentum, ed. by W. C. van Unnik, XIX. Lw.

Mit Kap. I („Jesus und sein Amt" S. 19 ff.) legt Ch. das hfl. 49.—.

Fundament. Es geht um die Fixpunkte für authentisches Die These des Buches ist kurz gesagt diese: Griechisch

Gut- J. Jeremias' Frage nach den ipsissima verba hat die sei schon im 1. Jh. in Palästina in einem solchen Ausmaß

Suche nach den ipsissima facta Jesu (der Begriff ist von verbreitet, daß es absolut keinen Grund gebe zu bestreiten,

Franz Mußner, Jesus de l'histoire et Christ de la foi, in: daß Jesus selbst öfters griechisch gesprochen habe. Das glei-

Exegese et Dogmatique, Paris 1965 S. 155 Anm. 2, über- che gelte für die Apostel und für Jakobus, den Bruder des

riommen) angeregt. Charakteristisch für Jesus gelten sein Herrn, dem darum auch nicht der unter seinem Namen über-

Provozierendes Verhalten gegenüber den Deklassierten, lieferte Brief wegen seines guten Griechisch abgesprochen

eine unerhörte Freiheit dem jüdischen Kult und allen An- werden könne (190 u. ö.).

feindungen gegenüber und eine besondere Schriftbenutzung In dieser Zuspitzung wird sich die These kaum halten

m Freiheit. Kap. II (S. 37 ff.) begründet, warum Jesus seinen lassen. Weit interessanter als die These ist aber das Ma-

Tod gesehen habe. Am Schicksal des Täufers, an der Ver- terial, das S. verwendet und das wirklich stärkere Beach-

härtung der Gegner und an der Schrift (den Gottesknechts- tung als bisher verdient.

jiedern) sei ihm allmählich die Unabwendbarkeit des Ster- Das gilt zunächst noch nicht für die literarischen Oelsens
deutlich geworden. Jesus habe dem kommenden Fak- len, die weit weniger beweisen können, als S. annimmt. Das
'um einen neuartigen Sinn zu geben versucht (Kap. III NT läßt kaum sichere Schlüsse zu. Ist es wirklich wahr-
anhand der Logien über Kelch und Taufe Mk 10,35 ff. und scheinlich, daß Jesus in der Dekapolis griechisch gepredigt
über das Lösegeld 10,45 und anhand der Einsetzungsworte habe? (27f.). Kann man aus der Nichterwähnung eines Dol-
14,12 ff.). Mit typisch menschlicher Freiheit sagt er nicht nur metschers beim Verhör des Pilatus die Konsequenz ziehen,
Ja zum Tod, sondern wertet das Unabänderliche um als daß Jesus griechisch gesprochen habe? (26f.).
Sühnedienst an der Menschheit, wobei sein Auftrag einen Die rabbinischen Quellen (38—61) ergeben leider auch
bchluß- und Bezugspunkt bekommt. Kap. IV (S. 81 ff.) be- keine Klarheit. Die Anerkennung von griechisch geschrieschreibt
„das Leiden Jesu oder wie Jesus seinen Tod durch- benen Scheidungsbriefen (Gittin IX,9 S. 46f), das Verbot,
lebt hat". seinen Kindern Griechisch zu lehren (Sotah IX,14 S. 47),
Im Gegensatz zur Dissertation erwartet man von einer andrerseits das Zugeständnis, daß es erlaubt sei, den Töch-
Examensarbeit, auch wenn diese besonders gut ist, keine tern Griechisch zu lehren, weil es für sie eine Zierde ist, und
neue These, auch keine Vollständigkeit, eher eine selb- schließlich die Fülle von griechischen Lchnworten sind
Sandige Verarbeitung der Problematik. Natürlich verarbei- Zeugnisse, die ein recht uneinheitliches Bild ergeben. S.
tet der Vf. eine größere Menge Literatur; aber es handelt kann darum auch nur als Ergebnis formulieren:; „The result
^lch fast ausschließlich um französische (oder englische) of this scrutiny of the data in the rabbinical writings is,
werke, während selbst katholische progressive Autoren firstly, the ascertainment that in some periods a larger or
nur am Rande auftauchen. Die Kritik ist ständig als Pau- smaller number of rabbis were acquainted to a greater or
schalbegriff zugegen. Kritische Werke sind nur durch an- lesser degree with the Greek language" (59).
ere Autoritäten und darum nie mit ihrem Anliegen be- Recht unglücklich ist m. E. die Auswertung von Jose-
annt. Von der Formgeschichte zum Beispiel hat Ch. durch phus (61—76). S. scheint zu spüren, daß Josephus der Krön-