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Ausgabe:

1971

Spalte:

31-33

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Palmer, Humphrey

Titel/Untertitel:

The logic of gospel criticism 1971

Rezensent:

Schnackenburg, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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das Werden dieser Traditionen nicht dem Zufall überantworten
, sondern konstatiert man mit dem Vf. den Einfluß von
rationaler Reflektion und Apologetik (S. 129), so müßten
jedenfalls hypothetische Aussagen über den historischen
Ursprungsort der Auferstehungsüberlieferung möglich sein.
Denn es genügt doch nicht, zu vermuten, das allein Erschließbare
sei die den gemeinsamen Grund darstellende
Überzeugung „Jesus of Nazareth continues to be and to
operate", wie es auch zu skeptisch geurteilt ist, wenn Vf. behauptet
, daß die matthäischen und johanneischen Galiläa-
Überlieferungen für die Rekonstruktion von historischen
Linien nicht ausgewertet werden dürfen, und wenn zu
Mk 16,lff. der Gedanke einer „Begegnung" in Galiläa geleugnet
wird (S. 129 [anders S. 65!)).

Im Kapitel „The Resurrection Faith" (c. III, S. 132—169)
versucht Vf. die Frage nach dem „central place" des neu-
testamentlichen Auferstehungsglaubens zu beantworten, indem
einerseits traditionsgeschichtliche Voraussetzungen der
neutestamentlichen Aussagen, andererseits das spezifisch
Paulinische der Auferstehungsvorstellung untersucht werden
. Für die ältere Überlieferung sieht Vf. eine Alternative
zwischen dem für ursprünglich gehaltenen Erhöhungsgedanken
und dem Auferstehungszeugnis (S. 137). Mit Recht
wird dabei hervorgehoben, daß „Auferstehung" nicht nur
ein apokalyptisches Phänomen ist, vielmehr zugleich die
„Erneuerung des Gekreuzigten" aussagt (S. 142). Paulus habe
das ursprünglich mit der Auferstehungsvorstellung gegebene
„eschatologische Moment" verschärft und darüber
hinaus den Auferstehungsgedanken durch sein Verständnis
des christlichen Lebens als eines „Lebens im Geist" verdeutlicht
(S. 155ff. 159). Der befragte vorpaulinische wie auch
der paulinische Zusammenhang besagen danach: „Auferstehung
" umschreibt das „Wesentliche im christlichen Glauben";
„in der zeitlichen Ordnung ist ein tatsächlicher Beginn möglich
, der neu ist und der von Gott kommt" (S. 168).

Der Vf. beabsichtigte nicht, zu den behandelten Themen
erschöpfend Auskunft zu geben (bedauerlich ist freilich
, daß bei der Analyse, der Markusüberlieferung ein
Hinweis auf das Buch von T. A. Burkiii: Mysterious Reve-
lation, insbesondere auf dessen Erörterung des Problems
des Markusschlusses, fehlt; zu S. 72). Man vermißt besonders
im dritten Kapitel ein Eingehen auf die im neutestamentlichen
Auferstehungszeugnis implizierten soteriologi-
schen Probleme. Jedoch zeichnet sich die vorliegende Untersuchung
durch eine wohltuende Skepsis aus, die die Mahnung
enthält, die exegetischen Fragen nicht zu leicht zu nehmen
und nicht vorschnell sich Konstruktionen anzuvertrauen
. Den oft mit Beifall bedachten Versuchen, die Aussagen
des Auferstehungsglaubens historisch und theologisch
zu harmonisieren und solches Ergebnis zu popularisieren,
ist hier eine deutliche Absage erteilt worden.

Göttingen Georg Strecker

Palmer, Humphrey: The Logic of Gospel Criticism. An ac-
count of the methods and arguments used by textual,
documentary, source, and form critics of the New Testament
. London-Melbourne-Toronto: Macmillan; New
York: St. Martin's Press 1968. X, 260 S. 8°. Lw. 63 s.
Der Vf., der in Cardiff Philosophie lehrt, aber sich auch
mit theologischen Fragen befaßt, will in diesem Buch die
kritischen Methoden der neutestamentlichen Wissenschaft
einer Kritik unterziehen. Wenn eine solche Antikritik, zu
der sich Palmer durch Kontakt mit vielen Gelehrten vorbereitet
hat, die Grenzen der historisch-kritischen Methode
aufzeigt und vor Trugschlüssen warnt, kann man das nur
begrüßen. Aber mir scheint, er ist in nicht wenigen Punkten
zu logisch-scharfsichtig — oder ich habe einen blinden Fleck
im Auge.

DerVf. beginnt mit dem schwierigen Verhältnis vonGlau-
be und Geschichte und rügt mit Recht zu weitgehende Schlüsse
von den christlich verfaßten Quellen auf das historische
Geschehen (1. Kap., S. 1—12) — aber welcher Theologe ist
sich heute dieser Problematik nicht bewußt? Mit Interesse
folgt man seiner Diskussion bestimmter Theorien über Wissen
und Geschichte (namentlich von Plato, Descartes, Hegel,
J. S. Mill) im 2. Kap. (S. 13—31). Des näheren bespricht und
kritisiert P. dann vier Gebiete: Textkritik, Urkundenkritik,
Quellenkritik und Formgeschichte, wie mir scheint, in einem
deutlichen Gefälle der Kompetenz und Qualität. Die
Textkritik mit ihren realen Daten bot ihm für eine logi-
zistisch-mathematische Behandlung das geeignetste Objekt;
für die Formgeschichte mit ihren anderen Strukturen und
Forschungsweisen bringt er am wenigsten Verständnis auf.

Aus dem Inhalt, der sich wegen der formalen und formelhaften
, mit Diagrammen und algebraischen Formeln arbeitenden
Behandlung nicht leicht liest (auf Veranschaulichung
durch Beispiele ist weithin verzichtet), aber zum Trost mit
etwas britischem Humor gewürzt ist, kann nur einiges hervorgehoben
werden. Die kritischen Überlegungen zur Textkritik
(Kap. 5—6, S. 55—111) zeigen die methodischen Probleme
dieser Disziplin auf, die allerdings den Fachleuten
keineswegs unbekannt sind und oft genug diskutiert werden
. P. hat sie nur logisch filtriert, die Unsicherheitsfakto-
ren (vor allem in der Aufstellung von Stammbäumen) markiert
und die Variationsbreite der Wahlmöglichkeiten demonstriert
. Größere Aufmerksamkeit möchte er der „Mittelstellung
" von Handschriften (mediation, S. 80—91) zuwenden
; aber der praktische Nutzen ist, wie er selbst gesteht,
für die Textkritik gering. Bei der Urkundenkritik (Autorfrage
, Herkunft, Abhängigkeit) gerät er mit seiner formalen
Logik nicht selten in den Luftraum über den Dokumenten
. Es mag einleuchten, daß eine erschlossene Quelle noch
nicht als Dokument behandelt werden darf (114). Aber kann
man mit ihr (man denkt natürlich an die Logienquelle Q)
nicht doch in einem begrenzten Bereich arbeiten? Die sich
mehrenden Arbeiten zu Q (auch ihrer „Theologie") sollten
aber an den Warnzeichen P.s nicht vorübergehen. Das synoptische
Problem erlaubt nach P.s Logik, die Ansichten
von Augustinus, Griesbach, Lachmann und neueren Forschern
(Farmer, Butler — man vermißt L. Vaganay) gleicherweise
zu vertreten. Daß „viele römisch-katholische Gelehrte
" noch Augustinus folgen (130), stimmt einfach nicht.
Der Vf. meint: Adäquat sind nur vollkommene Hypothesen;
aber da sich die Forscher gegenseitig Inadäquatheit der
Hypothesen bescheinigen, seien wahrscheinlich alle Lösungen
, die weiter diskutiert werden, adäquat (152). Das ist
für meine Logik etwas strapaziös. Das Gewicht der Argumente
, das die Mehrzahl der Forscher zu einer bestimmten
Lösung drängt, läßt sich nicht mit den imponderablen Meinungen
einzelner Forscher vergleichen und verquicken. Nach
P.s formaler Betrachtungsweise ergibt der Vergleich der
Synoptiker eine „Mittelstellung" des Mk, die sich mit den
meisten vorgetragenen Hypothesen vereinbaren lasse (133
bis 135); aber hier scheinen mir doch die an den Texten gewonnenen
Indizien eine klarere Sprache zugunsten der
historischen und sachlichen Mk-Priorität zu sprechen. Der
schwächste Abschnitt ist m. E. der über die Formgeschichte
(Kap. 10, S. 173—194). Ist es ein Einwand gegen diese Methode
, daß sie den vorliterarischen Bereich der Überlieferung
erforschen will und sich dabei doch der literarischen
Dokumente bedienen muß (175)? Der vorliterarische Prozeß
ist zu einer Endgestalt gelangt, die uns literarisch fixiert
vorliegt; warum soll er darin nicht mehr erkennbar oder
daraus erschließbar sein? Aber P. meint, man könnte ebensogut
für eine vom Evangelisten entwickelte Endgestalt
seiner Erzählung optieren (183). Da scheinen mir konkrete
Beobachtungen an den Texten und begründete Vergleiche
mit anderen Formen der Volkserzählung (Kleinliteratur)
mißachtet zu sein. Hinter bestimmte Erkenntnisse der Form-