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Ausgabe:

1971

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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525 Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1971 Nr. 7 526

migkeit zu einem konfessionell gebundenen Kirchenbewußt- Zeit, betrachtete aber als einzige Möglichkeit, sie zu bcwäl-

sein. Das Faktum selbst ist zwar verschiedentlich erörtert, tigen, die „Rückkehr der emanzipierten Gesellschaft zu

aber hinsichtlich seiner genaueren Zusammenhange bisher Gott und seinen (als statisch-vorgegeben verstandenen) Ord-

noch kaum erforscht worden. So standen einer von Ernst nungen" (59).

Troeltsch vorgetragenen Deutung im Sinne einer „dialekti- Der Übergang Raumers zum konfessionellen Luthertum
sehen Umkehrreaktion" von ursprünglich progressiv gcrich- wirtl vom Vf. in enger Beziehung zur geistigen und kirch-
teter Romantik zur Restauration andere Auffassungen (Lüt- lichen Gesamtlage gesehen. Ein negatives Motiv war „das
gert, \. Maurer, M. Schmidt) gegenüber, die mehr das Mo- lawinenartige Anwachsen des Rationalismus und Liberalismenteiner
Weiterentwicklung bzw. der Kontinuität einzel- mus«. Raumer snh hicr ))das Gespenst der Revolution" herner
Motive betonen. In der vorliegenden Arbeit wird nun der aufziehen (67). Sein Kampf galt der Bibelkritik und einem
Versuch unternommen, auf dem Wege der biographischen Vulgärrationalismus, den er sogar in den sonst „Schutz und
Einzcluntcrsuchung das fragliche Phänomen aufzuhellen. Vf. Sicherheit" gewährenden „Hafen der luth. Kirche" (briefl.
verfolgt jenen Übergang an dem Lebensgang und dem Wir- Äußerung) eindringen sah (68). Die Kämpfe um die Union
ken K. v. Räumers. Um das Resutat vorwegzunehmen: Die- beschleunigten Raumers Weg zur kirchlich-theologischen
Jenige Phase, in der v. Raumer „der eigentlichen Erweckungs- Restauration. Als ein in gleicher Richtung wirkendes, posi-
bewegung angehörte", geht „fast nahtlos in die über, in der tiv,.3 Motiv möchte Vf. im Anschluß an M. Schmidt die „Or-
er cm bewußter Vertreter des konfessionellen Luthertums ganismusidee" verstehen, die auch bei Raumer vorhanden
war (177). js^> jedoch in diesem Zusammenhang nicht eigens belegt

Wcigclt hat mit Hedacht „keinen schulmäßig ausgebilde- ,virj (71). _ Raumers eigener Beitrag für die Entwicklung

ten Theologen" für die Untersuchung jenes Phänomens ge- des konfessionellen Luthertums liegt dem Ansatz nach i. w.

wählt. Denn sowohl in der Erweckungsbewegung als auch auf der Lin;e der Erlanger Theologie. Zentrum der theolo-

>m konfessionellen Luthertum spielt.- das Laicnelement eine gischen Aussagen Raumers ist die „persönliche Erfahrung",

bedeutende Rolle, ja vielfach sind die Theologen „erst durch die neil3. u„d Glaubensgewißheit gewährt, nunmehr aber

Laien zur aktiven Teilnahme an diesen Bewegungen provo- Qus ciner subjektivistischen Verankerung herausgelöst und

ziert worden" (18). In hervorragendem Maße gilt das für in Rclation zur III. Schrift, zum Bekenntnis und zur Kirche

v. Raumer, der als Gelehrter auf verschiedenen Gebieten gesetzt wird (38f.). Der besondere Beitrag Raumers zur zeit-

(Mineralogie, Geographie, Pädagogik) wirkte, dabei aber auch genössischen Theologie liegt auf apologetischem Gebiet,

und vor allem als „Laientheologe" einen weitreichenden Ein- ) Weil cs scincr Meinung nach die Theologen an Eifer fehlen

»aß ausübte. So hat Raumer während der langen Periode licßelli die jrrtum8losigkcit der Bibel zu beweisen, glaubte er

seines Wirkens in Erlangen den Lebensweg nahezu aller Ver- a]s Naturwissenschaftler in die Bresche springen zu müssen"

treter der Erlangcr Schule „maßgeblich mitbestimmt und (85) Daß dicsfi Apologetik sich selbst gegenüber der später

fl n *hco.loeische Entwicklung direkt oder indirekt beein- nn ;hn anknüpfenden, ebenfalls unzureichenden O. Zöcklcrs

Uv • ^' • „fast kläglich" ausnimmt, bemerkt schon W. Maurer in sei-

Weigelts Untersuchung ist so angelegt, daß nach einem nem Geleitwort (S). - Die Betonung des (lutherischen) Be-
«urzen Forschungsherieht (15-18) und einem Kapitel über kenntnisses war für Raumer „Kampfansage an alle destruk-
aie Bedeutung von Aufklärung und Romantik für Raumers ,;ven Kräfte in Kirche, Theologie und Politik". Allein die
Entwicklung (19-33) in je zwei weiteren Kapiteln die Stel- Symbole als „verpflichtende und ordnende Größe" vermochung
un,l Bedeutung Räumers innerhalb der Erweckungsbe- ten gciner Meinung nach der Auflösungstendenz innerhalb
Wegung (34-65) und innerhalb des konfessionellen Luther- dcr Kirche Einhalt zu gebieten (91). Daß Raumer nicht nur
tums (60-110) behandelt wird. Ein kurzes Schlußkapitcl d|]rch seinen weitreichenden persönlichen Einfluß, sondern
U17-U9) fußt djc Ergebnisse der Untersuchung zusammen. auch durch zahlreiche Veröffentlichungen am Streit um the-
uie einzelnen Phasen der Entwicklung und des Wirkens Rau- ologische und kirchliche Tagesfragen beteiligt war, wird vom
»ners werden dem Leser vor allem durch die umsichtige Aus- Vf. durch verschiedene Beispiele illustriert. Bemerkenswert
w"U,ng von Archivalien — insbes. der umfangreichen Kor- jst schließlich Raumers Ablehnung einer deutschen National-
respondenz Baumers — nahegebracht. kirche und Befürwortung eines Kirchcnbundes im Sinne einer

Vf. zeigt, daß Raumers Entwicklung durch rationalisti- zeitgemäßen „Erneuerung des ehemaligen Corpus Evange-

sche Ideen „nur tangiert" (22), jedoch durch die Romantik licorum" (114).
"ichhalijg beeinflußt worden ist und u. a. zur Freundschaft _ . .... .

mit ,i oii- i r..i . iir, i,i Zusammenfassend stellt Vf. fest, daß die geschichtliche

"!t dem jungen Schleiermacher führte (27). Wegen seines _. •

Rn„„„ °,. _ . , , „' D ° Einheit von lirweckungsbewegung und konfessionellem Lu-

''ng.igements für die Burschenschaft mußte Raumer aus . . 6 %. . . .. .. ....

Prpiifi„ /it ii • i • • i i. i. at- u -u thertum in der „gemcinsninen Reaktion gegen die kirchliche
1 reutieii (Il.ille) weichen und siedelte nach Nürnberg über, . . . ,"bT. , ,„ , • . „ • . T,
feitel t . . _ T? i i und theologische ,Linke zu suchen ist. Uelde Bewegungen
wurue hier in das Zentrum der fränkischen Erweckungsbe- b ' , , v b P
«m», . , , , , . , ,, „ ... i-. i erscheinen als „so stark nach der Vergangenheit hin onen-
kun"''g e,n?'-rührt "nd crlebte alsbald seine religiöse Erwek- ^ ^ nicht ^ ^ Au^inallde„etelln^. mit
u g im pietistischen Sinn", über die- freilich ein direktes Problcmen deg vori Jahrhunderts kommen konnte
ugnis von dim selbst nicht vorliegt (37). In einem Kupitel .,,„.
Uber ,,K. v. Raumers .Theologie der Erweckung' und ihre , ,, ,
faktischen Auswirkungen" hebt Vf. als für diese Zeit be- E" dürfte dem Vf- m,t Jer vorgelegten Untersuchung gc-
st,mmende Elemente des Denkens und Handelns Raumers Iungen 8ein> uie zwischen Erweckungsfrömmigkcit und kon-
dlc subjektive Erfahrung der Wirklichkeit Gottes, einen aus- fessionellem Luthertum verlaufenden Linien biographisch
^Prägten Biblizismus und eine gegen den liberalen Zeitgeist anschaulich zu machen. Auch der abschließenden Beurtei-
8crichtete „Hochschätzung des Ethos und der Moral" mit lung iener gemeinsamen Züge durch den Vf. wird man bei-
"enroffer Abkehr von der „Welt" hervor. Ein „pietistisch pflichten müssen. Die Namens-, Orts- und Sachregister am
Vereilgtes Welt- und Knlturverständnis, der Rigorismus der Schluß können sich bei einer weiteren Erforschung der Zu-
'U'-alistischen Ethik und der Moralismus der Aurklärungs- sammenhänge als hilfreich erweisen.
p<m"nigkeit" verbinden sich hier miteinander (48). In dieser
°r'ode ist bei Räumer ein sich sogar auf die katholische
lr< he beziehender „konfessioneller Indifferentismus" zu beachten
(50). Praktische Äußerungen der Erweckungsfröm- _

tu ^e'1 ^aumers waren vor allem die Gründung eines Ret-
J "gshaiiBes in Nürnberg und des ersten „Evang. Handwer-

er_ und Arbeitervereins" Deutschlands. Raumer erkannte Dcnzler, Georg: Ignaz von Döllingers Vermächtnis an seine
le wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Nöte seiner Hörer (MThZ 21, 1970 S. 93-101).

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