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Ausgabe:

1971

Spalte:

520-522

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Black, Antony

Titel/Untertitel:

Monarchy and community 1971

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Seite 1, Seite 2

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Damerau, Rudolf, Dr. theol.: Der Galaterbriefkommcnlar des
Nikolaus von Dinkclsbühl. 'I'extkrilische Ausgabe, ('ließen:
Schmitz 19G9. XXXV, 217 S. 8° = Studien zu den
Grundlagen der Reformation, hrsg. v. R. Damerau, 7.
Kart. DM 23,-.

Nikolaus von Dinkclsbühl hat nach dem Tod des Peter von
Pulkau im Februar 1425 an der Wiener Universität zunächst
über den 2. Korintherbrief und danach über den Galaterbrief
gelesen. 1 her der Kpheserbrief Vorlesung ereilte ihn l'i.'l.l der
Tod, so daß Peter von Reicher von Pircbenwart die Vorlesung
zu Hude führen mußte. Nikolaus muß daher am Ende der
zwanziger Jabre über den Galaterbrief gelesen baben und
nicht bereits 1425/26, wie der Hrsg. annimmt. Von dieser
Vorlesung ist neben anderen Handschriften auch ein Exemplar
erhalten, in dem eine von einer unbekannten Hand geschriebene
Vorlage von Nikolaus selbst ergänzt und revidiert
worden ist, wie die Schriftzüge ausweisen. Der Hrsg. ist also
in der glücklichen Lage, eine von dem Autor selbst durchgesehene
und veränderte Ausfertigung seiner Textausgabe zugrunde
legen zu können. In einer Tabelle sind die Hinweise
auf diese Änderungen zusammengetragen (XIVf.), so daß der
Benutzer sie leicht aufsuchen kann.

Diese Ergänzungen stellen eine Frage, die der Hrsg. nicht
einheitlich beantwortet. So spricht er die Vermutung aus, die
Grundschrift stamme aus dem Nachlaß des Peter von Pulkau
(XI). Nikolaus hätte sie dann also durch seine Änderungen
für seine eigene Vorlesung umgearbeitet. Die Ergänzungen
halicn aber einen mehr lehrmäßigen Charakter und weisen
durch ihren Inhalt auf die „Quaestiones zum Galaterbrief"
des Nikolaus hin, die im Band 8 der vorliegenden Reihe herausgebracht
werden sollen (XIII), so daß es sich um vorbereitende
Studien für die Quaestiones handeln kann.

Es überrascht nicht wenig, daß der Hrsg., nachdem er bei
dem „Tractatus contra errores Hussitarum" auf die Abhängigkeit
von Peter von Pidkau nicht eingegangen ist, nun die
Vermutung ausspricht, die Grundschrift stamme von diesem,
obgleich er dafür keine Beweise liefern kann. Wie uns aber bekannt
ist, hat Peter von Pulkau über das Lukasevangelium
und danach über den Römerbrief gelesen, zu dem er außerdem
Quaestiones vorlegte. Darauf folgte die Vorlesung über
den 1. Korintherbrief, zu dem er auch Quaestiones ausarbeitete
. Nikolaus übernahm dann die Vorlesung zum 2. Korintherbrief
. Von einem Kommentar des Peter von Pulkau zum
Galaterbrief ist sonst nichts bekannt. Er müßte ihn dann ja
ausgearbeitet haben, noch ehe er über den 2. Korintherbrief
las. Die Entstehung einer Grundschrifl Peters läßt sich also
schlecht in seine akademische Tätigkeit einordnen. Andererseits
haben die anderen Handschriften die von Nikolaus vorgenommenen
Veränderungen mit überliefert, sind also von
diesem Exemplar abhängig. Es scheinen mir zwei Möglichkeiten
besonders nahezuliegen. Entweder hat Nikolaus von
einem Entwurf für seine Galaterbriefvorlesung eine Reinschrift
anfertigen lassen und diese danach für die Vorlesung
ergänzt, oder er hat eine studentische Nachschrift korrigiert
iinil damit autorisiert, was im Mittelalter durchaus üblich
war.

Der Kommentar ist ohne Zweifel für die Zeit nach dem
Konstanzer Konzil und besonders für die Wiener Theologie
außerordentlich interessant und verdient die Aufmerksamkeit
aller, die sich mit diesen Fragen, z.B. auch mit der Melker
Reform, befassen. Ob er aber für die Lutherforschung
große Bedeutung gewinnen wird, wie es der Hrsg. wünscht,
bleibt abzuwarten. Der Hrsg. beklagt, daß die evangelische
Forschung das Spätmittelalter stark vernachlässigt habe,
nennt aber doch einige erfreulichen Ausnahmen, unter denen
freilich Reinhold Seeberg mit der 4. Aufl. seiner Dogmengc-
schichte 1933 der jüngste ist! Die Arbeiten von Heiko A.
überman und alle die Monographien in der Lutherforschung,
die dem Verhältnis Luthers zu einzelnen Lehren oder Ersehet
nungen des Mittelalters nachgegangen sind, hat der Hrsg.
vollkommen übersehen. Statt dessen erschreckt er den Leser

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wiederholt durch den Hinweis auf Luthers „fanatischsten
Gegner" Samuel Eck (Bd. (i. 7. 228; Bd. 7, VII), der die
Werke des Nikolaus kannte. Als Ausgabe der Galaterkom
mentare Luthers gibt er nur WA 2 und die Bände der Erlanger
Ausgabe an, aber nicht WA 40 I und 40 II sowie
WA 57. Es ist ihm entgangen, daß sich gerade die Luther-
forschung der Aufgabe unterzogen hat, der er gleichfalls dienen
will, indem sie die Edition der Werke Biels in Angriff
nahm. Sie bat aber ihr Augenmerk zunächst auf die spätmittelalterlichen
Werke gelichtet, von denen feststeht, dal!
sie für Luthers Entwicklung Bedeutung halten. Nikolaus von
Dinkclsbühl dagegen taucht weder im Gesamtregister zur
WA, noch in dem Register zu WA TR noch dem zu dein von
Enders edierten Briefwechsel auf. Das schließt zwar nicht jede
Bekanntschaft Luthers mit ihm aus, aber doch eine bedeutende
.

Der vorliegende Band hat dieselbe unglückliche äußere
Form wie der Band 6 (vgl. ThLZ 95, 1970 Sp. 440f.). Der
Leser tut gut daran, zuerst die vergessene Seitenzählung [—
XXXV nachzuholen, damit ihm später das Ordnen der losen
Blätter nicht zu beschwerlich wird. Doch wir wollen die
Mängel der Konzeption und Ausführung übergeben und dem
Hrsg. danken, daß er für die Erforschung der ersten Hälfte
des 15. Jh. eine neue Quelle erschlossen hat.

Leipzig Ilelmar Junglians

Black, Anlony: Monarcliy and Community. Political Ideas in
the Later Conciliar Controversy 1430—1450. London : Cambridge
University Press 1970. XII, 189 S. 8° = Cambridge
Studies in Medieval Life and Thought, Third Serics, 2.

Der Vf. hat sein Programm im Untertitel klar formuliert
und in seiner Darstellung auch durchgeführt. Fr gehl weder
auf die Reformprogramme noch die theologischen Überlegungen
des Konzils ein. Er will aufzeigen, welche Theorien
die Konziliaristen und die Papnlist.cn i nt w ickelten, und darlegen
, wie sich diese auf den weltlichen Raum, d. Ii. auf die
Staatslehren, ausgewirkt haben. Auch zeitlich hält sich der
Vf. an die angegebene Periode, denn praktisch geht es um die
politischen Ideen des Baseler Konzils, das am 23. Juli 1431
eröffnet wurde, und die politischen Gegenlehren des Papstes
Eugen IV., der am 23. Februar 1447 starb. Dabei weist der
Vf. wohl auf ältere Vertreter konziliaristiseber Anschauungen
oder auf die Verwendung der Aussagen des Thomas von
Aquino bin, aber darauf liegt nicht sein Hauptinteresse; er
versucht vielmehr, aus den Quellen zu erfassen, welche Gedanken
in dieser Periode entwickelt und verbreitet wurden,
die für die Staatslehre der Neuzeit Bedeutung gewannen,
ohne daß er allen Ursachen für die Entstehung und vor allem
die Übernahme dieser Ideen nachgeht.

Im ersten Kapitel bietet der Vf. die politischen Lehren des
Baseler Konzils dar (7—52), wobei er besonders Johannes von
Segovia heranzieht. Dieser bat klar herausgearbeitet, daß die
letzte politische Macht dem gesamten Volk gehöre. Nach

Meinung des Vf.s ist hier das demokratische Ideal, abgesehen

von Marsilius von Padua, im Mittelalter am klarsten ausgedrückt
. Was aber wichtiger ist, Jean Jacques Rousseau und
John Locke haben hier angeknüpft, wie die von ihnen verwendeten
Formulierungen vermuten lassen. Johannes von
Segovia ging in seinen Vorstellungen von einer Stadtge-
meinde aus. die tatsächlich in der Lage ist, sich in ihrer Gesamtheit
zu versammeln. Hier wird deutlich, daß diese Lehre
stark von der Existenz des nach Selbständigkeit drängenden

Bürgertums, aber auch von der Verfassung der Universitäten

und sonstiger mit Iclall erlicher Körperschaften mit geprägt
wurde. Einige Gedanken treten dabei hervor. So spielt die

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 7