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Ausgabe:

1971

Spalte:

515-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schwanz, Peter

Titel/Untertitel:

Imago Dei als christologisch-anthropologisches Problem in der Geschichte der alten Kirche von Paulus bis Clemens von Alexandrien 1971

Rezensent:

Lohmann, Theodor

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Theologische Literaturzeitimg 96. Jahrgang 1971 Nr. 7

516

Schwanz, Peter: Imago Dei als chrislologisch-anlhropolo-
gisches Problem in der Geschichte der Allen Kirche von
Paulus his Clemens von Alexandrien. Halle/Saale: Niemeyer
1970. 248 S. gr. 8° = Arbeiten zur Kirchengeschichte
u. Religionswissenschaft, hrsg. v. K. Meier u. H.
Moritz, 2. Lw. M 38,-.

Ziel dieser der Theologischen Fakultät der Karl-Marx-Uni-
versität Leipzig 1965 vorgelegten, auf Grund der Gutachten
von Professor Dr. Franz Lau und Professor ür. Dr. Kurt Rudolph
angenommen und ungekürzt im Druck erschienenen Dis-
sorlationsschrift ist es, das seit Jahren wieder im Brennpunkt
neutestamentlicher Forschung stehende Thema der Gotl-
ebenbildlichkeits- bzw. Gottahnlichkeitsvorstellung vomneu-
testamentlichen auf das altkirchliche Gebiet voranzutreiben
(S. 9), die in der Bearbeitung dieses Problems zwischen Paulus
und Irenaus noch bestehenden Lücken zu schließen und
«ine Überprüfung der Anschauungen der beiden Kirchenväter
Irenäus und Clemens am Kriterium der paulinisch-dcu-
teropaulinischen und johanneischen Aussagen vorzunehmen
(S. 173). Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den
Fragen nach der religionsgeschichtlichen Herleitung dieser
Vorstellungen und dem Einfluß derselben auf die Entwicklung
der christlichen Anthropologie geschenkt. In Teil A
(S. 17—58) setzt Vf. mit der paulinischen Gottebenbildlich-
keitsvorstellung ein, gibt zunächst einen Überblick über den
Bestand und die damit verbundene Problematik, fragt dann
nach dem Bedeutungsgehalt und den Ableitungsmöglichkeiten
und kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß der pauli-
nisch-deuteropaulinische Eikon-Begriff — mit Ausnahme
seiner ethischen Relevanz — nicht direkt aus dem AT über
das Spätjudentum herleitbar, sondern nur vor dem Hintergrund
der gnostischen Eikon-Vorstellung voll verständlich
ist, was sich auch bei der Untersuchung der Synonyma und
Äquivalente (Haupt-Leib- bzw. Soma-Christu-Vorstcllung,
sowie bei den Formeln en Christo und Christos en) besonders
eindringlich verdeutlicht. Als Hauptunterschied zwischen
dem paulinischen und gnostischen Eikon-Begriff wird das
Fehlen der Vorstellung von einer ursprünglich und verlorenen
Gottebenbildlichkeit gesehen. Außerdem ist für Paulus nicht
das Wissen um die Identität von Gott und innerem Menschen
das Entscheidende, sondern die Schaffung einer neuen
Wirklichkeit, so daß erst durch den Erlöser der Mensch zur
Eikon wird. „Wie 1. Kor. 11,7 hat auch Gen. 1,26f mit den
,eigentlichen' (!) paulinischen Eikon-Aussagen nichts zutun"
(S. 171).

Ohne Berücksichtigung der katholischen Briefe, des He-
bräerbriefcs und der Apokalypse (!) geht Vf. in Teil B (S.
59—86) zur Behandlung des johanneischen Schrifttums über.
Hier steht er vor der besonderen Schwierigkeit, den Sachverhalt
— bei Fehlen der entsprechenden Begrifflichkeit — lediglich
an Hand einer Vielheit von Synonymen und Äquivalenten
zu ersehließen und darzustellen. So bleibt es in der Tat
fraglich, ob alle auf S. 60—65 angeführten Begriffe wirklich
als Äquivalente zum Eikon-Begriff anzusehen sind und von
einer Eikon-Lehre überhaupt gesprochen werden darf (S. 87).
— Den Schlüssel zur johanneischen Gottebcnbildlichkeits-
vorstellung sieht Vf. darin, daß Christus allein der Offenbarer
Gottes ist. Er läßt Job. gnostische Begrifflichkeit übernehmen
, sie aber am Christusgeschehen orientieren, den Eikon-
Begriff und die dualistisch-anthropologischen Formeln weglassen
, so daß Joh. im Unterschied zu Paulus kaum noch in
einer antijüdisch-nomistischen, sondern in einer stark anti-
gnostischen Frontstellung erscheint.

In Teil C (S. 87-116) geht Vf. zur Untersuchung der Apostolischen
Väter und der frühchristlichen Apologeten über.
Der verhältnismäßig große Zeitraum zwingt ihn, sich weitgehend
auf eine statistische Erfassung des Materials zu beschränken
und nur wesentliche Wandlungen der Gotteben-
bildlichkeitsvorstellung herauszuarbeiten. Ein Bruch mitdem
paul.-joh. Verständnis kann insofern konstatiert werden, als
sich jetzt infolge erstmaliger direkter Bezugnahme auf Gen.

1,26 f die Vorstellung einer ursprünglichen, verlorenen Gottebenbildlichkeit
findet. Wäre es jedoch nicht auch denkbar,
daß die in Barn, erfolgte direkte Bezugnahme auf Gen. 1,26
nicht Zeichen einer Umprägung der paul.-joh. Eikon-Vorstellung
ist (so Vf.), sondern vielmehr Zeichen des Beginns
einer sich erst jetzt innerhalb des Christentums anbahnenden
und entwickelnden Eikon-Lehre?

Teil D (S. 117—144) befaßt sich mit Irenäus, in dessen
Schrifttum erstmals im christlichen Raum der Unterschied
eines doppelten Bildbegriffes (Eikon = Gottebenbildlichkeit;
llomoiosis = Gottähnlichkeit) feststellbar ist, wobei nur in
letzterem eine Parallele zur paul.-joh. Eikon-Vorslellung gesehen
werden kann. Unterschiede zu Paulus und Johannes
werden hauptsächlich in vier Punkten herausgestellt, unter
denen die Rekapitulationstheorie des Irenäus der wichtigste
ist (S. 130). In der Verwendung eines ,uneigentlichen' (!)
Schöpfungsbegriffcs, der nicht mehr an der in Christus anhebenden
Neuschöpfung orientiert ist, und besonders in der
Vorstellung von dem Übereinander von göttlicher Natur und
menschlicher Übernatur, einer völligen Naturalisierung der
Gottähnlichkeit, wird der ,eigentliche' (!) Fehler des Irenäus
und damit auch der kath. Anschauungsweise gesehen und infolgedessen
kritisiert. Es bleibt zu fragen, ob es grundsätzlich
sinnvoll ist, für die Gottähnlichkeitslehre des Irenäus die
paul.-deuteropaul. Eikon-Vorslellung als ,Kriterium' heranzuziehen
, zumal in Bezug auf diese — wie Vf. selbst sagt —
kein einheitliches Ergebnis vorliegt (S. 11).

Gewissermaßen als vorläufigen Gipfelpunkt einer bedeutungsvollen
Entwicklung wird in Teil E (S. 145—170) die
Homoiosis-Lchre des Clemens von Alexandrien dargestellt
und mit den diesbezüglichen Anschauungen des Paulus, Johannes
und Irenäus verglichen. Ergebnis: Clemens liegt die
Rekapitulationstheoric des Irenäus fern. Die Schaffung des
Menschen zur Gottähnlichkeit ist auch nicht einfach Neuschöpfung
wie bei Paulus. Vielmehr ist die im Geist von Anfang
an gegebene Eikon die Anlage für die Erlangung der
I [omoiosis, in die sie schließlich als erfüllte Anlage völlig aufgeht
. Die Schaffung des — nicht mehr nur anlagemäßigen —
Gottähnlichkeitsverhältnisses des Menschen wird durch die
Fleischwerdung des Logos eingeleitet. Die Gottähnlichkeit
des Menschen bedeutet jedoch nicht einfach „Teilhabe an der
Göttlichkeit, sondern das ununterbrochene Streben nach ihr
aufgrund im Sakrament mitgeteilter göttlicher Befähigung"
(S. 162). Die vollkommene Gottähnlichkeit wird also vom
Menschen, dem der Geist mit der Taufe verliehen wurde, erst
in der Zukunft erlangt. Er wächst, jetzt selbst aktiv handelnd
auf die vollendete GollMhnlichkcit zu.

Mit einem sehr reichen Anmerkungsteil zu den einzelnen
Kapiteln (S. 175—232), einem Verzeichnis der Quellen (S.233)
und einer 15 Seiten umfassenden Literaturangabe (S. 234 —
248) schließt diese ohne Zweifel wertvolle Studie, die die
Problemgeschichte der Eikon-Vorstellung von Paulus bis zu
Clemens von Alexandrien erstmalig in zusammenhängender
Darstellung verfolgt und neue Erkenntnisse für die neutesta-
mentliche, kirchengcschichtliche und religionsgeschichllicho
Forschung bringt, ab.

Die Mängel, die dieser Arbeit anhaften, sind mehr formaler
als inhaltlicher Art: Die Bewältigung der Stoffülle bringt es
mit sich, daß der Vf. sich oftmals nicht ausführlich', sondern
nur ,kurz' und ,knapp' zu bestimmten Problemen äußert
(S. 19; 20; 50f; 55. Vgl. Widerspruch zwischen S. 21 und 80),
was sich mitunter recht negativ auswirkt. Ebenso erscheint
es wenig sinnvoll, in Form von sog. .Exkursen', die bisweilen
den Zusammenhang sprengen (z. B. Exk. 15), Themen wie
,Aufcrstehung und Erlösung* in 18 Zeilen (Exk. 18), ,Auferstehung
und Parusie' in 7 Zeilen (Exk. 19) und die Frage
nach der Herkunft des joh. Logos-Begriffes in 16 Zeilen
(Exk. 21) zu behandeln. Andererseits hätte Vf. durchaus
Raum für eine ausführlichere Untersuchung bestimmter
Problemkreise gehabt, wenn nicht die bisweilen eigenwillige
Gliederung der Arbeit ermüdende Wiederholungen mit sich
gebracht hätte. Die Exegese der paul. Eikon-Stellen (S. 50 ff)