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Ausgabe:

1971

Spalte:

502-503

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Santos Otero, Aurelio de

Titel/Untertitel:

Das kirchenslavische Evangelium des Thomas 1971

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Bestärkung und des Trostes" (Vi). Wird man diesem Ergebnis
interessiert zustimmen, so erscheint allerdings die Forlsetzung
des Satzes als überspitzt und mit der vorgängigen
Rechtfertigungsverkündigung des Paulus nicht wirklich vereinbar
: Die P. „ist Folge und Konsequenz, ja Spitze der
Kvangeliumsverkündigung, weil sie den Anspruch des Evangeliums
auf die Tat hin laut werden läßt" (ihd., Hervorhebung
von mir). Daß in der P. Paulus als Vater seiner Gemeinden
spricht, in seiner P. Gott selbst, den Kyrios und die Macht
seines Geistes zu Wort kommen weiß, wird richtig hervorgehoben
, wenn man aus der Anrede der Adressaten als ($6eX(po t
auch nicht einfach folgern kann, daß der Vollzug der Para-
klese,,von der Theologie des Bruders (getragen)" sei (47), noch
auch eine Prägung paulinisehcr Mahnung vom Uibild-Ab-
bild Schema in der Weise feststellen kann, daß Paulus durchgängig
auffordere, „das Urbild de s Kyrios und folglich des
Apostels zu übernehmen und deren Abbild zu werden" (54),
denn dieses Vermittlungsschema läßt sich in Rom. 6 und
12—15 gerade nicht so nachweisen wie im 1. Thess.- oder
1. Kor.-Brief.

Daß Begründung und Ausrichtung der P. in der Kschato-
logie bei Paulus sehr nahe zusammenliegen, sieht Grabner-
Haider selbst. Gleichwohl legt er Wert darauf, zunächst im
zweiten Kapitel herauszustellen, daß „der Imperativ erhoben
werden (muß), weil sein begründender Indikativ immer
gegenwärtige Wirklichkeit und zukünftige Verheißung in einem
ist" (III). Christologisch formuliert lautet derselbe wichtige
Satz: „die Paraklese (wird) erhoben im Horizont des zukommenden
Kyrios und auf diesen hin, und sie spricht die
Christen als Wartende und als Hoffende an" (112). Statt die
umfassendste Begründung der P. bei Paulus schon im Hinweis
auf die Zeit zu sehen (108f.), hätte Vf. also ruhig sagen
können, die P. sei bei Paulus christologisch begründet, ohne
dabei Gefahr zu laufen, den prozessualen Charakter christlichen
Daseins zu verschleiern. Erst wenn man diese Feststellung
trifft, wird ja einleuchtend, weshalb der Christ bei
Paulus die Verwirklichung seines neuen Seins gerade in der
laiche suchen soll, weshalb der Apostel seine Gemeinde umfassend
gerade zur militia Christi aufrufen kann und die Christen
in der Tat, wie das dritte Kapitel Unsen s Buches zusammenfassend
feststellt, berufen sind, „in ihrem Existenz-
Vollzug die neuen Dimensionen der Gottesherrschaft in der
Welt anbrechen zu lassen" (151). Besonders im zweiten und
dritten Kapitel drängt der Vf. stark auf systematische Ergebnisse
hin, was seinen knappen Referaten /.. B, Ober den Ort

der P. in den Briefen der Paulusschul«; nicht gerade zustatten
kommt, auch stützen sich die inhaltlichen Ausführungen fast
ganz auf bereits von anderen ausgearbeitete Exegesen. In
einer Dissertation mag dies freilich verstattet sein. Seltsam
erscheint aber doch das durchgängige Ausblenden des Gerichtshorizontes
, ohne den pnulinische P. m. E. historisch nicht
zureichend erfaßt werden kann.

Ein Anhang ist „Ausblicken und Ansätzen" gewidmet.
Hier finden sieh schöne und weiterführende Sätze. So gewinnt
der Vf. aus seiner positiven Sicht der paulinischen
Eschatologie die Möglichkeit, bereits die Gegenwart als „relatives
und ständig mögliches Eschaton" zu verstehen, weil
diese Gegenwart „auf das absolute und unverfügbare Eschaton
Gottes ZU (geht)" (154f.), und er sieht in dem von Christus
her beanspruchten Menschen den Ort, „wo sich nichtige
Schöpfung von Gottes neuer Schöpfung scheiden muß" (156).
Zum Weiterdenken lädt besonders die These ein, P. sei „Appell
zur Vorwegnahme der Zukunftsdimensionen Gottes"
(157), womit eingeschärft werden soll, daß sich christliche
Hoffnung in schöpferischem Tun nur dort verwirklichen
kann, wo diese Hoffnung als Gabe Gottes verstanden wird
ur>d sich im lebendigen Dialog mit Gott entfaltet.

Erlangen Peter Stuhlmacher

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Ridderbos, Herman: Paulus. Ein Entwurf seiner Theologie.
Deutsch von Erich-Walter Pollmann. Wuppertal: Rolf
Brockhaus [1970]. 408 S. gr. 8°. Lw. DM 38,-.

Rezensent hat die holländische Originalausgabe dieser Arbeit
in der ThLZ 94, 1969 Sp. 587f. besprochen. Das Buch
wurde aus Anlaß der nun vorliegenden deutschen Übertragung
erheblich gekürzt. Es ist dadurch lesbarer geworden.
Auch vorhandene Fehlerund Versehen wurden korrigiert. Jedoch
ist der wesentliche Inhalt unverändert geblieben. Hierzu
kann deshalb auf die oben genannte Besprechung verwiesen
werden.

Im Vorwort der deutschen Ausgabe kennzeichnet der Vf.
seine „prinzipielle Stellungnahme" mit der Bemerkung, ,,da(.i
das Wort Gottes sich uns in seiner ursprünglichen Gestalt —
so fremd diese uns manchmal auch erscheinen mag — voller
und mächtiger mitteilt als in unseren apriorischen hermeneu-
tischen Kanälen, in die wir den Strom eindämmen und lenken
möchten" (S. 9). Mit solcher Stellungnahme werden
nicht nur die Zielvorstellungen, sondern auch die Grenzen
eines Standpunktes sichtbar, der zwar von anderen Verste-
hensversuchen sich geschieden weiß, jedoch die eigenen her-
meneutischen Voraussetzungen nicht zur Diskussion stellt,
geschweige denn sich ihrer Problematik erkennbar bewußt
geworden wäre.

Göttingen Georg Strecker

Sanios Otero, Aurelio de: Das kirchcnslavische Evangeliuni
des Thomas. Berlin: de Gruyter 1967. VIII, 193 S. gr. 8°
mm Patristische Texte und Studien, hrsg. v. K. Aland u.
W. Schneemelcher, 6. Lw. DM 42, —.

Die vorliegende dankenswerte, eine wirkliche Lücke füllende
Arbeit ist ein Teil der slavistischen Dissertation München
1964 „Studien zu den kirchenslavischen Apokryphen".
Nach einer „Bestandsaufnahme und Auswertung des Iland-
srhriftenmaterials" (S. 1—33) und den „Schlußfolgerungen"
daraus (S. 34—36) wird der Inhalt des kirchenslavischen
Thomas-Evangeliums in deutscher Übersetzung dargeboten
mit umfangreichem Anmerkungsapparat, der vor allem die
Lesungen der kirchenslavischen Textzeugen bietet und diskutiert
und so die oben gegebene Übersetzung begründet und
stützt (S. 37—146). Die positive Lösung des Problems einer
griechischen Vorlage (S. 147—158) führt zur Rückübersetzung
des kirchenslavischen Thomas-Evangeliums ins Griechische
(S. 159—171). Es folgt schließlich noch eine Erörterung der
Sachprobleme dieses Kindheitsevangeliums des Thomas überhaupt
(S. 172—184). Es ist unmöglich, die Prinzipien und Ergebnisse
dieses Werkes besser und knapper zusammenzufassen
, als es der Vf. in einem Schlußwort selber tut: „Das kir-
chenslavische Thomasevangelium ist in einer verhältnismäßig
großen Anzahl von Handschriften verschiedener Herkunft
(russischer, serbischer und bulgarischer) überliefert, von denen
die ältesten und textkrii tsch bedeutsamen zwischen dem
XIV. und dem XVI. Jahrhundert entstanden sind. All diese
Fassungen gehen auf eine gemeinsame Quelle zurück: eine
altbulgarische Übersetzung aus dem Griechischen, die höchstwahrscheinlich
im bogomilischen Milieu und spätestens im
XL Jahrhundert zustande gekommen sein muß. AufCrund
vorwiegend sprachlicher Erwägungen lassen sich sowohl die
im Laufe der Zeit in der kirchenslavischen bandschriftlichen
Überlieferung eingetretenen Entwicklungserscheinungen als
auch die Hauptmerkmale und der grundsätzliche Inhalt der
ursprünglichen slavischen Version feststellen. Diese Voraussetzungen
und die feststellbaren Eigenschaften der dieser
Version zugrunde liegenden Übersetzungsarbeit ermöglichen
eine zuverlässige Rekonstruktion des griechischen Originals,
das dem slavischen Übersetzer als Vorlage gedient haben
muß. Diese griechische Vorlage, die sich mit den alten Versionen
des Kindheitsevangeliums (der syrischen, der latei-

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 7