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Ausgabe:

1971

Spalte:

469-471

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Unsere Sendung in der Welt 1971

Rezensent:

Krusche, Günter

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

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Anfang der Sammlung. Man spürt ihnen ab, daß sie in
unmittelbarer Konfrontation geschrieben sind. Noch selten
ist es gelungen, ökumenische „Papiere" so scharf zu
formulieren. Andererseits sind sie einseitig und nicht repräsentativ
. Nur im Kontext anderer Äußerungen wird
man sie richtig verstehen. So enthalt der zweite Teil der
Sammlung ökumenische und säkulare Schriften, die vor
oder nach Notting Hill entstanden sind. Besonders wichtig
ist das „Background Dokument" von Uppsala. Es war
auf der Vollversammlung verteilt, jedoch nicht angenommen
worden, ist aber die Basis, auf der alle weiteren Maßnahmen
des ökumenischen Rates der Kirchen aufgebaut
wurden. Im Mittelpunkt steht der „Plan eines ökumenischen
Programms zur Bekämpfung des Rassismus", der
als offizielles Dokument des Zentralausschusses von
Canterbury August 1969 seither oft zitiert wurde und in
der seit September 1970 lebhaft gewordenen Debatte als
die entscheidende Äußerung zur Sache angesehen werden
muß. Mit dem Abdruck der „Erklärung der Vereinten
Nationen über die Beseitigung jeglicher Form von Rassendiskriminierung
" vom November 1963 ist ein wichtiger
Zusammenhang der ökumenischen Aktion aufgewiesen
worden.

Im dritten Teil werden die Dokumente vom Herausgeber
kommentiert. Die meisten seiner Schlußfolgerungen
beziehen sich auf die Kirchen in der Bundesrepublik.
Vieles davon dürfte aber auch darüber hinaus gültig sein.
Das gilt z. B. für einen Satz wie den: „Wenn die Christenheit
auf die Rassenfrage ... keine überzeugende Antwort
der Tat findet, dann wird sich diese Frage an den Realitätswert
des Christentums überhaupt stellen, wie es heute
schon von mancher Seite her geschieht" (S.127). Für
Beckmann kulminiert die Neuorientierung - wie auch von
uns oben angedeutet - in der Frage der Identität des Menschen
und in der Aufgabe der Christenheit zu Solidarität
und Partnerschaft. Er fordert „die Entfaltung einer
Theologie der Solidarität und Partnerschaft auf allen
Ebenen" (S.135).

Man kann nur hoffen, daß der Ansatz zur Dokumentation
des neueu ökumenischen Engagements für eine
menschlichere Gesellschaft in der ganzen Welt für den
deutschsprachigen Leser so umfassend und so weitreichend
wie irgend möglich fortgesetzt wird.

Berlin Johann«-» Anhausen

Käldy, Zoltan: Unsere Sendung in der Well. Budapest: Magya-
rorszagi EvangiMikus Egyhäz Sajtöosztalya 1970. 127 S. 8°.

Dieses Studiendokument der Ev.-luth. Kirche in
Ungarn ist aus der Vorbereitung auf die V.Vollversammlung
des LWB erwachsen und trägt als solches Merkmale
derartiger Ausarbeitungen: in Kommissionsarbeit entstanden
, liegt der Nachdruck mehr auf allgemeinverbindlichen
als auf konkret-verpflichtenden Formulierungen.
Trotzdem ist der Beitrag bemerkenswert: „Aus unserer
besonderen Lage heraus und auf Grund unserer theologischen
Erkenntnisse Wullen wir an den Blinkten atU
luhrlicher sprechen, wo wir das Eigene, das auch für
andere Nützliche mitteilen können" (8). Damit ist ein
Modell für Beiträge zum ökumenischen Dialog überhaupt
gegeben.

Die Studienarbeit erfolgte, der Thematik der Vollversammlung
gemäß, in drei Sektionen: 1. Gesandt mit
dem Evangelium, 2. Unsere ökumenische Verantwortung,
3. Verantwortliche Teilhabe (partieipation) an der heutigen
Gesellschaft.

1. In Übereinstimmung mit der ökumenischen missionarischen
Theologie („Mission als Strukturprinzip"), aber,
wie gezeigt wird, durchaus auch mit den lutherischen Bekenntnisschriften
, steht die missio Dei am Beginn aller
Überlegungen. Auf diesem Wege sind Selbstrechtfertigung
und Selbsterlösung ausgeschlossen. Für die Kirche
lautet die Konsequenz: „Buße und Bekehrung" (9). Aber
solche Bekehrung ist nicht „introvertiv" (gemeint ist:
introvertiert). Es geht auch nicht nur um die Bekehrung
des Einzelnen, sondern um die der ganzen Kirche (10).
Was das für eine Kirche bedeutet, die bekennen muß, daß
sie zu oft geschwiegen hat, wird sehr konkret und freimütig
dargelegt. „Die rechtschaffene Frucht der Bekehrung
der Kirche ist das Dienen" (11). Der Auftrag
Christi sendet die Kirche zum Dienst für Gott und damit
für die Menschen. Die „Konzeption der dienenden Kirche
" wird als Lehre aus dem bejahten Weg dieser Kirche
dargestellt. Deshalb wird die Frage: „Sendung oder
Selbsterhaltung?" (12ff.) mit einem schroffen Nein zu
jeder Form der Selbsterhaltung, sei es in Strukturfrageu,
sei es in der Gesinnung beantwortet. Auch das Problem
„Amt und allgemeines Priestertum" erscheint unter diesem
Gesichtspunkt lösbar. Wort, Sakrament und Theolo
gie können nach diesem Verständnis nur als „Diakonie"
dargestellt werden. Wenig überzeugend scheint uns in
diesem Teil die Beziehung zwischen der „Diakonie der
Sakramente" (17ff.) und der diakonischen Haltung der
Christen dargestellt zu sein.

2. Dieser Teilbetrag setzt nicht, wie man erwarten
sollte, beim Problem der Kirchentreunung ein, sondern
bei dem Auftrag Christi. Als Ziel der Einheitsbestrebun-
gen wird nicht Einheit um der Einheit, sondern um der
Sendung und des Dienstes, ja „um des Menschen willen"
(23ff.) erkannt. Deshalb kann der umstrittene Säkularökumenismus
(secular ecumenism) als „notwendige Folgerung
aus der recht verstände neu Christologie und Ekkle-
siologie" gewürdigt und „als künftige Lebensform der
Kirche" (25) bejaht werden. „Reformatorische Erkenntnis
unter modernen Verhältnissen" (26) wird dieses neue
ökumenische Konzept genannt. Trotzdem soll nicht ökumenischem
Utopismus das Wort geredet werden: „Die
Einheit der gesamten Menschheit in Jesus Christus gehört
nicht in die Verheißung für die diesseitige, sondern für die
jenseitige Welt" (27). Auch kann der Dienst der Versöhnung
nicht ohne weiteres auf die Lösung der gesellschaftlichen
Fragen übertragen werden. Hier sind die Vf. dem
Konzept des Säkularökumenismus gegenüber offensichtlich
kritischer, als es zunächst scheint. (An dieser Stelle
wie an mancher anderen wünschte man sich ausführlichere
und präzisere Darlegungen.) Wesentlich ist aber
hier die Absage an die „Konzeption der herrschenden
Kirche". So kann der Weg zur Einheit nur im Dienen gesehen
werden. Deshalb wird auch - gut lutherisch - jede
Form des Messianismus abgelehnt (34). Unter diesen Voraussetzungen
erscheint auch die konfessionelle Frage lösbar
, und selbst die „weltlichen Gegensätze" können ertragen
und durchgehalten werden (40).

3. Verkündigung und gesellschaftliche Diakonie gehören
zusammen, wenn man die „diakonische Lebensform
der Gemeinde" (43) bejaht. Sowohl „Gottes dynamisches
Handeln" wie seine ,,Fleisch werdung in Christus"
(44) weisen darauf hin, daß Glaube und Tun zusammengehören
und das christliche Zeugnis nicht auf das „Inwendig
-Geistliche" im Gegensatz zum „Aktiven-Sozialen
" beschränkt ist. (Auch hier wäre es interessant zu erfahren
, wie man sich das Verhältnis beider Ebenen zueinander
denkt; gerade darum geht ja der Streit.) „Die
notwendige, richtige eschatologische Perspektive bewahrt
uns vor jeder Illusion einer christlichen Gesellschaft',
aber auch vor jeder Versuchung eines kirchlichen Avantgardismus
'" (47). Dahinter verbirgt sich offenbar eine
Stellungnahme zur sog. „Theologie der Revolution".
Nachdem die „Herausforderungen der heutigen Weltprobleme
" (48ff.) behandelt werden, kommen, „Strate-