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Ausgabe:

1971

Spalte:

23-24

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Geschichte der israelitischen Religion 1971

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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Fohrer, Georg: Geschichte der israelitischen Religion. Berlin
: de Gruyter 1969. XV, 435 S. 8° = de Gruyter Lehrbuch
. Lw. DM 32.—.

Fohrers „Geschichte der israelitischen Religion" stellt
die Neubearbeitung der 1922 in der Sammlung Töpelmann
erschienenen „Geschichte der israelitischen und jüdischen
Religion" von G. Hölscher dar. Das zeigt die Gemeinsamkeiten
beider Werke an, macht aber zugleich auch auf ihre
Unterschiede aufmerksam. So mag ein kurzer Vergleich die
Eigenheiten des Fohrerschen Buches besonders deutlich
hervortreten lassen.

Zu den Gemeinsamkeiten zählt zunächst die Absicht
beider Autoren, ein Lehrbuch für die Hand des Theologiestudenten
zu schreiben. Das setzt dem Umfang Grenzen
und legt zugleich den Autoren ein gewisses Maß von Zurückhaltung
gegenüber eigenen Thesen und gelehrten Meinungen
auf; denn es geht ja vorab darum, den zur gegebenen
Zeit gültigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
darzustellen. Weiter herrscht grundsätzlich darin Übereinstimmung
, daß zu einer Geschichte der israelitischen
Religion auch die der jüdischen Religion hinzugehört. Im
vorliegenden Fall ist das so gelöst, daß ihre Bearbeitung
J. Maier in einem gesonderten Band übernommen hat.
Schließlich ist man sich auch darin einig, daß die israelitische
Religionsgeschichte und eine Theologie des Alten
Testaments von ihrer Aufgabenstellung her zu unterscheiden
sind, indem die israelitische Religionsgeschichte, wie
es F. formuliert (S. 7—8), „den Werdegang dieser Religion
als die normale Geschichte einer normalen Religion neben
anderen zu schildern", eine Theologie des Alten Testaments
indes „die theologisch entscheidenden Grundstrukturen einer
Botschaft darzustellen hat". Zu derartigen Gemeinsamkeiten
könnte man vielleicht noch den Hinweis auf den
methodischen Ort beider Autoren zählen; denn Hölscher
war Literarkritiker und neigte zugleich stark der religionsgeschichtlichen
Fragestellung zu, was in gewisser Weise
auch von F. insoweit gesagt werden kann, als er sich um
eine ausgewogene Synthese der verschiedenen Methoden
bemüht. Aber gerade diese Ausgewogenheit bedeutet einen
Vorzug des Werks von F., den das Buch Hölschers zurecht
vermissen läßt.

Mit diesem Satz wird bereits auf die erheblichen Unterschiede
beider Lehrbücher aufmerksam gemacht. Den vergleichbaren
vier Kapiteln bei Hölscher: „Die vorgeschichtliche
Entwicklung" (14.-11. Jh. v. Chr.), „Die altisraelitische
Zeit" (bis 842), „Das assyrisch-babylonische Zeitalter" (bis
586) und „Das persische Zeitalter" (bis 332) entsprechen
die vier Teile F.s: „Religionsgeschichte der Frühzeit" (S.
11—113), „Religionsgeschichte der Königszeit" (S. 114—312),
„Religionsgeschichte der exilischen Zeit" (S. 313—337) und
„Religionsgeschichte der nachexilischen Zeit" (S. 338—402),
woraus ersichtlich wird, daß F. die Zäsuren in der politischen
und religiösen Geschichte Israels anders und d. h.
sachgerechter anbringt. Für sich genommen will das noch
nicht viel besagen. Doch die mit dieser Vierteilung in gewissem
Maße verbundene Herausarbeitung der folgenden
fünf Impulse: 1. Die mosaische Jahwereligion, 2. Das Königtum
, 3. Die Prophetie, 4. als deren Folge die deutero-
nomische Theologie und 5. Die exilische Prophetie und beginnende
Eschatologie, läßt sogleich hervortreten, worum
es F. eigentlich geht. Geschichte, mithin auch die israelitische
Religionsgeschichte ist für ihn nicht ein mehr oder weniger
zufälliges Neben- oder Hintereinander verschiedener
Fakten, sondern ein lebendiger Entwicklungsprozeß, in
dessen Verlauf sich die israelitische Religion wandelt und
entfaltet. Die für diese Wandlung und Entfaltung wesentlichen
und sie bestimmenden Triebkräfte gilt es, mit Hilfe
der Impulse aufzuzeigen und verständlich zu machen.

Außerdem bringt ein solches geschichtliches Werden
der israelitischen Religion notwendig Spannungen und

Gegensätze mit sich, die F. in den mannigfachen Glaubensströmungen
zu erfassen versucht. So arbeitet er für die israelitische
Königszeit eine restaurative, magische, kultische,
national-religiöse, weisheitliche und prophetische Daseinshaltung
, für die nachexilische Zeit den Widerstreit zwischen
der eschatologischen Prophetie und der priesterlichen Theologie
sowie für die Makkabäerzeit die Entfaltung der apokalyptischen
Daseinshaltung heraus.

Auf diese Weise entsteht vor dem Leser ein farbiges
Bild von der Geschichte der israelitischen Religion, das nicht
zuletzt über aller Wandlung gerade die durch die Jahrhunderte
hindurch festgehaltenen Grundzüge um so klarer hervortreten
läßt: die personale Struktur des Glaubens und die
Vorstellung von einem Bezug zwischen göttlichem und
menschlichem Handeln, die Auffassung vom Wirken Gottes
in der Geschichte und von dem dem göttlichen Willen entsprechenden
Verhalten des Menschen sowie „der Glaube
an die Gottesherrschaft und die Gemeinschaft des Menschen
mit Gott, die sich im Leben des Glaubenden, des Volkes
oder der Völkerwelt verwirklichen sollen" (S. 9).

Daß sich in diesem imponierenden Aufriß der israelitischen
Religionsgeschichte eine Fülle von anregenden Einzelbeobachtungen
findet, sei an zwei oder drei Beispielen
noch kurz erläutert. Die unter Berufung auf KBL vertretene
Deutung von säläm als „Abschlußopfer" (S. 204f.) trifft gewiß
das Richtige. Auch die Feststellung, daß der israelitische
Erwählungsglaube nicht erst, wie vielfach angenommen
wird, in der deuteronomischen Theologie, sondern
schon zuvor in der Königszeit eine gewichtige Rolle gespielt
hat (S. 154. 180ff.), ist beachtlich, auch wenn mir die
Texte sogar für eine Verwurzelung des Erwählungsglau-
bens im Auszugs- und Sinaigeschehen zu sprechen scheinen.
Ähnlich liegen die Dinge hinsichtlich der Meinung F.s, die
Lade sei außerpalästinischer und vorjahwistisch-israeliti-
scher Herkunft (S. 98ff.). Zutreffend ist daran auf alle Fälle
die Erkenntnis, daß die Lade kein kanaanäisches Kultobjekt
war und nicht erst nach der Landnahme von den
Israeliten übernommen wurde. Aber das scheint mir auf
Grund der textlichen Überlieferung noch zu wenig zu sein.
Selbst wenn man dem Rückschlußverfahren von P und D
auf J, L/N und E sowie dem 16 „für sie" in Ex 33,7 kein
Gewicht beizulegen vermag, wird man doch die Lade-Sprüche
Num 10,35f. und die Erwähnungen der Lade in Num
10,33 und 14,44 schwerlich eliminieren können, zumal die
Genealogie der Ladepriester von Bethel (Ri 20,27f.) bis in
die Mose-Zeit zurückreicht und 1 Sam 2,27f. die ägyptische
Abstammung der die Lade in Silo hütenden Eliden bezeugt.
Schließlich spricht die Überlegung, daß nur ein Jahwekultobjekt
mit schon gefestigter, altehrwürdiger Tradition das
Jerusalem Davids in den Rang eben auch einer kultischen
Metropole zu heben vermochte, gegen die Vermutung F.s.

Diese wenigen Bemerkungen zeigen, wie anregend das
vorliegende Lehrbuch ist. Man kann gewiß sein, daß es
eine weite Verbreitung finden und schon bald eine Neuauflage
erleben wird. Darf dem Dank an den Vf. noch die Bitte
angeschlossen werden, er möge die zahlreichen Verweise
im Text von der Paragraphen- auf die Seitenzählung umstellen
, weil die Paragraphen nicht im Kolumnentitel der
Seiten erscheinen und ein Nachschlagen der Verweise jetzt
nur auf dem Umweg über das Inhaltsverzeichnis möglich,
also recht umständlich ist?

Holle/Saale Hans-Jürgen Zobel

Schulte, Hanneiis: . . . Bis auf diesen Tag. Der Text des
Jahwisten, des ältesten Geschichtsschreibers der Bibel.
Hamburg: Reich 1967. 106 S. gr. 8°. Kart. DM 10.-.

Auf Grund der Konzeption G. Hölschers (Geschichtsschreibung
in Israel, Lund 1952) wird der Text eines Jah-
wistischen Geschichtswerkes zusammengestellt, das von