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Ausgabe:

1971

Spalte:

448-449

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Das historische Amt und die späten Reisen 1971

Rezensent:

Pältz, Eberhard

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447

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

448

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Dcnzlcr, Georg: Die I'ropagandakongrcgatiou in Koni iiml die
Kirche in Deutschland im ersten Jahrzehnt nach dein Westfälischen
Frieden. Mit Eklition der Kongregationsprotokolle
zu deutschen Angelegenheiten 1049-1057. Paderborn:
Vorlag Bonifaoius-Druckerei [1969]. 409 8. gr. 8°. Lw.
DM 36,-.

1962 hatte H.Tüchlc „die Protokolle der Propaganda*
kongregatiou zu deutschen Angelegenheiten 1622-1649"
ediert. Während dieser Zeit war Francesco Ingoli der erste
Sekretär der Congregatio de Propaganda Fide. Tüchles
Schüler Denzler hat sich nun mit den Akten befaßt, die
auf Ingolis Nachfolger Dionisio Massari zurückgehen.
Massari wurde 1649 Sekretär der neuen Kongregation.
Da er das Vertrauen der Kurie einbüßte, verlor er dieses
Amt, und zwar 1057. 1664 ist er „in seiner Heimatstadt
Fermo gestorben'4. Die zeitliche Begrenzung, die sich
Denzler setzt, liegt also an den Archivalien, mit denen er
sich befaßt hat. Allerdings ist ja mit dem Westfälischen
Frieden zugleich ein sinnvoller Einschnitt gegeben.

Denzler hat nicht nur Quellen ediert, sondern auch eine
Auswertung vorgelegt. Dabei beschränkt er sich nicht auf
die von ihm gesammelten Protokolle, sondern benutzt
auch die von der Forschung bisher kaum zu Rate gezogene
Edition Tüchles. Hinzu kommt auch eine kurze Biographie
Massaris, der seine Erfahrungen über Spannungen
zwischen Katholiken und Protestanten in Irland sammelte
. Angesichts der territorialen Aufspaltung Deutschlands
muß auch „die religionsrechtliche Lage in der
deutschsprachigen Diasporakirche" behandelt werden.
Nachdem in einem eigenen Kapitel „Angelegenheiten von
untergeordneter Bedeutung" besprochen werden, mit
denen sich die Propagandakongregation befassen mußte -
z.B. die Ausbildung von Missionaren, die Übertragung
eines akademischen Grades u.ä. -, folgt die Darstellung
der „Mission in Norddeutschland". Hier werden Bremen,
Friedrichstadt , Glückstadt, Hamburg-Altona und Lübeck
behandelt. Ist schon die Reihenfolge überraschend - die
Hansestädte hätte man wegen ihrer Gemeinsamkeiten
mehr verbunden gewünscht -, so ist die gemeinsame Darstellung
von Hamburg und Altona als unglücklich zu bezeichnen
. Altona wurde ja von einer ganz anderen Obrigkeit
regiert als Hamburg. Die unterschiedlichen Schicksale
der Katholiken (und teilweise auch der Juden!) in
beiden Städten gehen darauf zurück. Bei einer Trennung
wäre dies klarer herausgekommen.

Der Vf. hat sich übrigens bei seinem Werk nicht auf
Deutschland beschränkt. Wie Tiichle behandelt er auch
Skandinavien und die Schweiz, versteht den Begriff
„deutsch" also „nicht politisch, sondern historisch-kulturell
". Das ist möglich, wird aber nicht ohne weiteres
anter dein Titel des Bandes vermutet werden. Denzler
stellt heraus, daß die Träger der Mission in Norddeutschland
und Skandinavien Jesuiten, in der Schweiz aber Kapuziner
waren. Es wird auch deutlich, zu welchen Schwierigkeiten
es in der Mission durch Ordensstreitigkeiten
kam. Dies gilt besonders für Böhmen, für das ebenfalls die
Congregatio de Propaganda Fide zuständig war, obwohl
der Prager Erzbischofssitz im behandelten Zeitraum besetzt
war. Hier wird die Kehrseite der in Norddeutschland
und Skandinavien geschilderten Bedrängnis von Katholiken
offenbar, nämlich die Unterdrückung von Protestanten
. Es hätte klarer herauskommen dürfen, daß sich
die Politik der Obrigkeiten beider Seiten gegenüber den
Andersgläubigen ähnelt. Der Vf. hat auch viele verschiedene
territoriale Vorgänge behandelt, die häufig nur
angedeutet werden, so daß man für genauere Kenntnisse
zur angegebenen Literatur greifen muß. Schließlich hätte
mau sich hier und da Begründungen für Urteile gewünscht
, die aus den zeitgenössischen -Quellen referiert
werden.

Bei dem Abdruck der Quellen hat Denzler sich an die
Editionsgrundsätze Tüchles angeschlossen. Man wird annehmen
können, daß er die Protokolle vollständig für den
von ihm behandelten Raum erfaßt hat. Als Beilagen werden
einige Dokumente über den sogenannten „Salz-
vertrag" von 1630 ediert, durch den Einkünfte für neugeschaffene
böhmische Bistümer sichergestellt werden sollten
, und über den Westfälischen Frieden. Fast ausschließlich
handelt es sich hierbei um Proteste gegen ihn. Dieser
Vorgang und noch einige andere sind auch vom Verfasser
in seiner Darstellung angeschnitten worden. Wenn hier
auch manches hätte kritischer sein und etliche Wiederholungen
hätten vermieden werden können, so hat Denzler
doch aus zahlreichen Archiven recht viel Material zusammengetragen
, das von der Forschung nicht übersehen
werden wird.

Erlangen Ciurliard Müller

Kaegi, Werner: Jaroli Uurckhardt. Hinc liiogiaphio. IV: Das
historische Amt und die späten Reisen. Basel-Stuttgart:
Schwabe [1967]. XX, 483 S., 33 Taf. gr. 8". Lw. sfr. 36.-.

Werner Kaegis „Jacob Burckhardt", ein Meisterwerk
der historischen Biographie, bedarf keiner besonderen
Empfehlungen. Auch den hier anzuzeigenden IV. Band
zeichnen die für dieses Werk (dessen bisher erschienene
Teile K. Heussi in ThLZ 78, 1953 Sp.356ff. und 82, 1957
Sp.524f. besprochen hatte) charakteristischen Vorzüge
aus: die Nähe des Vf.s zur humanitas ß.s, die eine Kongenialität
der Nachgestaltung und Deutung ermöglichte,
dann eine hervorragende Materialkenntnis und -durch-
dringung, die den beiden ersten, dem Basler Wirkungsfehl
B.s gewidmeten Kapiteln ebenso eigen ist wie den folgenden
-, dem dritten, „Bücher und Ruhm - die Baukunst
der Renaissance" überschrieben, wie den vierten
bis sechsten, die von den der Begegnung mit den Werken
der Baukunst und Malerei gewidmeten großen Forschungsreisen
nach England, Frankreich, den Niederlanden
, Deutschland, Österreich, Böhmen und Italien
handeln.

Dem V.Band vorbehalten bleibt die innere Geschichte
desselben Zeitraums, d.h. die Ideen der großen allgemeinhistorischen
Vorlesungen - vom späten Mittelalter bis zur
Revolutionszeit - einschließlich der „Weltgeschichtlichen
Betrachtungen", während der VI., die Zeit von 1886-1897
umfassende Band über die Kunstgeschichte einschl. der
beiden kulturgeschichtlichen Hauptthemen - Mittelalter
und Griechenzeit - zu handeln haben wird.

Während der Arbeit verwandelt sich „die ruhige Spät-
phase" des Lebens B.s, die Kaegi in einem einzigen
Schlußband darzustellen hoffte, in „ein dramatisches
Geschehen, dessen bewegter Inhalt nicht weniger reich,
nicht weniger mitteilcnswert erschien als die Geschichte
der ersten vierzig Jahre dieses einzigartigen Daseins"
(Vorwort S.XV11). Aus dem einen Schlußband wurden
drei Teilbände, deren erster, der vorliegende IV.Band, die
Jahre des Basler historischen Lehramts 1858-1886 behandelt
.

Die allgemeine Historie von den Griechen bis zur Französischen
Revolution, erfaßt und dargestellt als Kulturgeschichte
, steht in dieser Epoche im Mittelpunkt von B.s
Wirken, erweitert seit der Roise in die Niederlande im
Sommer 1873 um die Kunstgeschichte, die zunächst - um
der Pflichten des historischen Lehramtes willen - zurücktreten
mußte, dann aber, seit 1886 ausschließlich, seine
Kraft in Anspruch nahm. Wenn B.s Werken - in einem
von Curtius und Mommsen, vielleicht auch von Droysen
verantworteten Gutachten anläßlich der Berufung in ein