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Ausgabe:

1971

Spalte:

440-441

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Die rheinisch-schwäbische Provinz bis zum Ende des Mittelalters 1971

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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43!)

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

440

unerwartet. „The fundamental tenets of the two thcolo-
gians are the same. In both cases the rationale explicates
on the one hand the sovereign initiative of God and the
purely receptive role of man, and on the other hand the
real and active participation of man as free creature in Iiis
salvation. What has obscured the underlying unanimity,
as far as the rationale is concerned, has been the misintcr-
pretation of formal terms dialectically or of dialectical
terms formally. Thus, if Gerhard's forensic justification is
interpreted formally it leads to nonsense, to ethical chaos,
and to a denial of man's real participation in salvation"
(235f.). Entsprechendes gilt z.B. für das Verständnis von
meritum: „Gerhard's interpretation of merit illustrates
a transposition from the formal to the dialectical. He must
reject the idea of man's merit because he understands a
recourse to merit as an attempt to find grounds upon
which to defend oneself against God's concretely heard
judgment against sin. He does not understand it as the
term in which the positing freedom of God and the parti-
cipating freedom of man are formally enclosed" (235).
Zur Deutung des sola fide im Tridentinum: ,,if Trent
rejectcd a doctrine which was not really the Reformers'
doctrine..., then Trent cannot have rejected what was
really the Reformation doctrine of justification by faith
alone" (238). Die spezifische Gefahr der „formal-objektiven
" Methode liegt darin, „that its concepts deaden
rather than eidiven the material being interpreted" (ebd.).
Hingegen gilt für Gerhard: „For the dialectical mode the
chicf danger is that the doctrine which is effective in one
Situation is not effective in another. Much of Gerhard's
defense of the doctrine of justification through faith is
entwined with his conviction that the account of man
before God in terms of a court trial has an unfailing dialectical
effectiveness." Aber es ist zweifelhaft, „to assume
that the Situation in which forensic justification was a
dialectically effective doctrine is the only Situation which
is redeemable" (239).

Zur Vereinbarkeit der beiden Grundprinzipien und
ihrer Systeme gibt der Vf. eine doppelte Auskunft. Zunächst
negativ: „The fact that the same elements of
form, dialectic, and paradox are to be found in both
Thomas and Gerhard, though differently emphasized and
differently related, does not mean that there is a final
identity of their whole views. On the contrary, the wholes
are not interchangcable" (241). Doch eine positive Antwort
ist möglich, wenn man nicht fragt, was die beiden
großen Theologen „gesagt", sondern was sie „gesehen"
haben. Es geht um ihr „Zeugnis", genauer: um „die
Vision, auf die Caritas und fides hinweisen" (249). Für
diese Zusammenschau gibt es keinen übergeordneten
„neutralen" Standpunkt (vgl. 243), sondern nur die aufgeschlossene
Sicht für den anderen: „Even though...
thesc two visions are not simple complements of each
other, nor identical with each other, it is possible to appro-
ximate a vicw of the one from within the other and to see,
in the words of I Corinthians 13:12, ,through a glass
darkly'. Surely, one can then hope that fides and Caritas
can be united without being destroyed" (252). Wer
beispielsweise von der protestantischen Überzeugung
Gerhards ausgeht, „that the decisive factor of man's condi-
dition is ultimately not his nature and creaturehood bat
his sin and misery, ... is opened in principlc to regain
everything in all of its richness ... Such a one comes close
to beholding the richness of Thomas' vision" (ebda).

Dem Vf. ist vor allem dafür zu danken, daß er der
Theologie im weiten englischen Sprachbereich die beiden
großen Dogmatiker in einem zentralen Lehrartikcl gründlich
und mit eindringendem Verständnis nahebringt.
Nicht minder dafür, daß mit J. Gerhard ein nahezu vergessener
Lehrer der lutherischen Kirche wieder zu Wort
kommt. Wohltuend ist auch die heute selbstverständlich

gewordene Aufgeschlossenheit, aus eigenem klarem
Standort heraus den ökumenischen Partner von dessen
Denkvoraussetzung und dem daraus folgenden System
her zu verstehen und zu würdigen. Die große Aufgabe
bleibt freilich, die mit Caritas bzw. fides bezeichneten Befunde
und Systeme am Neuen Testament zu prüfen;
dydnrj und man; in ihrem kaum ausgeloteten und jedenfalls
noch nicht voll ausgewerteten Reichtum sollten hier
weiterhelfen können.

Nur am Rande sei gefragt, warum Bcllarmin nicht
direkt aus der Quelle, sondern nur aus Gerhard zitiert
wird (vgl. 109, 173, 175 und 178).

Leipzig August Kimme

Kunzeliuann, Adalbero, OSA: Geschichte der ieuUchen
Augustiner-Eremiten. 11: Die rheinisch-schwäbische Provinz
, bis /.um Ende lies .Mittelalters. Wiir/.burg: Antustiniis-
Verlag 1970. XIX, 324 S. 8° = Cassiciacum, hrsg.' im Auftrag
des Augustinus-Instituts d. deutschen Augustiner v.
A.Kunze]mann u. A.Zumkeller, 2(1, :!. Kart. DM 49,80.

Überraschend schnell erscheint der 2.Teil der „Geschichte
der deutschen Augustiner-Brennten". Der 1. Teil
führte bis zur Aufgliederung der einen großen deutschen
Gesamtprovinz unter Heinrich von Friemar, im Jahre
1299 in vier selbständige Provinzen, die bayerische, sächsisch
-thüringische, kölnische und rheinisch-schwäbische.
Der hier vorliegende 2.Teil behandelt die rheinisch-
schwäbische Provinz bis zum Ausgang des Mittelalters.
Der Vf. bevorzugte wohl gerade diese Provinz, weil die
heutige deutsche Augustinerprovinz die Weiterführung
eben dieser rheinisch-schwäbischen Provinz ist.

Das Buch gliedert sich in fünf Kapitel. Das 1., das
allein mehr als die Hälfte des Buches umfaßt (S.l—161),
berichtet über die Gründung der Provinz, die Gründung
neuer Konvente und befaßt sich mit der Geschichte der
bedeutendsten Konvente wie Straßburg, Mainz, Freiburg
i.Br., Basel, Konstanz, Tübingen und Lauingen. Der
Orden erfreute sich bald der besonderen Förderung durch
das Papsttum, wenn auch Papst Bonifaz VIII. jede
weitere Neugründung von Niederlassungen ohne ausdrückliche
päpstliche Genehmigung verbot. Der italienische
Einschlag des Ordens blieb daher auch stets vorherrschend
; erst mit Thomas von Straßburg (f 1357)
wurde der erste deutsche und zugleich der erste außeritalienische
Ordensgeneral gewählt, und 1403 fand in
Lauingen das letzte Generalkapitel dos Ordens auf deutschem
Boden statt. Das 2. Kapitel (162 -204) schildert die
Geschichte der Provinz bis zum Abendlandischen Schisma
; im Vordergrund des Interesses stellt die Stellung*
nähme des Ordens im Kampf zwischen Ludwig dem
Bayern und dem Papsttum. Damals von 1324-1347 stand
das Gebiet des deutschen Königs unter dem Interdikt; als
papsttreu hielten sich die Augustiner-Eremiten an die
Vorschriften und unterließen in Straßburg 17 Jahre lang
jeden feierlichen Gottesdienst. Die Folge war große Not,
da das Volk sich von ihnen abwandte. Das 3. Kapitel (205
bis 233) bringt eine eingehende Darstellung des abendländischen
Schismas und seiner Auswirkung auf den
Orden, der wie die Gesamtkirchc in zwei Teile zerrissen
wurde. Das 4. Kapitel (234-266) berichtet über die Tätigkeit
des Ordens auf den beiden großen Reformkonzilien
zu Konstanz und Basel, das letzte S.Kapitel (257-300)
über die Ereignisse unter den weiteren Provinzialen des
15. Jahrhunderts.

Der Vf. gibt auch in diesem 2.Bande eine zuverlässige
Darstellung, die die gesicherten Ergebnisse der bisherigen
Forschung präzise zusammenfaßt. Er übernimmt nicht
nur Ergebnisse, sondern prüft sie mit Sorgfalt nach, auch
bei so anerkannten Historikern der Ordensgeschichte wie