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Ausgabe:

1971

Spalte:

436-437

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

The later Christian Fathers 1971

Rezensent:

Schultz, Walter

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

436

zu anderen Mitarbeitern dieser Ausgabe nicht nur die
französische Sekundärliteratur, sondern auch die des
deutschsprachigen und des angelsächsischen Raumes voll
ausgewertet hat, sieht sich der Leser dieses Bandes in ein
Gespräch einbezogen, in dem die Zeugen jüdischer Aus-
lcgungsliteratur und die Stimmen moderner Forschung
gleichermaßen zu Wort kommen, das ihn tiefer in die
Welt Philos hineinführt und bereichert entläßt.

Hallt-, Saale Wolfgang Wiefel

Kurl her, Rosemary lladfortl: Gregory of Nazianzus. Rhetor
and Philosopher. Oxford: Clarendon Press; London: Oxford
Univcrsity Press 1969. VIII, 184 S. 8°. Lw. 40 s.

Das anzuzeigende Buch ist keine theologische Spezialuntersuchung
über Gregor von Nazianz. Die Autorin hat
eine andere Absicht. Sie möchte am Beispiel Gregors die
Probleme aufzeigen, die sich aus der Verbindung von
christlichem Glauben und antiker Kultur ergeben. Insbesondere
will sie den Beziehungen zwischen Philosophie
und Rhetorik dabei nachgehen.

Ihre Einleitung beginnt mit einer Schilderung dieser
Spannung, mit Piatons Kritik an der Sophistik und ihrer
Verteidigung durch Isoltrates. Gregors Studienjahre fallen
nun in die letzte Blütezeit der antiken Sophistik, so
daß seine Schriften für den Themenkreis viel zu bieten
haben.

Im ersten Kapitel schildert die Autorin den Werdegang
Gregors und seine Tätigkeit. Ausführlich werden
seine Studienjahre in Athen dargestellt. Interessant ist
der Hinweis, daß Gregor in dieser Zeit wahrscheinlich
keinen eigentlichen „neuplatonischen" Philosophen kennengelernt
hat. Die platonischen Gedanken sind ihm
durch Origenes vermittelt. Gregors Leben schwankt
ständig zwischen mönchischer Askese und kirchenpolitischer
Wirksamkeit. Gregor fühlt sich zum mönchischen
Leben berufen und wird immer wieder in die kirchenpolitische
Wirksamkeit hineingenötigt: Helfer seines
Vaters, Bischof in Sosima (wohin er nie gekommen ist)
und schließlich sein Gastspiel in Byzanz. Der von der
Autorin gewählte Ausdruck „tragic-comedy" ist sicherlich
zutreffend.

Das zweite - umfangreichste - Kapitel behandelt „Gregory
as Rhetor". Die Autorin lehnt sich hier an das 1911
erschienene Buch von Marcel Guignet (Gregoire de Nazianz
, orateur et epistolier) an. Sie zeigt, wie stark Gregors
Redestil und Sprache durch die rhetorische (sophistische)
Bildung geprägt sind. (Sophistik ist dabei als Ausdrucksform
zu verstehen). Die Autorin untersucht im einzelnen
Gregors Vokabular und Syntax, die Sprech- und die
Denkformen, Sie zeigt weiterhin den sophistischen Einfluß
in den Kunstreden und in der Briefform. Die von der
Sophistik geprägten Stilformen sind auch bei Gregor zu
finden: ßuoihixoQ köyog, iyxdjfmv, imxatpog.

Mit großer Sorgfalt ist hier alles zusammengetragen,
was über die Stilistik Gregors zu sagen ist. Auch wenn die
Zusammenstellung nicht wesentlich Neues zu bringen
vermag, hat sie doch ihren Wert. Um seiner meisterhaften
Beherrschung der griechischen Sprache willen hat Gregor
in der Folgezeit höchstes Ansehen genossen, ja er wurde
als „zweiter Demosthenes" gelobt.

Das dritte Kapitel handelt von Gregors Stellung zum
„philosophischen Leben". Das asketische und kontemplative
Leben ist ja das „Lebensideal" des Kirchenvaters.
In diesem „philosophischen Leben" verwirklicht der
Mensch seine eigene, innere göttliche Natur. Es hat die
Aufgabe der inneren xd&aijmg. Gregor kennt aber sehr
gut die Spannung zwischen dem kontemplativen und dem
praktischen Leben. Er kennt die Aufgabe, die der Kirche
in der (konstantinischen) Welt gestellt ist. So kann er

nicht bei einer rein negativen Weltbewertung stehen bleiben
. Zum Problem „ascetism and contemplation" stellt
die Verfasserin fest, daß das Verständnis des philosophisch
-asketischen Lebens auf Plato zurückgeht und
durch Origenes vermittelt ist. Der Versuch der Übernahme
dieses Gedankensystems ist nicht als voll geglückt zu bezeichnen
.

In den Schlußabschnitten fragt die Autorin nach der
bewußten Stellung Gregors zur Rhetorik und zur Philosophie
. Gregor ist in seinem Stil und seiner Denkweise
durch die Rhetorik geprägt und möchte es nicht sein.
Gregor verdammt die Rhetorik und kann ihr nicht entgehen
. So müht er sich um eine christliche Rhetorik, die
der Ehre Gottes dienen soll.

Ganz ähnlich ist die Stellung zur Philosophie. Gregor
will keine Abhängigkeit des christlichen Gedankenguts
von den klassischen philosophischen Gedanken zugestehen
. Seine Stellung zur Philosophie ist oftmals feindselig
und ablehnend. Und doch muß er seine theologischen Gedanken
in den Denkformen der griechischen Philosophie
ausdrücken, weil es zu seiner Zeit gar nicht anders geht.

Die Lösung dieser Spannung ist auch Gregor nicht wirklich
geglückt.

Einige Anhänge schließen die Arbeit ab. Ein Verzeichnis
gibt Auskunft über die von Gregor genannten griechischen
Autoren (Homer und Plato stehen obenan). Es ist
unvollständig, wie die Autorin selbst sagt. Wer könnte
wohl die vielen oft unbewußten Entlehnungen anführen?
Plotinist beispielsweise nicht genannt, seine Formulierungen
dürften aber auch bei Gregor nachwirken, selbst wenn
eine direkte Bekanntschaft nicht vorliegt. Der zweite Anhang
bringt eine Chronologie von Gregors Schriften.
Schließlich folgt eine (allerdings wohl nicht vollständige)
Bibliographie. Es fehlen z.B. italienische Veröffentlichungen
.

Die Arbeit der Autorin bringt wohl nichts wesentlich
Neues. Es ist aber eindrücklich, wenn so am Beispiel eines
Kirchenvaters die vielfältige Beziehung zwischen Christentum
und klassischer Bildung deutlich gemacht wird
und wenn die Probleme dieser Beziehungen so klar gezeigt
werden.

Man hätte es gewünscht, daß alle Zitate aus Gregor in
der griechischen Ursprache gebracht worden wären. In
der Übersetzung geht die Feinheit und Schönheit dieser
Sprache verloren - und von einem Leser einer solchen
Arbeit wird man erwarten können, daß er Gregor in der
Ursprache liest. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die
griechischen Begriffe meist in lateinischer Transkription
und nur selten in der griechischen Urschrift gebracht
sind.

Schönaich« bei Berlin Walter Schultz

Bettenson, Henry: The Laier Christian Fathers. A selection
from the writings of the Fathers from St.Cyril of Jerusalem
to St. Leo the Great, edited and translated. London-New
York-Toronto: Oxford Univcrsity Press 1970. VII, 294 &
8°. Lw. 30 s.

Der vorliegende Band ist eine Fortsetzung des Bandes
„The early Christian fathers". In diesem Bande werden
Auszüge aus dem Schrifttum der Kirchenväter zwischen
dem Konzil von Nizäa (325) und dem von Chalcedon
dargeboten. Folgende Schriftsteller sind in dem Band berücksichtigt
: Cyrill von Jerusalem, Hilarius von Poitiers,
die drei großen Kappadozier (Basilius, Gregor von Nazianz
und Gregor von Nyssa), Theodor von Mopsuestia,
Johannes Chrysostomos, Ambrosius, Hieronymus, Augustinus
, Cyrill von Alexandria, Theodoret von Cyrus und
schließlich Leo von Rom mit seinem Lehrschreiben an
Flavian,