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Ausgabe:

1971

Spalte:

431-433

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Affeldt, Werner

Titel/Untertitel:

Die weltliche Gewalt in der Paulus-Exegese 1971

Rezensent:

Boor, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung OG. Jahrgang 1971 Nr. 6

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gerade nicht die Einsicht, daß „Glauben und Verstehen"
zusammengehören.

Dennoch: Das Buch von G.Klein ist ein wichtiges und
notwendiges Buch - so „ärgerlich'' es in mancherlei Hinsicht
auch sein mag und sein will. Man wünschte ihm
einen möglichst großen Leserkreis - im übrigen nicht mitunter
den sog. Laien, für die es in erster Linie gedacht
ist, sondern auch unter den Theologen im Gemeindeamt:
Denn in den einzelnen Beiträgen dieses Bandes wird in der
Tat mustergültig vorgeführt, daß es durchaus keine Notwendigkeit
ist, die im Verlaufe des Studiums mühsam erworbenen
„historisch-kritischen" Kenntnisse und Einsichten
in der Konfrontation mit der „Gemeindefrömmigkeit
" alsbald wieder preiszugeben, und zwar zugunsten
eines Fundamentalismus und Biblizismus, der sich
dann doch wieder mit dem begnügt, „was da steht", auf
eine „kritische Interpretation" also verzichtet. Ganz gewiß
: „leichter" wird es nicht, wenn man sich auf das einläßt
, was G. Klein in seinen Arbeiten beabsichtigt, aber
unter der Anleitung eines so sachkundigen Beraters, wie
G. Klein es ist, läßt sich doch wohl manches lernen, „wie
es zu machen ist".

Jena Bans-Friedrich Weiß

Affeldt, Werner: Die weltliche Gewalt in der Paulus-Exegese.

Rom. 13,1-7 in den Römerbriefkommentaren der lateinischen
Kirche bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Gott ingen:
Vandenhoeok & Ruprecht 1969. 317 S. gr. 8° = Forschungen
zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 22. Kart, DM 42,-.

Die vorliegende Untersuchung ist eine „gründlich überarbeitete
und vor allem in der Einleitung erweiterte"
historische Dissertation aus dem Jahre 1950 (S.6). A. verweist
zu Recht auf die „unverminderte Aktualität" des
Paulustextes und den Nutzen der Auslegungsgesehichte
„für die heutige Exegese". Er glaubt, daß seine Untersuchung
„zu einigen Aufschlüssen geführt ... und neben
einigen neueren Arbeiten, die sich in größerem oder kleinerem
Rahmen gleichfalls mit der Geschichte der Auslegung
von Rom. 13,1-7 befassen, ihre Berechtigung" hat.
Das gilt vor allem in methodischer Hinsicht, da „man
mit einer auslegungsgeschichtlichen Untersuchung bis zu
einem gewissen Grade noch immer Neuland" betritt. So
soll „der vorliegende Versuch ... auch dazu anregen, die
hierbei auftretenden methodischen Probleme weiter zu
durchdenken und an anderen Beispielen Erfahrungen zu
sammeln" (S.5). Obwohl hier „eigentlich weniger der
Historiker als der Theologe das Wort hat" (S.20), wird
gerade der Theologe nach diesen Ankündigungen mit
einigem Interesse an die Lektüre des Werkes gehen.

In der Einleitung gibt A. zunächst einen Überblick über
die „patristische und scholastische Exegese in der neueren
Forschung", er erörtert ferner die ihn besonders interessierenden
methodischen Fragen und referiert abschließend
die Ergebnisse der neueren Exegese zu Rom 13
(S. 17-35). Dann folgen die Analysen der wichtigsten
Römerbriefkommentare. Ihnen wird für die einzelnen
Zeitabschnitte jeweils ein allgemeiner Teil voran- oder
nachgestellt, in dem A. die Form der Kommentare, den
Stand der exegetischen Methode, die Überlieferungsgeschichte
und die Ergebnisse für die Auslegung von
Rom 13 zusammenfassend erörtert. Für die Patristik
untersucht er Irenaus, Origenes, den Ambrosiaster, Augustin
und Pelagius (S.36-111), für die Vorscholastik Sedu-
lius Scottus, Haimo von Auxerre und Atto von Vercelli
(S. 112-135), für die erste Periode der Frühscholastik
einen anonymen Kommentar aus der Schule Lanfrancs
von Canterbury, die „parva glossatura" des Anselm von
Laon, Petrus Abälard und die „magna glossatura" des

Petrus Lombardus (S. 136-160), für die zweite Periode
Robert von Melun, Pseudo-Hugo von St. Viktor, einen
anonymen Kommentar zur „media glossatura" des Gil-
bertus Porreta und Stephan Langton (S. 161-198), für die
Hochscholastik schließlich Hugo von St.Cher, Johannes
von La Rochelle, Petrus von Tarantaise, Thomas von
Aquin und Nikolaus voii Gorran (S. 199-249). Nach einem
kurzen Rückblick (S.250-252) folgen zwei kleinere literar-
kritische Exkurse (S. 253 -255), ein Verzeichnis derRömer-
briefkommentare der lateinischen Kirche bis zu Nikolaus
v. Lyra (S. 256-285), ausgewählte Texte zu Rom. 13 aus
ungedruckten Kommentaren (S. 286-313) und ein Namenregister
(S.314-317). Das Literaturverzeichnis (S.10-14)
enthält nur die häufiger zitierten Arbeiten.

A. hat die Quellen gründlich studiert und .sich bemüht,
die einzelnen Aussagen jeweils umfassend aus dem Kontext
heraus zu interpretieren. Für die Patristik konnte er
dabei auf die bereits vorliegenden Untersuchungen aufbauen
. Dagegen hat er für die Scholastik weithin Pionierarbeit
geleistet. Durch ausführliche Zitierung und sorgfältige
Kommentierung ermöglicht er es, daß der Leser
die Analysen der entscheidenden Abschnitte „mitvollziehen
und kontrollieren" kann (S.23). Zugleich erhält
man einen Einblick in die Verzweigungen der Überlieferungsgeschichte
, die Eigentümlichkeiten mittelalterlicher
Exegese und die Schwierigkeiten einer sachgemäßen
Interpretation.

Trotzdem bleibt die Lektüre des Werkes enttäuschend.
Das liegt z.T. daran, daß A. selbst in seinen einleitenden
Bemerkungen die Erwartungen zu hoch geschraubt hat.
Er wollte zeigen, „wie die Theologen der Patristik und des
Mittelalters diesen Paulustext auslegten und welche
Dienste ihnen diese Exegese ... bei dem Bemühen leistete,
zu einem Selbstverständnis im Hinblick auf ihre Haltung
gegenüber den weltlichen Gewalten ihrer Zeit zu kommen"
(S.5). Davon ist am Schluß der Untersuchung nicht- mehr
die Rede. Vielmehr formuliert A. als Ergebnis, „daß die
Kommentare einen entscheidenden Beitrag zur mittelalterlichen
Staatsauffassung nicht geleistet haben, wenn
man von der Patristik absieht". Die Ursachen sieht A.
einmal in „den hermeneutischen Prinzipien" der Zeit,
vor allem in der strengen „Bindung an die Tradition",
zum anderen aber in dem Paulustext selbst, der ein „sehr
viel wichtigeres Hindernis für die ungehemmte gedankliche
Entwicklung der Auffassungen von der weltlichen
Gewalt in den Kommentaren" war. So ist die mittelalterliche
Exegese von Rom 13 „vielfach in vorgezeichneten
Bahnen verlaufen". „Die Substanz der paulini-
schen Aussagen wurde zwar auf diese Weise in den meisten
Fällen nicht angetastet, vielmehr bewahrt und zum geistigen
Besitz der Exegeten, ihre Kommentare jedoch lassen
selbständige Aussage und eigenes Gepräge nicht selten so
sehr vermissen, daß die Auseinandersetzung mit ihnen
oft nur verhältnismäßig geringen Gewinn bringt" (S.252).

Es ist zu begrüßen, daß A. das negative Ergebnis seiner
Untersuchung selbst so klar formuliert hat. Auch negative
Resultate fördern die wissenschaftliche Erkenntnis.
Schwerwiegender als dieser Widerspruch zwischen Ankündigung
und Ergebnis scheint mir die Doppelgleisigkeit
der Zielstellung zu sein. Die Arbeit hatte ursprünglich
die Aufgabe, durch die Analyse der Kommentare zu
Rom 13 „Quellen für die mittelalterliche politische Theorie
und ihre Entwicklung zu erschließen, die bisher nicht
genügend beachtet worden waren". Diese Untersuchungen
haben sich dann „unter der Hand auch zu einer Auslegungsgeschichte
von Rom 13,1-7 entwickelt" (S.20).
Sicher ist es verdienstvoll, wenn in einer historischen
Dissertation die Ergebnisse der Auslegungsgeschichte berücksichtigt
werden, und es nötigt Hochachtung ab, wie
A. sich in die Problematik und die Terminologie dieser
Forschungsrichtung eingearbeitet hat. Aber der Leser ge-