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Ausgabe:

1971

Spalte:

428-429

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lührmann, Dieter

Titel/Untertitel:

Die Redaktion der Logienquelle 1971

Rezensent:

Betz, Hans Dieter

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

428

156). Er gliedert den ersten Hymnus in drei Strophen zu
je vier Zeilen, den zweiten in drei Strophen zu je drei
Zeilen. Für paulinische Zusätze in Phil 2 hält er nicht nur
die Bezugnahme auf das Kreuz (V.8), sondern ebenso die
Trias der Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen in
V.10 und den doxologischen Abschluß in V.II. - K.-P.
Jörns interpretiert die Gleichnisse Jesu als „Wort Gottes
", insofern sie Rede von Gott sind, die Jesu zweideutiges
Handeln eindeutig als Gnade verstehbar macht (157
bis 178). Die Gleichnisse machen deutlich, daß weder
Gott als „Vorgang" noch die Gnade als Selbstannahme
des Sünders sachgemäß begriffen werden können. -
B.Lohse ist bemüht, durch einen Vergleich mit Ptole-
mäus den theologiegeschichtlichen Ort der Passa-Homilie
des Melition von Sardes schärfer zu bestimmen. Im Ergebnis
legt sich die Vermutung nahe, daß beide Autoren
dieselbe Tradition, nur in verschiedener Weise, aufgenommen
haben. - E.Lohse verfolgt die Funktion des
„Ich aber sage euch" bei den Rabbinen, bei Jesus und bei
Matthäus. Leitet diese Wendung bei den Tannaiten eine
von der herrschenden Auffassung abweichende Meinung
ein, so bei Jesus die radikalisierende Auslegung des im
Gesetz überlieferten Gotteswortes, um schließlich für
Matthäus und seine Gemeinde Ausdruck der messia-
nischen Vollmacht Jesu zu werden (189-203). - N.Per-
rin unterscheidet drei Traditionen bzw. Formen des Gebrauches
von paradidonai in Verbindung mit der Passion
Jesu im Neuen Testament: a) den rein technischen Gebrauch
ohne einen spezifisch theologischen Akzent, b) den
apologetischen Gebrauch im Passiv, c) den soteriolo-
gischen Gebrauch im Aktiv mit einem reflexiven Objekt
(204-212). Der erste Gebrauch dürfte der älteste, der
dritte der jüngste sein. - F.Rehkopf plädiert für eine
verstärkte Behandlung von syntaktisch schwierigen oder
sprachlich unklaren Stellen in der geplanten Neubearbeitung
der Grammatik Blaß-Debrunner und erläutert
dies mit Beispielen für den Genitivus absolutus
und die Litotes (213-225). - B.Schaller untersucht
„Die Sprüche über Ehescheidung und Wiederheirat in der
synoptischen Überlieferung" (226-246). Auf Jesus selbst
zurück geht nur das strikte Verbot der Ehescheidung in
Mk 10,9. Am Anfang der nachösterlichen Spruchbildungen
steht die aus einer aramäisch sprechenden Umwelt
stammende Fassung von Mk 10,11, die primär an das
Verbot der Wiederheirat nach erfolgter Ehescheidung
denkt. - R.Storch geht der „Auslegungsgeschichte von
Mk 14,4f." nach (247-258). Sie zeigt, daß der Einwand
zugunsten der Armen schon bei Mk ansatzweise entschärft
, vor allem aber in der für die spätere Auslegungsgeschichte
wichtigen johanneischen Fassung tendenziös
entstellt wird. Dieser negativen Akzentuierung der Salbungsgeschichte
entspricht der mangelnde Einsatz der
Kirche für die Armen und Elenden. - H.-Th.Wrege
handelt über „Jesusgeschichte und Jüngergeschick nach
Joh 12,20-33 und Hebr 5,7-10" (259-288). Beide Texte
zeichnen den Weg Jesu und den Weg seiner Jünger in
gleicher Weise, beide sind vom weisheitlichen Denken geprägt
. Der Grundsatz „Wie Christus - so auch die Jünger
" erweist sich damit als eine „Vorstruktur", die nicht
ohne religionsgeschichtliche Voraussetzungen ist. - Ein
Register der besprochenen Bibelstellen beschließt den
Band.

Wer aufmerksam diese durchweg anregenden Beiträge
liest und zugleich die Arbeiten von J. Jeremias kennt,
wird ermessen können, in welchem Maße die Schüler
nicht nur dem Lehrer gefolgt, sondern auch über ihn
hinausgewachsen sind. Beide, Lehrer wie Schüler, sind
jedenfalls zu dieser Festschrift nur zu beglückwünschen.

Leipzig GQuter Haufe

Lührmann, Dieter: Die Redaktion der Logienquelle. Anhang:
Zur weiteren Überlieferung der Logienquelle. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag d. Erziehungsvereins [1909].
138 S. gr. 8° = Wissenschaft!. Monographien ?.. Alten tr.
Neuen Testament, in Verb. m. F. Hahn u. O.H. Steck hrsg.
v. G. Bornkamm u. G.v.Rad, 33. DM 24,80; Lw. DM 27,80.

In seiner hiermit vorgelegten Heidelberger Habilitationsschrift
(angenommen im Sommersemester 1968)
hat Vf. sich zur Aufgabe gestellt nachzuweisen, „daß die
Frage nach der Redaktion und weiteren Überlieferung
von Q sinnvoll gestellt werden kann" (Vorwort). Diese
Fragestellung ergebe sich auf Grund der bisherigen Forschung
an den Quellen der Synoptiker (S. 11 ff.). Auf den
Erkenntnissen der Literarkritik, Formgeschichte und
Redaktionsgeschichte fußend, müsse nunmehr die Frage
gestellt werden, ob sich redaktionelle Bearbeitung vorgegebener
Stoffe schon in dem Material nachweisen lasse,
welches die Evangelienverfasser dann in ihre Darstellung
aufgenommen und weiter redaktionell umgestaltet haben.
Der damit vollzogene Schritt legt sich in der Tat schon
angesichts des Begriffes „Redaktionsgeschichte" nahe,
denn dieser Begriff deutet ja an, daß die jeweilige redaktionelle
Bearbeitung in eine Geschichte solcher Redaktion
hineingestellt werden kann. Vf. führt seine These an
der Spruchquelle Q durch, obwohl diese Quelle selbst
erst aus den Evangelien, d.h. aus einer späteren Redaktion
, rekonstruiert werden muß. Die methodischen
Schwierigkeiten liegen damit auf der Hand. Einerseits
muß sich bewußte Redaktion von bloßer Tradition unterscheiden
lassen; andererseits müssen Kriterien entwickelt
werden, die es gestatten zu entscheiden, ob eine redaktionelle
Tätigkeit einem der Evangelienverfasser oder
bereits dem ihm vorausliegenden Überlieferungsmaterial
zuzusprechen ist. Vf. zeigt jedoch, daß sich interessante
Beobachtungen machen lassen, wenn man die methodischen
Schwierigkeiten von vornherein in die Untersuchung
einbezieht.

Im exegetischen Hauptteil (S.24ff.) werden drei Textgruppen
untersucht, an denen sich die Redaktion der
Logienquelle am deutlichsten zeigt. Die erste Gruppe
(„Jesus und ,dieses Geschlecht'") wird gebildet durch
Lk 7,18-35; 3,7-9.17 ; 11,14-26.29-32; 11,39-52 Parr., die
zweite („Die Gemeinde") durch Lk 12,2-9; 6,20-49;
7,1-10; 9,57-60 (61f.); 10,2-12; 10,13-15.21f. Parr. und
die dritte („Die Eschatologie") durch Lk 12,39f.41-46;
19,12-27; 17,24.26-30.34137 Parr. Der Teil schließt ab
mit einem Exkurs „Noah und Lot" (Lk 17,26-29).

Vf. weist überzeugend nach, daß die den Evangelienverfassern
vorliegende Spruchquelle nicht bloß als
„Sammlung" von Traditionsmaterial angesehen werden
kann, sondern daß sich darüber ermitteln läßt, daß dieses
Material bewußt durch theologische Tendenzen gestaltet
worden ist. Sind diese Tendenzen erkannt, läßt sich Q in
die Geschichte des Urchristentums einordnen (S.84ff.).
Als solche theologische Motive ergeben sich: der Gegensatz
zwischen Jesus bzw. den Verkündigern der Jesusbotschaft
, und Israel, d.h. dem Judentum; das Verständnis
Jesu als des Offenbarers und als des kommenden
Menschensohnes, der im Gericht seine Gemeinde retten
wird; das Verständnis der Gemeinde als „der Nachfolgenden
", d.h. derer, die die Verkündigung Jesu fortsetzen
und Israel das Gericht ankündigen. Einzelne dieser
Motive lassen sich bis auf den historischen Jesus zurückverfolgen
. Klarer zeichnet sich aber die Nachgeschichte
bei den Evangelienverfassern und sonst im urchristlichen
Schrifttum ab. Weiterhin ergibt sich, daß diese theologischen
Tendenzen in engem Zusammenhang mit der Art
und Entwicklung der literarischen Formen stehen, in
denen sie sich ausdrücken. Q ist demnach nichts anderes
als ein bestimmter Punkt eines literarischen Überlieferungsprozesses
. Da Ereignisse wie der Bruch mit dem