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Ausgabe:

1971

Spalte:

424-425

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eissfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Adonis und Adonaj 1971

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 6

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besatzung überfallen wird. Die Passagiere werden getötet,
ihr Gepäck geplündert, ein Jude entkommt. Da auf diesem
Schiff Münzen transportiert werden, für die ein
mitreisender Jude die Haftung übernommen hatte, entsteht
die Frage, ob hier ein Fall von Pirateneingriff vorliegt
oder nicht. Der Vf. schildert die Entscheidung des
berühmten rabbinischen Gelehrten Moses Alshech von
Safed (1508-1600) als Beispiel für die Anpassung jüdischer
Rechtsgelehrtheit an Fälle des Seerechts. - Jakob
J. Petuchowski, „From Censorship prevention to theolo-
gical Reform. A Study in the Modern Jewish Prayerbook"
(S.299-324) zeigt in einer liturgischen Studie, wie jüdische
Gebetbücher der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
in Glossen und Anmerkungen auf antisemitische Tendenzen
Rücksicht nehmen und verkehrten Ausdeutungen
vorbeugen wollen. Der Vf. führt die Änderungen auf gewisse
theologische Tendenzen des orthodoxen undReform-
judentums zurück. Die Arbeit, mit verschiedenen Tabellen
und Übersichtstafeln ausgestattet, stellt einen ausgezeichneten
Beitrag zur jüdischen Frömmigkeitsgeschichte dar. -
Arvin J. Reines, „Maimonides' Concept of Mosaic Pro-
phecy" (S. 325-361) setzt seine Maimonides-Forschungen
mit einer Phänomenologie der mosaisch-nachmosaischen
Prophetie fort mit dem Ergebnis, daß die Propheten nach
Moses nur die Aufgabe hatten, das Volk zum Gehorsam
gegen das Mosaische Gesetz zu ermahnen (S.360). -
Samuel Atlas, „Solomon Maimon's Doctrine of Fiction
and Imagination" (S.363-389) liefert einen gewichtigen
philosophiegeschichtlichen Beitrag zu dem metaphysischen
Bild der Welt als einer Ganzheit im umfassenden
philosophischen Denken des Maimonides. Die geistigen
Verbindungslinien zu anderen Denkern wie Kant, Hans
Vaihingcr, Ernst Cassirer und Hermann Cohen werden
deutlich ausgezogen. S.388f bietet eine gute Zusammenfassung
der Gedanken des Maimonides. - Eugene B.Boro-
witz, „The Problem of the Form of a Jewish Theology"
(S.391-408) bespricht die Entwürfe einer jüdisch-systematischen
Theologie von Baeck, Kaplan, Buber und He-
sehel sowie Franz Rosenzweig und wertet sie kritisch aus
mit einer Tendenz gegen das mittelalterlich-jüdische
Diaspora-Denken und mit starker Betonung, daß die Erfassung
und Beschreibung der Beziehung zwischen Gott-
Israel-Thora die erste Aufgabe einer modernen jüdischen
Theologie sei. - Jacob Rader Marcus, „The Handsome
Young Priest in the Black Gown. The Personal World
of Gershon Seixas" (S. 409-467), schildert die Gestalt und
das Wirken von Gershon Seixas in seiner umfangreichen,
politischen, pädagogischen, homiletischen und publizistischen
Tätigkeit unter Berücksichtigung zeitkritischer
Elemente und geistesgeschichtlicher Beziige bis zu Voltaire
und zur Vorgeschichte der französischen Revolution
. - Der Beitrag von Bertram Wallace Korn, „The
Jews of Mobile Alabama, prior to the Organization of the
First Congregation in 1841" (S. 469-502) ist mehr gemeinde
- und siedlungsgeschichtlich orientiert hinsichtlich
der Einwanderung von Juden und der Bildung erster
jüdischer Gemeinden in dem im Thema bezeichneten
geographischen Gebiet. Alte Bürgerbücher und Landverteilungslisten
sind in ihren Einzelangaben gut und
kühn kombiniert worden. Boich an Hinzelbcolwhtungen
weiß der Vf. von einem für die jüdischen Gemeinden bedeutsamen
jüdischen Arzt, der mit einer Christin verheiratet
war und desseu beide Kinder mit dem Judentum
nichts mehr zu tun hatten, zu berichten. - Ezra Spice-
handler, „Joshua Heschel Schorr - The Mature Years"
(S. 503-528). Der Vf. hat schon in HUCA 31,1960, 181 bis
222 (ThLZ 88, 1963, Sp.267) einen Aufsatz über den Genannten
veröffentlicht. Die jetzt vorgelegte Arbeit bringt
einen reichen Einblick in die publizistische Tätigkeit des
Genannten, seine häufig modern anmutenden Gedanken
und seine vom Antiklerikalismus der Zeit getragenen

Angriffe gegen das Rabbinat seiner Zeit, verbunden mit
einer starken Tendenz gegen die talmudische Frömmigkeit
. Eingehend hat der Autor die bibelkritischen Beiträge
von Schorr gewürdigt, aber auch seine persönliche
Lebensführung beleuchtet. Schorr lebte ärmlich, hinterließ
aber ein großes Vermögen und eine große Bibliothek,
die er beide dem Wiener Rabbiner-Seminar vermachte.
Zu Leopold Zunz soll er in einem guten freundschaftlichen
Verhältnis gestanden haben (S.523). - Ebenfalls in die
neuere Geschichte des Judentums führt der Beitrag von
Michael A.Meyer über „Caesar Seligmann and the Development
of liberal Judaism in Germany at the Beginning
of the Twentieth Century" (S.529-554). Der Autor schildert
die Bestrebungen zur Herausbildung der Bewegung
des liberalen Judentums in geistiger und organisatorischer
Gestalt, wobei er auch den Einfluß Adolf von Har-
nacks vor dem ersten Weltkrieg gebührend berücksichtigt
(S.533). Seligmanns treffliche Formulierung vom
„Willen zum Judentum" wird gebührend gewürdigt. Der
Weltkrieg störte diese liberal-jüdische Bewegung schwer,
aber der Vf. sieht auch die Tatsache, daß das liberale.
Judentum kaum einen Einfluß auf die Jugend gewann
und keine jüdische Jugendbewegung ins Leben rufen
konnte, während die zionistische Bewegung dies im hervorragenden
Maße konnte. In dem Aufsatz sind die handschriftlichen
, heute im Leo-Baeck-Institut in New York
aufbewahrten Lebenserinnerungen von Rabbi Caesar
Seligmann verwertet. - Herbert C.Zarfen, „The Value of
Face Value" (S.555-578). Dieser Aufsatz ist besonders
methodologisch für die Geschichte des hebräischen gedruckten
Buches und seiner jeweiligen Ausstattung von
besonderer Wichtigkeit und Bedeutung, indem er die
Druckerzeugnisse des Buchdruckers Shabtai Bass in Dy-
hernfurth bei Breslau von 1689-1718 untersucht im
Zusammenhang mit der Tatsache, daß jener vorher in
Amsterdam tätig war und als besondere Druckermarke
den „kleinen Mann, der eine Notentafel vor sich hält",
verwendete. Der Aufsatz ist für bibliographische und
bibliothekarische Forschung von besonderer Wichtigkeit
wegen der Subtilität seiner Beweisführung. - Ben Zion
Wacholder steuert einen hebräisch geschriebenen Aufsatz
bei (S.l-30 hebräisch). Da der hebräischen Titelangabe
zugleich eine englische Übersetzung beigegeben
ist, sei diese hier aufgeführt: Supplement to the Priuted
Edition of the Tosafot Yesanim, Yavamot, Chapter I
(From a Manuscript in the Klau Library, Hebrew Union
College - Jewish Institute of Religion, Cincinnati).

Leipzig Hau» Bardtk«!

Eillfcldt, Otto: Adonis und Adonaj. Berlin: Akademie-Verlag
1970. 28 S., 15 Taf. 8° = Sitzungsberichte d. Sächsischen
Akademie d. Wissenschaften zu Leipzig. Piniol.-tust. Klasse,
Bd. 115, Heft 4. M (i,-.

Der Altmeister der antik-vorderorientalischen Religionsgeschichte
, Otto Eißfeldt, macht mit dieser Akademie
-Publikation auf ein Problem aufmerksam, das
noch immer seiner Lösung harrt: Klärung des Verhältnisses
der beiden linguistisch doch offenbar verwandten
Namen Adonis und Adonaj zueinander. Beide haben im
antiken Vorderen Orient ihren festen Platz, Adonaj bis
jetzt nur im Alten Testament ([noch] nicht in Ugarit),
Adonis an den verschiedensten Stellen des alten Nahostraumes
und dabei in den unterschiedlichsten Kultregionen
wirksam. So eng die sprachliche Verwandtschaft zu
sein scheint, so wenig haben diese beiden Gestalten im
Wesen etwas miteinander zu tun. In der von Eißfeldt
gewohnten Weise werden nun Texte, Inschriften und
archäologische Befunde herangezogen, miteinander vor-