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Ausgabe:

1971

Spalte:

17-19

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dommershausen, Werner

Titel/Untertitel:

Die Estherrolle 1971

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 1

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Begriff der „Dialektik" zwischen K. und Hegel nicht besonders
klar ausgeführt und die Forschung hier wohl nicht
weitergeführt hat.

Wenn man weiß, wie tief Dr. M. in K.s Gedankenwelt
eingedrungen ist, ist man darauf gespannt, wie er
das Verhältnis zwischen Religiosität A und B versteht. Ich
beschränke mich auf die Hauptfrage, wie es sich eigentlich
mit den ethisch-religiösen Forderungen innerhalb der Religiosität
A verhält. Natürlich weiß M„ dafj diese Religiosität
gemäß K. (oder Climacus) sich auch im Heidentum
findet und daß sie die humane Existenz an ihre äußerste
Grenze führt. In der näheren Ausführung aber sagt M., dafj
wir den Unterschied zwischen den beiden Arten der Religiosität
am besten verstehen, wenn wir die Religiosität A mit
ihrem Confinium an das Stadium des Humors von den
ethisch-religiösen Forderungen des Christentums her verstehen
, während die Religiosität B ganz von Christi Heils-
Werk abhängig ist, das dem Menschen, der seine eigenen
Möglichkeiten ausgeschöpft hat, angeboten wird. Das ist
also — gegen Olesen Larsen — Geismars Linie, die weitergeführt
wird, aber mit der sehr wichtigen Hinzufügung,
dafj die Idealität in der Religiosität A von den ethisch-re-
lig losen Forderungen des Christentums genährt ist. Haben
wir in dieser Interpretation einen Schlüssel zu der Tatsache
, daß Sokrates, der ja doch eigentlich das große Beispiel
der Religiosität A ist, nicht in Schuldbewußtsein zusammenbricht
, während doch gemäß der „Nachschrift" diese
Existenzweise dazu führen muß? Falls dies richtig ist,
hat also Climacus die ethisch-religiösen Forderungen des
Christentums in die Religiosität A hineingeschmuggelt. Das
mag sein. Dann ist aber K. (Climacus) hier furchtbar und
hilflos unklar. Und was hätte wohl Olesen Larsen gesagt,
wenn behauptet wurde, daß in der Religiosität B die
ethisch-religiösen Vorstellungen, die teilweise im Heidentum
vorhanden waren, im Christentum aufs neue potenziert
Werden? Dies war ja gerade die Anschauung bei Geismar,
Segen die er so schonungslos protestierte. Das berücksichtigt
aber Dr. M. überhaupt nicht.

Merkwürdigerweise behauptet Dr. M. (wie auch der
eben verstorbene Forscher, Pastor Villads Chrestensen), K.
sei erst durch die Erlebnisse um Ostern 1848 in das eigentliche
Christliche hineingedrungen. Bis dahin stünde er eigentlich
auf dem gleichen Standpunkt wie Climacus, daß
er auf das verheißene Land hinweisen, aber nicht selber
dort hinkommen könne. Richtig sagt M., daß K. klar dazwischen
unterscheidet, an Christus als Gottes Offenbarung
und an die Sündenvergebung in Christus zu glauben. Das
letztere habe er erst 1848 erreicht. Hier kann ich nicht mitgehen
. Schon die Art, wie er am Schluß der Schrift „Begriff
Angst" davon redet „in der Versöhnung auszuruhen", macht
mir das unmöglich.

Auch kann ich nicht dem Vf. Folge leisten, wenn er meint,
daß jeder Mensch, um Christ zu werden, gemäß K., die
ganze Reihe der „Stadien" durchmachen müsse. Der Ausdruck
„Stadien" ist unglücklich gewählt. Dr. Himmeistrup
hat in seinem „Terminologischen Register" zur zweiten Gesamtausgabe
der Werke K.s das Wort richtig mit „Standpunkt
" verdeutlicht. Klar ist es, daß K. (Climacus) in der
„Nachschrift" kräftig unterstreicht, daß man das Stadium
der „ Religiosität A" bis zum hoffnungslosen Zusammenbruch
in Schuldbewußtsein durchmachen muß, ehe man durch diese
enge Pforte in die „Religiosität B" richtig hineinkommen
kann. Aber ähnliches gilt doch, sofern ich sehe, nicht hinsichtlich
der „früheren" Stadien.

Überhaupt muß man m. E. sagen, daß Malantschuk K.
zu konsequent systematisiert hat. Trotz aller kritischen
Einwände ist das Buch aber wirklich eine bedeutungsvolle
und dankenswerte Leistung.

Und hier muß ich haltmachen. Es wäre verlockend,
auch neuere deutschsprachige Studien über K. zu berücksichtigen
, etwa kritische Randanmerkungen zu Jürgen Molt-
manns Kritik an K. oder lobende Worte über die Studie
von Frank-Eberhard Wilde: „Kierkegaards Verständnis der
Existenz", 1969, zu äußern. Dies würde aber hier viel zu
weit führen.

ALTES TESTAMENT

Dommershausen, Werner: Die Estherrolle. Stil und Ziel
einer alttestamentlichen Schrift. Stuttgart: Katholisches
Bibelwerk 1968. 174 S. gr.80 = Stuttgarter biblische Mo-
n°graphien, hrsg. v. J. Haspecker u. W. Pesch, 6. Kart.
DM 20.-.

Im Untertitel der vorliegenden Schrift ist die Untersuchung
inhaltlich umrissen: „Stil und Ziel einer alttesta-
mentlichen Schrift". Dabei wird der Begriff „Stil" weit ge-
j^ftt, „alle Elemente der sprachlichen Gestaltung sind stilbildend
und stiltragend" (S. 12). Unter „Ziel" wird „der
Aussagewillen der literarischen Einheit" verstanden. Der
"f. vertritt die Einheitlichkeit der Esthererzählung, wenn
auch der Estherautor verschiedene Traditionen und Motive
benutzt hat. Hierin wird man dem verdienstvollen Vf. voll
zustimmen können. Vier methodische Schritte entwickelt
er sodann, nämlich die Abgrenzung kleinerer Einheiten
auf Grund des Stils, also Abgrenzung von Szenen bzw.
Erzählabschnitten, wobei der Vf. die größeren Erzählabschnitte
noch in kleinere Szenen gliedert, wobei jeweils die
Parascheneinteilung eine Berücksichtigung erfährt. Dann
beschreibt er in einem zweiten methodischen Schritt die
syntaktischen, sprachlichen und dichterischen Formen, während
der dritte methodische Schritt als „zuordnende Intuition
" die Ausdruckswerte der einzelnen Formen untersucht
, auch in Anwendung des Funktionsvergleichs, um
soweit wie möglich subjektive Interpretationen zu vermeiden
. Der vierte methodische Schritt faßt den „eigentlichen
Sinn und Gehalt der Einheit" zusammen. Beim Ausführen
dieser verschiedenen Schritte geht der Vf. am Text kommentarähnlich
entlang und interpretiert fortlaufend zugleich
unter Beigabe einer Übersetzung.

Im ganzen liest man den Kommentar mit Spannung
und vermag in vielen Punkten den Beobachtungen und Feststellungen
des Vf. zuzustimmen, wenn auch nicht in jeder
Beziehung. So beachtet der Vf. zutreffend das eigenartige
ambivalente Dasein der Esther im Harem, sie weilt gezwungen
im Frauenhaus, darf ihr Judentum nicht bekennen
und kann keine jüdischen Speisegewohnheiten üben. Doch
findet sie Gefallen bei Hegai und wird von Mardochai
umsorgt. „Mit dieser Gegensätzlichkeit dürfte der Vf. zugleich
auf eine höhere kausale Beziehung aufmerksam machen
, die zwischen der gedemütigten und begünstigten
Esther. Diese muß, um später die Retterin des Volkes zu
werden, durch die Erniedrigung gehen, und dazu gehört
für eine Angehörige des auserwählten Volkes auch das
Verschweigen der Herkunft". Hier legt m. E. der Vf. zuviel
in den Text hinein. Auch die positiven Charaktereigenschaften
des Hegai, der Esther und des Mardochai (S. 49) sollen
einen erhebenden Zug des Berichtes an sich darstellen. Man
muß dabei zu würdigen verstehen, daß die Methode des
Vf.s ihn zu diesen Einzelbeobachtungen führt, die aber im
Rahmen der Gesamterzählung nur Bausteine sind, die so