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Ausgabe:

1971

Spalte:

390-392

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Uhlig, Siegbert

Titel/Untertitel:

A.W. Dieckhoffs Stellungnahme zu kirchenpolitischen und theologischen Streitfragen seiner Teit unter dem Aspekt seiner reformationsgeschichtlichen Forschungen 1971

Rezensent:

Uhlig, Siegbert

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

390

Reimgedicht. Durch die genaue Einzelanalyse konnten z. T.
literarische Abhängigkeiten festgestellt werden. Ort dieser
ersten Liedpredigten war der Frühgottesdienst des Christfestes
, im 16. Jahrhundert nachweisbar in Annaberg, Jena,
Weimar und Eisleben.

In Kapitel III wird die Ausweitung der Liedpredigt
auf die anderen Feste des Kirchenjahres und auf Luthers
Lieder dargestellt. J. Spangenberg (1545) vollzog hierbei
den entscheidenden Schritt, ihm folgten J. Mathesius,
H. Weiler, S. Pauli (1588) u. a. Den Höhepunkt für das
16. Jh. stellt Cyriacus Spangenberg dar (Cythara Luth^rt
1569/1570 mit 87 Predigten über 39 Lieder!), der das
Wesen des Liedes und die Möglichkeit und Notwendigkeit
der Liedpredigt im Blick auf die pura doctrina gründlich
reflektierte und ein an der zeitgenössischen Homiletik
orientiertes Modell bereitstellte.

In Kapitel IV werden weitere Nebenformen der Liedpredigt
ausfindig gemacht: die Katechismuspredigt (Lied
im Verhältnis zu Katechismusbuch und Katechismusgottesdienst
, Katechismus als Dichtung und als Liedauslegung),
die Psalmpredigt und die Anfänge der Leichpredigt. Ein
Anhang zu Teil I geht den wenigen Spuren der Liedverwendung
in vorreformatorischer Zeit nach (Zitate in
Predigten, lateinische Hymnenerklärungen). Nur in der
lutherisch-reformatorischen Kirche aber konnte diese
Predigtgattung entstehen und gepflegt werden, weil in
ihr die konstitutive Bedeutung des Predigttextes und die
zentrale Aussage des Liedtextes anerkannt war und in
eins gesetzt werden konnte.

Teil II: Die Liedpredigt im Zeitalter der Orthodoxie und
des Pietismus (S. 243-452).

Das Material der im 17. und 18. Jh. riesig angewachsenen
Drucke von Liedpredigten wird in den folgenden
Kapiteln in einem inhaltlichen und zeitlichen
Koordinatensystem untergebracht und in Kürze charakte
risiert. Inhaltlich sind in jedem Zeitabschnitt 4 Gesichts
punkte beachtet: Pietas festivitatis (doxologischer Usus),
Pura doctrina (pädagogischer Usus), Ars moriendi (para-
kletischer Usus) und sekundäre Zeugnisse (aus Kirchenordnung
, Homiletik und Bibliographie). Zeitlich werden
unterschieden:

Kapitel V (um 1590-1640). Noch immer haben die
Festlieder die größte Bedeutung; das Lebenswerk von
M. Julius und M. Hammer lassen ein weitreichendes
Interesse an Auslegungen zum Kirchenjahr erkennen.
Unter der Katechismusauslegung ragt das griechisch-lateinische
Manuskript von M. Crusius (1598) als eine der
interessantesten Erscheinungen heraus. Trost- und Sterbelieder
werden in Reihenpredigten über einen längeren
Zeitraum hinweg oder in Einzelpredigten ausgelegt; auch
die Türkenkämpfe und der 30jährige Krieg bereichern
diese Predigtgattung. N. Rebhan (1625) hat als erster
die Liedpredigt thematisch in die Homiletik einbezogen
und ihr einen Rang als mögliche und nützliche homiletische
Randerscheinung zuerkannt.

Kapitel VI (1640-1690). Von den Hauptliedern fanden
nur einzelne allegorisch deutbare Strophen Beachtung,-
die inhaltliche Streuung reicht von orthodoxer Wortspielerei
bis zur anonymen mystischen Andachtsversenkung.
Erstmalig wurden Passionslieder erklärt. Beliebtester
Anlaß zur Liedauslegung wurde das Predigtexordium,
meist aus emblematischem oder sententiösem Interesse an
einzelnen Liedzeilen. Für die reiche Fülle von Leichpredigten
über Lieder konnte keine Vollständigkeit erreicht
werden. In Notzeiten fand die Litanei besondere Beachtung
zu umfänglicher Auslegung.

Kapitel VII 1 hat im Zusammenhang der Arbeit eine
gewisse selbständige Bedeutung. Die Zeit von 1690-1705
und 1705-1740 soll mit Hilfe von neuen Quellen als zwei
Phasen einer »frühhymnologischen Forschung" (Terminus
vom Vf.) erwiesen werden. Die Frage nach Verfasser und

biblischer Grundlage der Lieder, nach der ursprünglichen
Gestalt und den älteren Liedkommentaren, nach den
fremdsprachlichen Liedversionen und den erbaulichen
Lied.merkwürdigkeiten" wird erstmalig in dieser Zeit so
dringlich gestellt und z. T. beantwortet. Die glossierten
Gesangbücher (Schamelius), die Dichterbiographien (Wetzel)
und die Handbücher zum Lied (Wimmer) sind Sammelbecken
dieser vorlaufenden Forschungsarbeit. Hauptgestalt und
Kronzeuge ist J. C. Olearius, dessen hymnologische Bibliothek
mit reichem handschriftlichem Material in Gatha LB
identifiziert und ausgewertet werden konnte.

Kapitel VIII (1690-1740). Z.T. werden die gleichen
Forscher genannt, die hier ihre wissenschaftlichen Ergebnisse
für die Gemeinde fruchtbar machen. Neu sind in
diesem Umfang die vollständigen Exordien-Jahrgänge
(J. B. Carpzov, G. Götz u. a., J. Götzinger mit 273 Predigten
über 105 Lieder!). Die Advents-, Passions- und
allgemeine Betandacht wurde das Einfallstor der Liedpredigt
ins pietistische Lager. Unter den ausführlichen
sekundären Zeugnissen ragt besonders F. A. Hallbauer
(1723) hervor.

Kapitel IX (Von der Aufklärung bis zur Gegenwart
). Immer deutlicher zeigte sich die Interesselosigkeit
und der Informationsschwund; nur einige fragmentarische,
verzerrte Beispiele der Liedpredigt wurden in der geschichtlichen
und theoretischen Homiletik weitertradiert
Je mehr sich die Predigt der Kultrede, der Kunstrede
oder der biblischen Textrede annäherte, desto mehr verkümmerte
die Liedpredigt. Sie fand, abgesehen von einigen
Außenseitern (C. Harms, Dinter) nur noch als füllendes
Zitat und als Dispositionshilfe einige Verwendung. Die
Wiedererinnerung an diese Predigtgattung kann heute
nicht mehr mit einer inhaltlichen Wiedererweckung verbunden
sein.

Teil III: Bibliographie der Liedpredigten und der frühhymnologischen
Werke (S. 453-671); Anhang zu Teil III:
Liedverzeichnis, Autorenverzeichnis und Verzeichnis der
Sekundärliteratur (S. 672-748).

Da sich die vorliegende Arbeit auf durchweg unbeachtetes
Material stützt, wurde ihr eine ausführliche Bibliographie
beigegeben, die für die Liedpredigt im engeren Sinne
Vollständigkeit erstrebt. Chronologisch geordnet sind rund
600 Schriften, teils eine, teils mehrere Liedpredigten umfassend
, und 150 Werke der frühhymnologischen Forschung
. Bei jedem Werk ist wiedergegeben: Kurztitel und
wahrscheinliche Entstehungszeit, vollständiges Titelblatt,
Umfang und Beschreibung der Einzelteile, literarische
Erwähnung und Standort der mir bekannt gewordenen
Exemplare.

1 Dieses Kapitel samt der zugehörigen Bibliographie erscheint
in erweiterter Form unter dem Titel „Die friihymuo-
logische Forschung" im .Jahrbuch für Liturgik und Hyinno-
logie, Kassel 1971.

Uhlig, Siegbert: A. W. Dieckhoffs Stellungnahme zu kirchenpolitischen
und theologischen Streitfragen seiner
Zeit unter dem Aspekt seiner reformationsgeschichtlichen
Forschungen. Diss. Rostock 1969. XII, 169 S.

Eine vielschichtige und profilierte Gestalt wie August
Wilhelm Dieckhoff (f 1894) läßt sich kaum in dem gebotenen
Rahmen einer Dissertation erfassen. Die Themenkreise
, die sich bereits in der Bibliographie ankündigen,
drängen den Vf. a priori zu einer Teilbetrachtung. Den
noch ist es unmöglich, auf Dieckhoffs historische Studien
zu verzichten, so unmöglich es ist, reformationsgeschichtliche
und zeitgeschichtliche Arbeiten zu trennen. Beide
Anliegen bleiben ineinander verflochten. Dieckhoffs Forschungen
entspringen nicht rein historischem Interesse