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Ausgabe:

1971

Spalte:

388-390

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Rößler, Martin

Titel/Untertitel:

Die Liedpredigt 1971

Rezensent:

Rößler, Martin

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387

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

388

Plein, (jetzt: Willi-Plein) Ina: Vorformen der Schriftexegese
innerhalb des Alten Testaments. Untersuchungen zum
literarischen Werden der auf Arnos, Hosea und Micha
zurückgehenden Bücher im hebräischen Zwölfprophetenbuch
. Diss. Tübingen 1970. 328 S.

Die 1969 vorgelegte Arbeit geht vom Problem der
biblischen Literatur als des Ergebnisses fortlaufender
Weiterverarbeitung eines vorgegebenen Textes aus und
berührt damit auch die Frage der historischen Entstehung
des Kanons. Es geht ihr nicht um die Freilegung der
»ipsissima vox" des Propheten selbst, sondern um die
die historisch-kritische Textanalyse bereits voraussetzende
Untersuchung der sogenannten »unechten Partien" '. Dabei
soll nicht die Erhellung der Traditionsgeschichte der Texte
im engeren Sinne und auch nicht die der Redaktionsgeschichte
im Vordergrund stehen, um nicht von vornherein
die Ergebniserwartung zu überlasten. Vielmehr
werden die »Glossen" und sekundären Abschnitte für sich
betrachtet und auf Entstehungsgründe und eventuell erkennbare
Auslegungs- oder Ergänzungsprinzipien hin
untersucht. Nicht behandelt werden reine Vokalisations-
probleme, wogegen eine Ausgrenzung der im engeren
Sinne textkritischen Fragen nicht sinnvoll erschien.

Die Untersuchung geht aus vom relativ sicheren
Fundament des Amosbuches, behandelt dann das Michabuch
und erst am Schlufj das für den Exegeten dornenreiche
Hoseabuch. Damit ist die Eingrenzung auf die auf
das achte Jahrhundert zurückgehenden Prophetenbücher
innerhalb des Dodekapropheten eingehalten.

Jeweils am Schlufj der fortlaufenden Einzeluntersuchungen
wird eine Zusammenfassung der datierbaren Stücke
versucht, die am Rande auch zu redaktionsgeschichtlichen
Ergebnissen führt. Sie lauten für das Amosbuch :
Relativer Abschluß im Exil nach den Vorstufen von
1. Einheit von Visions- und Fremdbericht, noch im 8. Jahrhundert
; 2.oioy '131-Sammlung, die mit cap. 4 abbricht,
bald nach dem Auftreten des Propheten; 3. davon unabhängig
Sammlung und Weiterbildung von Amosworten
(cap. 5-9) in Juda, vielleicht zur Zeit des Manasse.

Nach der abschließenden Redaktion im Exil kamen nur
noch geringe Zusätze, die Doxologien und sehr spät die
Ersetzung des Gottesnamens durch 73ix 2 hinzu.

Die drei literarischen Stadien des Michabuches sind:

1. Sammlung und Herausgabe der vorexilischen Worte
(cap. 1-3; 5,9-12; 6,2-15) in der Zeit des Exils;

2. Erweiterung durch exilisch/nachexilische Worte im Laufe
des 5. Jahrhunderts (2,12-13; 4,1-4.6-7.8; 5.1.3; 7,1-4);

3. eschatologische Aus- und Neugestaltung um 350 v. Chr.,
die v. a. bei der historischen Interpretation der jüngsten
Partien innerhalb von cap. 4 und 5 erkennbar wird.

Die Beobachtungen zum Hoseabuch sind so
mannigfach, daß eine besondere Zusammenfassung zu
cap. 1-3 und ein am Schlufj gegebener Exkurs zum Verhältnis
der Bezeichnungen »Israel" und »Ephraim" bei
Hosea nötig wurden. Die Buchwerdung vollzog sich vermutlich
über folgende Stufen: 1. Zusammenstellung
5,8-6,6, noch zu Lebzeiten des Propeheten; 2. biographische
Denkschrift (1,2-3,4), aus dem Schülerkreis bald
nach 722; 3. erst in Juda abgeschlossene, zunächst mündliche
Wortsammlung (4,1-9,9); 4. Sammlung zu Geschichte
und Heilstradition Israels (9,10-11,9); 5. aktualisierende
Sammlung für das Südreich (Zusammenhang mit Entstehung
des Dtn.?), vielleicht zur Zeit des Manasse 12,1 bis
14,9); 6. Sammlung aller Traditionsteile zum Buch mit
Überschrift 1,1, nach 586. Danach erfolgten noch nach-
exilische liturgische Erweiterungen (v. a. 5,15b-6,3 und
14, 3-4) und das Nachwort 14,0.

Im Anschluß an die drei Hauptteile werden sämtliche
untersuchten Stücke unter methodischen Gesichtspunkten
zusammengefaßt. Die rabbinischen Normen, soweit sie

nicht speziell halachischen Bedürfnissen dienen, beginnen
sich abzuzeichnen. Insgesamt führten die Ergebnisse zur
Formulierung des Themas: Die sekundären Partien lassen
Vorstufen der Schriftexegese innerhalb des Alten Testamentes
erkennen.

1 Das Anliegen wurde bereits von H. W. Herlzberg, Die
Nachgeschiche alttestamentlicher Texte innerhalb des AT,
BZAW 6G, 1936 S. 110-121, und G. Fohrer, Die Glossen im
Buch Ezechiel, ZAW 63, 1951 S. 33-53, in den Blick gerückt.

! Im, Vergleich mit der LXX-Fassung ergibt sich für die
zwischen W. Graf von Baudissin, Kyrios als Gottesname . • •
hrsg. 0. Eißfeldt. Gießen 1929, und W. Foerster, Art. HÖpLOS
D. „Herr im Spätjndentum". ThW III, 1938 S. 1081-1085,
kontroverse, neuerdings von 1'. Vielhauer, Ein Weg zur neu-
testamentlichen Christologiei . . . EvTh 25, 1965 S. 24-72, überzeugend
behandelte Frage der Ersetzung des Gottesnamens
zumindest für Arnos eine weitere Untermauerung der Prorität
der -Lesung vor dem HupLOQ der LXX.

Rößler, Martin: Die Liedpredigt. Geschichte einer Predigtgattung
. Diss. Tübingen 1970. 748 S.
Vorliegende Arbeit geht einer vergessenen Predigtgattung
nach. »Liedpredigt" meint in erster Linie eine
kirchliche Rede, bei der der biblische Predigttext durch
ein Kirchenlied ersetzt ist, sodann die von ihr abgeleiteten
dogmatischen, katechetischen und erbaulichen Auslegungen
. Die Liedpredigt entstand in der Frühzeit der
Reformation und erreichte gegen 1580 einen ersten Höhepunkt
(Teil I). Im 17. Jh. entfaltete sie sich in zwei
Anläufen zu ungeheurer Breite. Die frühhymnologische
Forschung nach 1700, in ihrer eigenständigen Bedeutung
bisher kaum gewürdigt, brachte sie zur höchsten Blüte,
an der auch der Pietismus seinen Anteil hatte. Nach
1740 erlosch sie rasch unter der Lied- und Lehrkritik der
Aufklärung und erhielt sich bis heute in kümmerlich
depravierten Formen und als kurioses Phänomen der
Predigtgeschichte (Teil II).

Teil I: Die Liedpredigt im Zeitalter der Reformation
und Gegenreformation (S. I-VIII, S. 1-242).

In Kapitel I werden »Lied und Predigt bei Luther"
als Vorstufen der Liedpredigt untersucht. Chronologisch
geordnet sind die Postillen, Nachschriften und Bearbeitungen
aller Predigten nach WA kritisch durchgesehen worden
. Deutliche Liedzitate fanden sich seit 1520 in
steigendem Maße bis zum Ende von Luthers Predigttätigkeit
. Nach Form und Funktion geordnet ergeben sich:
Liturgische Rubrik (Liedangabe im gottesdienstlichen
Rahmen), Anklang/Anspielung (Wort, Bild oder Satz),
Sentenz (sprichwortartige Liederinnerung), Zitat/Anführung
(mit ausdrücklicher Zitationsformel), Beurteilung (wie in
den polemischen Schriften und den Tischreden), Liederkatalog
(wie in den liturgischen Schriften), Liedparaphrase
und letztlich Liedexegese (ein Lied bestimmt einen
Predigtabschnitt, es ist die streitbare und tröstliche Form
der viva vox evangelii). Nicht seine eigenen Lieder, sondern
die mittelalterlichen Strophen (vorab »Ein Kindelein
so löbelich", dann „Christ ist erstanden") benützte Luther,
darin die innere Kontinuität der Kirche und die anerkannte
Kanonizität dieser Lieder wahrend. Luther schuf
die Liedpredigt nicht, ermöglichte sie aber formal (Auslegung
der Cantica und des Gloria), hermeneutisch (Exhor-
tacio 1529) und theologisch (Liedzitate im Dienste der
Applikation).

In Kapitel II werden Anfang und Weg der Weihnachtspredigt
über »Ein Kindelein so löbelich" nachgezeichnet.
War das Lied bei Luther Kontext, wird es nun zum Text:
bei J. Toltz (1526), J. Spangenberg, G. Rhaw, K. Aquila,
J. Eysenberg, J. Gigas u. a. bis hin zu G. Strigenitz (1590).
Eine Vielfalt von Predigtformen trat im Verlauf der Auslegung
auf: Paraphrase und Lokalmethode, katechetische
und aphoristische Prägung, rhetorische Themapredigt und