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Ausgabe:

1971

Spalte:

371-373

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hägglund, Bengt

Titel/Untertitel:

History of theology 1971

Rezensent:

Mau, Rudolf

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371

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

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des Fleisches oder dem Willen des Menschen, sondern
nach dem Willen Gottes gelebt wurde* (S. 75). Indem so
die Göttlichkeit Jesu im Zusammenhang mit seiner
Menschlichkeit zur Sprache kommt, ist die Gottheit Jesu
Christi davor bewahrt, als Märchen oder Mythos vorgestellt
zu werden.

Auch bei der Trinitätslehre sucht R. die dahinter
stehende Erfahrung, und das ist die, daß das Verhältnis
des Menschen zur letzten Wirklichkeit ein dreifaches ist,
nämlich das zu Gott als dem „letztgültigen Bezug, für den
wir geschaffen sind und in dem wir gehalten werden ..."
(S. 93), zu Jesus Christus, der die Liebe Gottes verkörpert
und zur Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Es ist eine
subjektive Trinitätslehre, die R. hier in aller Kürze
andeutet, und er kann sagen: »Die Lehre von der
Dreieinigkeit entstand, um diese Einheit und Vielfalt
christlicher Erfahrungen auszusagen und zu sichern ...
Doch der gewöhnliche Sterbliche kann ohne solche Formeln
auskommen" (S. 94).

Schließlich sei noch erwähnt der Abschnitt über „Das
Pfarramt im Schmelzticgel" (S. 108 f), wo R. u. a. ausführt
, daß es in seiner Kirche zwei grofje Hemmnisse für
eine tiefgreifende Erneuerung gibt. Das eine ist das
professionelle geistliche Amt, welches der Ausweitung der
Laienfunktion im Wege steht, und das andere ist die
Belastung durch Gebäudekomplexe, „die bisher sämtliche
Energien für die Selbstverwaltung statt für die Mission
abgewendet haben" (S. 112). Als Bild einer neuen Gemeinde
deutet R. ein System von Stützpunkten in den
Wohngebieten der Städte an, offenbar ein System von
missionarisch ausgerichteten Hauskreisen. Überhaupt betont
R. dann im „Rückblick" (S. 114 f), dafj sein Anliegen
sowohl in diesem Buch als auch in seinem bisher bekanntesten
: "Honest to God - Gott ist anders" ein missionarisches
ist. „Meine Grundleidenschaft ist eine missionarische
" (S. 114). Gemeint ist das in dem folgenden Sinn:
„Heute gibt es Mission praktisch überall, und zwar nicht
nur in dem Sinn, daß die Christen überall von Ungläubigen
umgeben sind, sondern auch in dem anderen, daß
es keine Verkündigung des Evangeliums gibt, die die
missionarische Situation nicht voraussetzt, und sei es nur
unsere eigene" (S. 114/115).

Das eigentlich Beeindruckende an diesem Buch ist m. E.
nicht so sehr der sachliche Gehalt und auch nicht die
Ansatzpunkte für eine neue Interpretation christlicher
Grundüberzeugungen, sondern die Art, wie hier ein
Bischof sich mit dem Nicht-glauben-Können weiter Kreise
solidarisiert und auch, wie er ein echtes Verständnis zeigt
für das Bestreben jüngerer Pfarrer, die überkommene
Professionalität des Pfarramtes nun auch in der Praxis
aufzubrechen, was R. an einem Beispiel zeigt (S. 109).

Rostock Helmut Frilzsehe

Hägglund, Bengt: History of Theology. Translated by Gene
J. Lund. Saint Louis/London: Concordia Publishing House
(1968). 425 S. gr. 8°. Lw. $ 9,95.

Der vor allem durch seine Arbeiten zur Lutherforschung
mit ihrem weiteren Umkreis (Spätscholastik und
lutherische Orthodoxie) bekannte Lundenser Systematiker
hat mit dem anzuzeigenden Werk eine eindrucksvolle
Gesamtdarstellung der Theologiegeschichte vorgelegt. Vor
ihrer Übersetzung ins Englische war sie bereits in drei
Auflagen in schwedischer Sprache erschienen. Diese Tatsache
unterstreicht nur den Eindruck, den man bei der
Lektüre des Buches gewinnt: Es kommt einem Bedürfnis
entgegen, das durch andere bekannte Darstellungen der
Dogmen- und Theologiegeschichte nicht ohne weiteres
erfüllt wurde. Hägglund versteht es, in einer die wesentlichen
Linien nachzeichnenden, weithin ausgeze ehnet
formulierten Darstellung - unter Verzicht auf eine sich

im bloßen Detail produzierende Gelehrsamkeit - dem
Leser die Geschichte der Theologie nahezubringen.

Der Verfasser eines solchen Werkes muß sich angesichts
der viel erörterten Problematik einer „Dogmen"-
bzw. „Theologie"-Geschichte über die vertretene Auffassung
des Gegenstandes und die Methode seiner Behandlung
ausweisen. Hägglund tut dies, indem er mit Bedacht
auf die Bezeichnung „Dogmengeschichte" (wie sie z. B.
neuerdings wieder von A. Adam in seinem bis zur Gegenwart
führenden 3 bändigen Werk verwendet wird) verzichtet
. Angesichts der Schwierigkeiten, die der Dogmenbegriff
nach wie vor mit sich bringt, hält der Vf. es
für angebracht, die Geschichte theologischen Nachdenkens
"simply as a part of the realm of ideas" zu behandeln,
"without judging and without employing any precon-
ceived 'critique of dogma' of one kind or another" (6).
Hägglund will mit seiner Theologiegeschichte nichts
anderes bieten als "an introduetion to Christian dogmatic
literature" und eine Beschreibung ihrer "stages of develop-
ment". Geschichte der Theologie wird hier also - ohne
Rücksicht auf die Frage der offiziellen kirchlichen Geltung
bestimmter Gedanken und Formulierungen - als "a
branch of the history of ideas" aufgefaßt (5).

Die Vermutung, daß mit dem Verzicht auf den Begriff
„Dogma" mit seiner wie auch immer zu bestimmenden
normativen und kritischen Funktion der in der Geschichte
der Theologie selbst wirksame - und daher in ihrer
Darstellung zu beachtende - theologische Sachbezug verlorengehen
würde, erweist sich als unbegründet. Zwar
übt der Vf. in bezug auf eine explizite theologische
Beurteilung der dargestellten Entwicklungen und Positionen
weitgehend Zurückhaltung, jedoch verleugnet der
vor allem der reformatorisch-lutherischen Theologie verpflichtete
Systematiker sich auch dort nicht, wo er die
Vielfalt theologischer Gedankenbildung dem Leser rein
beschreibend nahezubringen sucht: Vor allem an dem
Grad der Ausführlichkeit, mit dem der Vf. bestimmte
theologiegeschichtliche Erscheinungen behandelt, wird erkennbar
, wo für ihn die theologisch entscheidenden Entwicklungen
vorliegen und wo er selbst sich theologisch
in besonderem Maße engagiert weiß.

H. behandelt den gesamten Stoff - von den Apostolischen
Vätern bis zu Barth, Tillich, Bultmann und Cull-
mann ("Contemporary Trends") - in 34 Kapiteln von
sehr unterschiedlicher Länge. Neben einer Reihe recht
kurzer Kapitel, in denen jeweils bestimmte Entwicklungsphasen
referierend nachgezeichnet werden, stehen ausführliche
Darlegungen, in denen epochale Gestaltungen
der theologischen Entwicklung eingehender behandelt
werden. Hier geht der Vf. auch jeweils auf eine Reihe
theologischer Topoi im einzelnen ein. In dieser Weise
bilden Augustin (am Ende des ersten der drei Hauptteile:
"The Age of the Church Fathers") und Luther (am Beginn
des dritten Teils: "The modern Period") sowie die
lutherische Orthodoxie deutlich erkennbare Schwerpunkte
innerhalb der Gesamtanlage der Darstellung. Das gilt in
besonderer Weise für das Kapitel über Luther, das umfangreichste
des ganzen Buches (211-246). Luthers zentrale
Stellung in der Geschichte der Theologie ist nach
H. dadurch gegeben, daß seine Schriften "have to a
greater or lesser degree served as a direct source of
Inspiration for theological thought and the preaching of
the Word throughout all of the epochs which have passed
since the time of the Reformation" (211). In welcher
Weise für den Vf. die Gewichte zwischen lutherischer und
reformierter Theologie verteilt sind, wird deutlich, wenn
man beachtet, daß die Gedanken Luthers, Melanchthons
und der lutherischen Dogmatiker bis Johann Gerhard auf
insgesamt mehr als achtzig Seiten dargestellt werden,
für Zwingli, Calvin und die reformierte Theologie bis zur
Synode von Dordrecht zusammen jedoch etwa zwölf Seiten