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Ausgabe:

1971

Spalte:

369-371

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Robinson, John A. T.

Titel/Untertitel:

Fragwürdig - glaubwürdig 1971

Rezensent:

Fritzsche, Helmut

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

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Ikonen, deren Zuschreibung an Dionissi kontrovers waren
und wahrscheinlich auch bleiben werden: »Die Spät werke
Dionissis, die Ikonen .Kreuzigung' und .Höllenfahrt'". Ein
Schlußkap. bringt einen Überblick über die „Dionissi-For-
schung". Vf.in sieht in der „Kreuzigung" für die Dionissis
Arbeiten charakteristische „Helligkeit und Weiträumigkeit".
„Aber das wichtigste ist der offene, das heißt nach allen
Seiten hin geöffnete zentrifugale Charakter der Komposition
. Diese Kompositionseigentümlichkeit, die alle Fresken
des Therapontos-Zyklus verbindet, hinterläßt hier, in einer
einzelnen Ikone, einen etwas unerwarteten Eindruck"
(S. 98). D. möchte vor allem in der Art der Wiedergabe
des Gekreuzigten Auffassungen des Künstlers sehen, die
denen Josifs von Wolokolamsk widersprechen. Von vornherein
erweist sich Dionissi aber als „,Fin-de-siecle'-Meister
des Mittelalters" (S. 101). Um nur einige Züge seiner
Werke anzudeuten: „Das Architektonische ist in ihnen
eine Art Kammerton, auf den die Sprache der künstlerischen
Gestaltung abgestimmt ist" (S. 39). Der Meister
hat „den Versuch unternommen, die Komposition nicht nur
in der Fläche, sondern auch in der Tiefe zu entwickeln".
Es gelingt ihm, „ohne Anwendung der Perspektive den
Eindruck von zwei Raumschichten - einer nahen und
einer fernen - zu erwecken" (S. 43). Oder im Blick auf
die Therapontos-Fresken: „Eine gewaltige Rolle kommt in
Dionissis Raumgestaltung der natürlichen Beleuchtung zu.
Dies bringt seine Malereien in gewissem Maße den byzantinischen
Mosaiken und den gotischen Glasfenstern nahe"
(S. 89). Dabei spielte die Paraphrase auf die künstlerische
Manier Rubljows eine große Rolle. Die Komposition war
bei Rubljow eine Verkörperung geistig-kontemplativer
Haltung ... Die Kompositionen Dionissis sind weitaus
aktiver und von einer äufjeren Bewegung erfüllt ... Die
Kompositionsformel Rubljows war eine Verkörperung der
zeitlosen Einheit. Die Kunst Dionissis drückt eher die Idee
der in der Zeit existierenden Vielfalt aus" (S. 77/78).
Eigenart und Souveränität dieses hervorragenden Malers,
die ihn auch innerlich unabhängig von den kirchenpolitischen
Strömungen erscheinen lassen, ist von der Vf.in
überzeugend dargestellt worden.

Ihr Buch vermag unsere Kenntnis der altrussischen
Malerei sehr wesentlich zu ergänzen. - Die Übersetzung
zeigt, wie auch bei anderen Büchern dieser Art, einige
Unsicherheiten. So muß es wieder einmal S. 21 u. ö. nicht
„Konzil", sondern „Festfeier der Gottesmutter" (Sobor =
griech. synaxis, Festfeier der Theotokos am 26. XII.) heißen
, „Antitrinitataten" S. 25 ist etwas ungewöhlich für
»Antitrinitarier", S. 98 sollte es statt Christus „in den alten
Tagen" besser „Alter der Tage" lauten, der russische
Norden wurde wohl nicht „russisches Thessalien" S. 26,
sondern „russische Thebais" nach den ägyptischen E n-
siedeleien genannt.

Halle/Saale Konrad OnaBcb

Schiller, Gertrud: Die Offenbarung des Johannes. Farbige
Bilder aus der Bamberger Apokalypse um 1020. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [1970] (Lizenzausgabe des Friedrich
Wittig Verlages, Hamburg). 15 S., 8 färb. Taf. m.
Text 8°. (j. Bespr. in ThLZ 84, 1959, Sp. 924).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Robinson, John A.: Fragwürdig - Glaubwürdig, übers, v.
W. Eisenblätter u. J. Schwarz. München: Kaiser 1968.
119 S. 8°. Kart. DM 6,80.

Die hier vorliegende Veröffentlichung von John A. T.
Robinson besteht aus zwei ursprünglich getrennten Artikelserien
, deren erste für einen „Leserkreis ohne theologische
Vorkenntnisse" bestimmt war, während sich die zweite
-an eine informiertere, christliche Leserschaft" wandte -

wie es im Vorwort heißt. Das Gemeinsame der hier
zusammengestellten Artikel ist dieses, daß sie es alle
zu tun haben mit Inhalten der Bibel und des christlichen
Glaubens, die - falls sie uninterpretiert bleiben — auf
die ablehnende Reaktion stoßen: Aber das kann ich nicht
glauben I So - But that I can't believe! - lautet auch der
Titel der englischen Originalausgabe, demgegenüber der
deutsche Titel: „Fragwürdig - Glaubwürdig" etwas farblos
anmutet. Freilich die Tendenz des Buches geht nicht
so sehr darauf hin, den Anstoß des Nicht-glauben-Könnens
zu betonen als vielmehu auf eine konstruktive Interpretation
biblischer Aussagen und theologischer Begriffe.
„Wenn der Titel und teilweise der Inhalt dieses Buches
den Eindruck hervorrufen sollten, es gehe in erster Linie
um das, was ich nicht glaube oder was fragwürdig ist,
dann kann ich dem Leser versichern, daß er mich gründlich
mißversteht. Es geht mir durchaus um das, was
ich glaube, ... Ich lehne so etwas wie eine Neue Theologie
ab (von der neuen Theologie ganz zu schweigen),
trete aber zugleich mit Nachdruck für eine neue Theologie
, d. h. für ein dauernd neues Formulieren der Wirklichkeit
Gottes ein" (S. 14/15).

Der 1. Teil kreist um eine Reihe von biblischen Geschichten
wie „Adam und Eva" und „Weihnachten" oder
auch theologischer Begriffe wie „Wunder" und „Leben
nach dem Tode". R. gibt hier kurze Interpretationen, in
denen er das Symbolhafte oder Bildhafte an diesen Geschichten
oder Begriffen herausarbeitet, und macht dabei
klar, daß das, woran man sich zunächst stößt, eben nur
die äußere uninterpretierte Form ist und nicht das, was
eigentlich gemeint ist. '

Theologisch gesehen dürfte hier kaum Neues zur
Sprache gekommen sein. Bultmanns Forderung, den
Mythos nicht zu eliminieren, sondern zu interpretieren,
ist genauso bedacht wie die Einsichten der Textkritik und
Formgeschichte, daß in biblischen Geschichten wie der
Geburtsgeschichte Jesu historische Fakten und Auslegung
der Bedeutsamkeit untrennbar miteinander verwoben sind.
Bemerkenswert aber sind die Offenheit und der unkonventionelle
Stil, in dem R. hier die Fragen der Bibelkritik
und Interpretation vor einer breiten Leserschaft erörtert.
Hier liegen mancherlei Anregungen für die Katechetik und
die Praxis von Gemeindeseminaren über modernes Bibelverständnis
.

In dem 2. theologischeren und sehr an P. Tillich orientierten
Teil geht es R. dann vor allem darum, zentrale
Inhalte des christlichen Glaubens wie den Gottesbegriff,
die Christologie und die Trinitätslehre mit der „Wirklichkeit
" zu verbinden und d. h. mit echten menschlichen
Problemen und Erfahrungen. Im Hinblick auf den Gottesbegriff
bedeutet dieses, daß wir von Gott eigentlich erst
dann reden, wenn wir ihn im Zusammenhang mit der
Welt, wie wir sie im Glauben erfahren, zur Sprache
bringen. Im christlichen Gottesglauben liegt die Überzeugung
, daß die „letzte Wirklichkeit" der Welt „nicht
einfach gemäß ihrer unpersönlichen und mathematischen
Gesetzmäßigkeiten, sondern in personalen Kategorien wie
Liebe, Vertrauen, Freiheit, Verantwortung und Ziel gedeutet
werden darf. Die wirkliche Frage nach Gott ist
nicht die, ob ein Wesen existiert, von dem wir uns ein
Bild machen können als Verkörperung dieses Wesens in
einer Person; sondern sie lautet: Ist diese Überzeugung
vom letzten Sinn der Welt richtig?" (S. 62).

Im Hinblick auf die Christologie ist die Erfahrungswirklichkeit
der Eindruck von dem Menschen Jesus, „der
allein das war, was wir alle sein sollten, der Mensch, der
in einzigartiger Weise frei für andere und frei von sich
selbst war" (S. 75). Hier wird die Gottheit Jesu Christi
an dem erfahren, was Jesus gerade als Menschen von
uns unterscheidet, daß er nämlich in „einzigartiger Weise"
ein Menschenleben darstellt, das „nicht nach dem Willen