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Ausgabe:

1971

Spalte:

356-357

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Bernardus de Trilia, Bernardi de Trilia Quaestiones disputatae de cognitione animae separatae 1971

Rezensent:

Zimmermann, Harald

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

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nicht um „ein großartiges theologisches System" handelt
noch „irgendwelche epochemachende Ergebnisse zutage"
gefördert werden. Die Arbeit gibt lediglich auf dem Gebiet
theologischer Einleitungslehre einen Einblick in die theologische
Diskussion, die zu Beginn des 14. Jh. im Umkre's
des Johannes Duns Skotus in Oxford geführt wurde. In
der Arbeit soll so an Cowton ein Stück der Theologiegeschichte
des frühen „Skotimus" deutlich werden. Dabei
geht es um die Interpretation der skotistischen Lehre
unter den ersten Zeit- und Ordensgenossen Cowtons und
ganz besonders um die Rolle des Aristoteles in der Spät-
scholastik.

Die biographischen Angaben über Cowton differieren
in der Tradition um 100 Jahre (1240 und 1340). Als gesichertes
Datum kann nur das Jahr 1300 angesehen werden,
in dem Cowton als Mitglied des Oxforder Franziskanerordens
und als Priester aufgeführt wird.

Unter den Cowton zugeschriebenen Werken ist nur der
Sentenzenkommentar bekannt. Die Abbreviationes super
libros Sententiarum, die unter einem Namen gehen, sind
erst nach seinem Tode zusammengestellt worden. Der
Sentenzenkommentar ist in 7 Handschriften, darunter eine
in der Berliner Staatsbibliothek in Westberlin (ms. 114)
vorhanden. Im Anhang seines Briefes veröffentlicht der
Vf. den Prolog q. 2.5.6.7. und Sent. III d. 23 q. Der Sentenzenkommentar
ist in Auseinandersetzung mit dem
Dominikaner Thomas von Sutton entstanden. Über ihn
geben Glorieux, P.: Art. Sutton Dct. de Theol. Cath. XIV,
2867-2973 und Ehrle, F.: Th. de Sutton sein leben, sein
Quodlibet und seine Quaestiones disputatae (Festschr. f.
G. v. Hertling) 1914, 426-450 Auskunft.

In der Frage der natürlichen Gotteserkenntnis bei
Cowton geht es um die Lehre des Thomas v. Aquino, die
von Sutton verteidigt wird, sowie um die Anschauungen
von Duns Skotus und die Illuminationslehre des Heinrich
v. Gent. Cowton kommt dabei nicht zu einer völlig selbständigen
oder neuen Erkenntnistheorie. Vielmehr hat er
unter teilweisen Mißverständnissen Heinrichs v. Gent eine
eigenwillige Interpretation Augustins. Wie die Diskussion
mit Sutton zeigt, wurde die Lehre Cowtons über die
natürliche Gotteserkenntnis von seinen Zeitgenossen eigenständig
und eigenartig empfunden.

Mit nur geringem Interesse äußert sich Cowton über
die natürliche Offenbarung, wobei er in ihr weithin Duns
folgt. Es überrascht, daß Cowton so wenig in seiner
Theologie die Bibel in Erscheinung treten läßt. Gleichwohl
bleibt die christliche Offenbarung Fundament und inneres
Gerüst seiner Theologie. Das engere Thema des Buches
sind Ausführungen über den christlichen Glauben, den der
Vf. des Buches nach verschiedenen Seiten aber keineswegs
vollständig analysiert. Die Kernfrage der Darstellung ist
die Untersuchung, wie weit bei Cowton die Theologie
eine Wissenschaft genannt werden kann. Der Vf. kommt
zu dem Ergebnis, dafj Cowtons Theologie nicht im eigentlichen
Sinn als Wissenschaft anerkannt werden kann.
Theologie ist für Cowton schlechthin spekulativ. Gott ist
für ihn Gegenstand der Spekulation.

So pendelt Cowton zwischen den großen theologischen
Systemen seiner Zeit hin und her. Ein eigenes geschlossenes
System liegt bei ihm nicht vor. Deutlich jedoch ist, daß
Cowton Aristoteliker war. Es ergibt sich durch die Untersuchung
, daß die Originalität des Cowton mehr auf
philosophischem als theologischem Gebiet liegt. Die
Bedeutung des Buches liegt darin, gezeigt zu haben, daß
Cowton ein Beispiel für die theologische Entwicklung zu
Beginn der Spätscholastik ist.

Berlin Walter Delius

Trilia, Bernardi de: Quaestiones Disputatae de Cognitione
Animae Scparatae. Ad fidem codicum edidit P. Künzle
O. P. Bern: Francke 1969. VIII, 94 S., 420 S. >gr. 8° =
Corpus Philosophorum Medii Aevi auspiciis Academiarum
Consociatarum editum. Opera philosophica mediae aetatis
selecta, I. Lw. DM 72,-.
Der aus Nimes stammende Dominikaner Bernard de
Trilia (gestorben 1292 in Avignon) gehört nicht zu den
allseits bekannten Theologen der Hochscholastik. Sein
Leben und seine Tätigkeit auch als theologischer Lehrer
verlief fast ausschließlich innerhalb seines Ordens und in
dessen südfranzösischen Konventen. In den Jahren 1279
bis 1286 studierte und lehrte er in Paris. Er übernahm
dann leitende Funktionen des Dominikanerordens und stieg
endlich zum Amt eines Provinzials der Provence auf, das
er freilich schon nach wenigen Wochen vermutlich im
Zusammenhang damaliger Ordensstreitigkeiten wieder aufgeben
mußte. Eine Monographie über Bernard fehlt bislang,
wohl auch deswegen, weil hierzu noch manche Vorarbeiten
nötig sind, nicht zuletzt in bezug auf dessen Opera.

Das wissenschaftliche Hauptwerk Bernards sind seine
..Quaestiones disputatae de cognitione animae", deren
erster Teil über die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten
während des irdischen Lebens (animae coniunctae corpori)
handelt, während sich der unvollendet gebliebene zweite
Teil dem theologisch sicher interessanteren Problem „de
cognitione animae separatae a corpore", also der Erkenntnisfähigkeit
der Seele nach dem körperlichen Tode zuwendet
. Das Werk stammt, wie der Editor zeigen kann,
aus der letzten Zeit der Pariser Lehrtätigkeit Bernards,
nämlich dem Studienjahr 1285-1286. Es ist zwar nicht im
Autograph, aber doch in mehreren mittelalterlichen Abschriften
erhalten, von denen die älteste aus der berühmten
Sammlung Strozzi in die Florentiner Nationalbibilio-
thek kam. Sie wurde schon bald nach dem Tode Bernards
geschrieben, bietet freilich ebenso wie die anderen Kopien
keinen vollständigen Text, so daß nicht nur wegen Varianten
, sondern auch zur Rekonstruktion des Ganzen diese
ebenfalls herangezogen werden müssen.

Die Qeaestiones haben in jüngerer Zeit größere Aufmerksamkeit
gefunden. Mit einer Edition des ersten Teiles
ist F. Lang beschäftigt, der darüber 1950 in Paris dissertierte
. Der zweite Teil ist erst 1965 von St. Mart'n in
Toronto ediert worden. Daß dieser Ausgabe so bald eine
neue folgt, muß natürlich erstaunen. P. Künzle rechtfertigt
sein Unternehmen, indem er auf mehreren Seiten seiner
Prolegomena die Erstedition kritisiert und deren Fehler
herausstellt. Ein Vergleich der beiden Ausgaben gibt dem
Kritiker in vielen Punkten recht, freilich nicht in allen,
denn nicht immer handelt es sich um offensichtliche Lesefehler
, die auch ohne die dem Rezensenten unmögliche
Kontrolle der Handschriften (Schrifttafeln fehlen in beiden
Editionen) aus dem Sinnzusammenhang oder den literarischen
Vorlagen deutlich werden, sondern auch um das
diffizilere Problem der hier oder dort zu bevorzugenden
Lesart, was unter Editoren bekanntlich leicht zur Streitfrage
werden kann. Künzles Ausgabe ist eine dankenswert
ausführliche Einleitung vorgestellt, die - wie heute leider
kaum mehr gebräuchlich - in lateinischer Sprache abgefaßt
wurde und damit der Edition über manche Grenzen hinweg
Verbreitung und Benutzung sichern wird. Diese Prolegomena
informieren in elf Kapiteln über Bernards Leben
und Werke, über alle Fragen der handschriftlichen Überlieferung
der Quaestiones sowie über die angewandten
Editionsprinzipien. Ein Literatur- und ein Abkürzungsverzeichnis
wird angeschlossen, und am Ende des Bandes
finden sich vier für den Gebrauch nützliche Indices, nämlich
manuscriptorum, nominum et auetorum, davon gesondert
ein index Thomisticus mit dem Ausweis der zahlreichen
vom Aquinaten abhängigen Stellen, sowie endlich ein
Index rerum.