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Ausgabe:

1971

Spalte:

335-336

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

The new English Bible 1971

Rezensent:

Hunger, Heinz

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Seite 1

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335

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 5

336

Tillich, Paul: Religionen, Quasi-Religionen und ihre Begegnungen
(Freies Christentum 22, 1970 Sp. 54-56).

Wolf, Ernst: Der Chr. Kaiser Verlag. Eine Übersicht
(1845-1970 Almanach. 125 Jahre Chr. Kaiser Verlag
München. München 1970 S. 140-157).

BIBELWISSENSCHAFT

The New English Bible with the Apocrypha. The Old
Testament: XXI, 1166 S. The Apocrypha: VIII, 275 S.
The New Testament, 2nd Ed.: IX, 336 S. Beilage: Handbook
to the New English Bible. 17 S. London: Oxford
University Press; London: Cambridge University Press
1970. Lw. 35 s.
Nach einer fünfzehnjährigen Vorbereitungsarbeit erschien
1961 in England eine völlig neue Übersetzung des
Neuen Testaments, über die hier ausführlich berichtet
worden ist (1961/9, S. 650-654). Wiederum neun Jahre
später wurde im März 1970 die vollständige Bibel mit
Apokryphen der Öffentlichkeit übergeben, bei welcher
Gelegenheit das Neue Testament in revidierter Fassung
mit vorgelegt wurde. Von/ ihm waren inzwischen ca.
7 Millionen Stück abgesetzt worden.

Die Bedeutung des Gesamtunternehmens liegt darin,
daß die englischen Christen außer der veralteten „offiziellen
" King James Version aus dem 17. Jh. mit dieser Neuen
Englischen Bibel eine autorisierte Parallelübersetzung für
den Gebrauch in Kirche und vor allem in den Schulen
geschaffen haben und nicht (wie wir) auf eine Auswahl
von Privatübersetzungen angewiesen sind, von denen es
genau wie bei uns eine Menge gibt. »Das Kirchenvolk
interessiert nicht, wie die Moffat-Bibel oder eine andere
moderne Übersetzung den Predigttext wiedergibt, sondern
lediglich, was die Bibel sagt. Das nun ist, was sich die
Neue Englische Bibel vorgenommen hat: eine Übersetzung
zu bieten, die auf den genauesten und modernsten Ergebnissen
aller einschlägigen Wissenschaften (einschließlich
der Funde von Qumran) beruhen - so zuverlässig wie
nur menschenmöglich -, eine Arbeit, ausgeführt von den
besten Gelehrten und Übersetzern, die den beteiligten
Kirchen zur Verfügung standen, Männer, die selbst Gottes
Stimme zu sich sprechen hören, wenn sie die Heilige
Schrift lesen."

Trotz aller Geöffnetheit für neuere Erkenntnisse ist für
die Gesamthaltung nichts so kennzeichnend wie eine verbindliche
Mäßigung. Man ist bemüht, traditionell denkenden
Kreisen nicht unnötig Anstoß zu geben, hält ihnen oft
genug in Anmerkungen ein Hintertürchen offen. Gleich
Gen 1,2b könnte dafür als Beispiel dienen: "... and a
mighty wind that swept over the surface of the waters".
In der Anmerkung dazu wird als Alternative angeboten:
"and the spirit of god hovering". (Joh 3,8 wird TÖ itveöu.a
das erstemal mit "wind" und das zweitemal mit "spirit"
übersetzt, und in der (neugefaßten] Anmerkung heißt es:
"wind and spirit are translations of the same Greek word,
which has both meanings.")

Jes 7,14 ist beispielsweise keine Konzession gemacht:
"A young woman is with child", doch hat man sich
gelegentlich der Revision des NT sprachlich traditionell
orientiert. In der 1. Auflage von 1961 war Luk 1,34
&v6poc oti Yt-viooww (oder var. (xexexü) ?) mit "I have no
husband" übersetzt worden. Jetzt ist korrigiert worden
"I am still a virgin", was gewiß, sachlich gemeint ist -
aber inmitten der sexualethischen Umwertung unserer Tage
und auf Grund der bekannten Sexualfeindlichkeit in der
Vergangenheit eher als retractatio zu werten ist als eine
philologische Verbesserung der Übersetzung.

Es ist mit viel hingebender Liebe und nicht nur wissenschaftlicher
Korrektheit geplant und gearbeitet worden.

Das merkt man an der Streichung der größtenteils unverständlichen
Regieanweisungen in den Psalmenüberschriften
nicht weniger als an den Zusätzen einer Rollenverteilung
bei Cant. (auf Grund von zwei LXX-Manuskripten). Selbstverständlich
sind poetische Stücke versweise abgesetzt.
Interessant sind die Umstellungen und Zusammenziehungen
beim Propheten Sach; 4,1-2 wurde nach 2,13 eingefügt;
13, 7-9 nach 11,17.

Mit besonderer Sorgfalt sind die Apokryphen wiedergegeben
, und eine kleine Kostbarkeit ist eine vollständige
Übersetzung von Esther, „so daß der Leser jetzt verstehen
kann, worum es Esther geht". Es ist richtig: wer Judith
bringt, sollte auch vor Esther nicht zurückschrecken. Aber
wird nicht hiermit insgesamt ein Problem gestellt, das
größer ist als die philologischen Möglichkeiten einer guten
Übersetzung? Vor allem gäbe es wohl auch noch anderes
zeitgenössisches Schrifttum der jüdischen Diaspora, das
nicht weniger „nützlich und gut zu lesen" wäre. Fraglich
wird aber dann in besonderer Weise, woher der mit der
Neuübersetzung angesprochene moderne gebildete Leser
die Kategorien beziehen soll, gerade bei den apokryphen
Tendenzschriften historische Wahrheit und politischen
Wunsch zu trennen? Der Rezensent bedauert, daß ihm nicht
die dreibändige Library Edition der Neuausgabe mit ihren
Erläuterungen zugänglich gemacht wurde. So kann er nur
seine Fragen an diesem Punkte weitergeben.

Was wir im deutschen Sprachraum aus diesem nunmehr
wohl zu Ende gebrachten gewaltigen Unternehmen lernen
sollten, wäre erstens eine offizielle Neuübersetzung gemeinsam
mit der römisch-katholischen Kirche energisch
voranzutreiben, und zweitens gleichzeitig diese maßvoll -
ähnlich wie etwa in der Stuttgarter Jubiläumsbibel - durch
kurze Vorreden und sparsame Zwischenerläuterungen für
junge Menschen im Zeitalter der Astronautik verständlich
zu machen. Das ist noch wichtiger als die mühevolle Auswahl
der ältesten Lesart oder der Ausfindigmachung eines sprachlichen
Äquivalents für Phänomene, die es heute nicht mehr
gibt wie damals. Für den modernen Bibelleser ist es wenig
Hilfe, statt früher Joh 9,6: "he spat on the ground and
made clay of the spittle" jetzt zu finden: "and made a
paste with the spittle".

Wir könnten aus dieser wegweisenden Übersetzung der
englischen Kirchen eine Menge für uns lernen, sollten aber
sofort ein weiterführendes Konzept auf Grund dessen, was
sie vorgelegt haben, entwerfen.

Münstcr/Westf. Heinz Hunger

ALTES TESTAMENT

Ben-Hayyim, Z.: The Literary and Oral Tradition of
Hebrew and Aratnaic amongst the Samaritans. III, 2: The

Recitation of Prayers and Hymns. Jerusalem: The Aca-

demy of Hebrew Language 1967. IX, 395 S., 1 Taf.

gr. 8° = The Academy of the Hebrew Language, Texts

and Studies VI.
Der Vf. ist Professor für hebräische Sprache an der
Hebräischen Universität von Jerusalem und zugleich Vize-
Präsident der Hebrew Language Academy. Seit Jahren ist
er mit Überlieferung und Aussprache des Hebräischen bei
den samaritanischen Gemeinden, von Holon (bei Tel-Aviv)
und jetzt auch von Nablus befaßt. Dieses Forschungsprojekt
ist in ein monumentales Werk eingegangen, dessen vierten
Band wir besprechen wollen.

Er enthält den wichtigsten Teil der synagogalen Hymnen
und Gebete der Samaritaner, die in aramäisch verfaßt
wurden, und zwar in der Zeit zwischen dem 4. und 11. Jh..
n. Chr. (so die Datierung des Vf.s S. 10 f). Neben seine
hebräische Übersetzung dieser Hymnen stellte er eine