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Ausgabe:

1971

Spalte:

309-313

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Schlaich, Klaus

Titel/Untertitel:

Kollegialtheorie 1971

Rezensent:

Langer, Gottfried

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309

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

310

Stählin, Traugott: Gottfried Arnolds geistliche Dichtung.

Glaube und Mystik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1966). 147 S. gr. 8° = Veröffentl. d. Evang. Gesellschaft
f. Liturgieforschung, hrsg. v. O. Söhngen, 15. Kart. DM
19.80.

Die auf Anregung von Martin Doerne entstandene Arbeit
unternimmt den verdienstvollen Versuch, die geistliche
Dichtung Gottfried Arnolds mit literarhistorischen und theologischen
Kriterien neu zu würdigen. Wortschatz und Stilmittel
machen es wahrscheinlich, daß Arnold als Dichter des
Barockzeitalters im wesentlichen in der Tradition der Opitz-
Buchnerschen Poetik steht. Inhaltlich ist Arnolds Dichtung
von der Mystik bestimmt, deren Einfluß in der ganzen Breite
ihrer geschichtlichen Formen bei Arnold wirksam wird.
So lassen sich bei ihm nicht nur Anregungen der Mönchsmystik
des Macarius oder der deutschen Mystik des Mittelalters
feststellen. Vielmehr sind gerade Einwirkungen der
Barockmystik des 17. Jahrhunderts wie auch des Quietis-
mus auf ihn besonders lebhaft gewesen. Der schlechthinni-
gen Unaussagbarkeit der Mystik entstammt schließlich auch
die von Arnold gepflegte emblematische Dichtung als Kunst
der poetischen Andeutung.

Wie der Barockpoesie überhaupt, so wohnt auch der Dichtung
Arnolds ein grundsätzliches Problem inne, nämlich die
Spannung von eigener, innerer Aussage und geschichtlicher
Konvention. Es ist schade, daß die Arbeit diese barocke
Spannung nicht in vollem Maße glaubt durchhalten zu können
. Jedenfalls zieht der Verfasser für Arnolds geistliche
Dichtung den Begriff der Neuformung dem der Neuschöpfung
vor und meint, daß auch Gottfried Arnolds Lyrik im
Grunde kaum mehr sei als ein neues Kombinieren alter
Konstanten.

Abschließend behandelt Stählin das Verhältnis von Glaube
und Mystik in Arnolds dichterischem Werk. Wenn auch
Sprache und Theologie Arnolds weitgehend von der Sprache
und Gedankenwelt der barocken Mystik lebten, so ist Arnold
doch stets auch als lutherischer Theologe zu verstehen.
Die hinter Arnolds Lyrik stehende mystische Integration
bezeugt Arnolds Absicht, der biblischen Paradoxie in ihrer
bedrängenden Spannung zu begegnen.

Von den beigegebenen Anhängen verdient der erste einen
besonderen Hinweis. In ihm hat Stählin einmal gezeigt, daß
die erste Ausgabe der „Göttlichen Liebes-Funcken" 1698 er-
ischienen ist. Außerdem ist ihm der Nachweis gelungen, daß
Arnold selbst in Perleberg ein bisher unbekanntes „Vollständiges
Geistreiches Gesangbuch" herausgegeben hat.

Marburg/Lahn Winfried Zeller

Morel, Charles, s. j.: Le Momento des vivants au canon de
la Messe romainc (RSR 57, 1969 S. 575-581).

Vandenbroucke, F., O. S. B.: Sur la theologie de la liturgie
(NRTh 92, 1970 S. 135-164).

KIRCHENRECHT

Schiaich, Klaus: Kollegialtheorie Kirche, Recht und Staat in
der Aufklärungszeit. München: Claudius Verlag 1969.
332 S. gr. 8° = Jus Ecclesiasticum. Beiträge z. evang.
Kirchenrecht u. zum Staatskirchenrecht, hrsg. v. A. Frh.
v. Campenhausen, M. Hcckel, K. Obermayer, G.-A. Vi-
scher, R. Weeber, 8. Kart. DM 28.—.

Der Verfasser der Arbeit, einer erweiterten und überarbeiteten
juristischen Dissertation (Tübingen 1967), hat sich
eine schwere Aufgabe gestellt: Er will den Zugang zu
den kirchenrechtlichen Lehren des 18. Jahrhunderts von
dem frei machen, was ihn während der Zeit der Romantik
und der kirchenrechtlichen Restauration des 19. Jh.s bis

heute „weithin verschüttet" habe; er will dadurch einer
„pauschalen Verketzerung" des Kirchenrechts der Aufklä-
rungszeit, also den Ansichten entgegentreten, die in den dem
Kirchenrecht jener Zeit zugrunde liegenden und damals in
Schrifttum und Lehre vertretenen Theorien eine „bloß
weltliche und profan-naturrechtliche Erscheinung" sahen,
und er will — auf diesem Sondergebiet — die „Rede von
der flachen Aufklärung" widerlegen.

Die Untersuchung schränkt der Vf. ein auf den deutschen
Kollegialismus des 18. Jh.s (S. 41 und 46); nur
selten wird auf nichtdeutsches Recht aufmerksam gemacht
(z. B. S. 119, Anm. 9) oder auf englische und holländische
Vorbilder hingewiesen (z. B. S. 164). Und im Vordergrund
steht evangelischer Kollegialismus, evangelische Kirche,
evangelisches Kirchenrecht; nur in einem Exkurs (S. 115
bis 117) wird einiges „Zum katholischen Kirchenrecht" ausgeführt
, etwa zum Eindringen des Naturrechts in die Ka-
nonistik und zu dem — „staatlichen" — Aufsichtsrecht über
die Kirche sowie zum Josephinimus (hier z. B. auch S. 109).

Wie im Anschluß an die Formulierungen des früh-neuzeitlichen
Reichsrechts (an das „Corpus Evangelicorum im
deutschen Reichstag) gegeben, werden unter den Evangelischen
Lutherische und Reformierte verstanden; in dieser
Hinsicht werden die Autoren meist nicht unterschieden (anders
z. B. S. 238), die der Vf. mit ungemein zahlreichen
wörtlichen, ausführlichen Zitaten selbst sprechen läßt. Dabei
macht der Vf. auf die Feinheiten in den voneinander
abweichenden Formulierungen und auf die mitunter dadurch
zum Ausdruck gebrachten völlig verschiedenen Grundauffassungen
und wissenschaftlichen Ansichten der Autoren
aufmerksam und zieht daraus seine Schlüsse.

So kann er, wie ich glaube, überzeugend darstellen, daß
in der Zeit der Aufklärung „mehrere", in historischer Abfolge
verschiedene „Schichten des kollegialistischen Kirchenrechts
" vorhanden waren, das in „seiner Frühzeit" auch
von zeitgenössischen führenden Theologen vertreten und
auch theologisch begründet wurde. So zerstört er sicherlich
ein im Anschluß an die Schriften einzelner Autoren (vor
allem S. 30) da und dort entstandenes Bild von einer mehr
oder minder einheitlichen (naturrechtlichen, rationalistischen
, aufgeklärten) Grundlage der Kollegialtheorie
— der Kollegialtheorien? — des 18. Jahrhunderts; er legt
offen, wo unzulässige Verallgemeinerungen in Verbindung
mit Ansichten nur einzelner Autoren der Aufklärungszeit
zu falschen Ergebnissen geführt haben, und er kann so
nachweisen, daß die „Kollegialtheorie" der Aufklärungszeit
auch theologisch unterbaut, also nicht (rationalistisch)
„flach" war, wie sie einige Autoren der Folgezeit bezeichneten
, die noch im 20. Jh. jene unrichtigen Ergebnisse ungeprüft
übernommen und vielleicht sogar vertreten hatten.

Nur im Hinblick auf diese Zielsetzung kann die umfangreiche
und sehr gründliche Arbeit gewürdigt werden; so
erklärt sich deren Anlage und Aufbau, die Auswahl der
zitierten Autoren und manche Entscheidung des Vf.s über
das, was er nicht gebracht oder nur gestreift hat.

Der Inhalt der Arbeit kann nur sehr verkürzt, unter Verzicht
auf die Darstellung der Zusammenhänge im einzelnen
und — auch nach dem Inhaltsverzeichnis — nicht vollständig
beschrieben werden.

In der Einleitung wird das „Grundschema des Kollegialismus
" behandelt, wie es in den meisten einschlägigen
Schriften der Aufklärungszeit wiederkehrt, ferner dessen
Nachwirkungen, die Bedeutung des „kollegialistischen Kirchenbegriffs
" im 19. und 20. Jahrhundert und der Stand der
gegenwärtigen Forschung. Endlich wird der „Gegenstand
der Arbeit" umrissen.

Es folgen drei je in Kapitel gegliederte Teile.

Im Teil I werden unter der Überschrift „Der Einfluß des
rationalen Naturrechts" die von den einzelnen zeitgenössischen
Autoren vertretenen Auffassungen von Kirche und
Kirchenrecht und die Fragen des rationalen Territorialis-