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Ausgabe:

1971

Spalte:

306-308

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Pratzner, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Messe und Kreuzesopfer 1971

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

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von 1554 nach der Ausgabe von J. J. Withof (1754), aber ohne
deren „Confession de Foy".

Was enthält die „L. S." in ihren verschiedenen Ausgaben?
Schon ihr Titel ist interessant, insofern das Wort „L." erst
im 16. Jh. in Westeuropa in Gebrauch gekommen ist und anfänglich
sehr selten benutzt wird. Während sich die „Vorrede
" von L an Eduard VI. wendet, ihm in der Weise Erz-
bischof Cranmers den alttest. König Josia als Vorbild vor
Augen stellend, gilt die „Vorrede" von G der „katholischen
Kirche Jesu Christi", damit den Anspruch der deutschen und
englischen Reformatoren auf Katholizität gegenüber dem
römischen Katholizismus aufnehmend. F spricht dann ganz
allgemein den „christlichen Leser" an. L betont in diesem
Stück besonders die Übereinstimmung mit Strasburg, Genf,
Zürich und Basel. Gegenüber seinen Kritikern bezeichnet P.
den Zweck der Schrift in G mit dem Satz „ . . . ce livret vous
servira pour patron et image de la vraye Eglise de Dieu, au
plus pres de sa parolle". Voran steht dann die Sonntagsliturgie
, die im Unterschied zur Liturgie der Flüchtlingsgemeinden
, wie sie Micron und ä Lasco beschreiben, nicht an
den mittelalterlichen Pronaus, sondern an die (eucharisti-
sche) Straßburger Tradition anknüpft. Marots Zehn Gebote-
Lied „Leve le cueur, ouvre l'aureille" eröffnet den Gottesdienst
. Ihm folgen am Altar Sündenbekenntnis, Absolution
und eine Kollekte, dann der Abschluß dieses Liedes. Erst der
Predigtteil mit der einstündigen Predigt und den Abkündi-
gungen hat auf der Kanzel seinen Ort. Während der letzteren
sammeln die Diakone das Opfer, was ergänzend zugleich
am Ausgang geschieht. Der dritte Teil besteht dann
aus einem Fürbittengebet, dem sich das vom Prediger gesprochene
Glaubensbekenntnis anschließt. Nach einem Psalm
wird die Gemeinde mit dem Segen (gemäß Num. 6) und einem
Friedensgrufj entlassen. Deutlich wirkt die Straßburger
Tradition darin nach, dafj das Abendmahl monatlich gefeiert
und dann eng mit der Sonntagsliturgie verbunden wird. In
diesem Fall singt die Gemeinde das Credo, das so den Übergang
zur Mahlfeier herstellt und sozusagen zum Ausdruck
der Einheit der Abendmahlsgemeinde wird. Diese Stellung
des Credo steht wie auch bei Calvin in auffallendem Gegensatz
zur römischen und meist auch lutherischen Tradition
und entspricht östlichem Brauch. Nach einem längeren
Abendmahlsgebet folgen als Einsetzungsworte die Verse 23
bis 29 aus L Kor. 11. Aus ihrem Abschluß ergibt sich die nun
folgende Exkommunikation der Unwürdigen. Für eine anschließend
vorgesehene „Exhortatio" zum Abendmahl wird
ein Beispiel gegeben. Dann bricht der „ministre" das Brot
und nimmt selbst die Elemente, ehe die Austeilung an die
herantretende Gemeinde erfolgt. Bei ihr reicht der „ministre
" das Brot mit der Spendenformel I. Kor. 10,16b und der
„diacre" den Kelch mit I. Kor. 10,16a. Danksagung und Segen
beschließen die Feier, die eineinhalb bis höchstens zwei
Stunden dauern soll.

Kurze Anweisungen für den sonntäglichen Katechismusgottesdienst
nach Tisch und den Vespergottesdienst folgen.
G. bietet außerdem ein durch Kraft und Wärme eindrucksvolles
Gebet für den Katechismus- und den täglichen Gottesdienst
. Nur kurz ist auch die Anweisung für diese Gottesdienste
, die in alttestamentlichen Abschnitten ihr Schwergewicht
haben. Durch einen Bußgottesdienst mit umfangreichem
Gebetsformular hebt sich der Donnerstag heraus. Es
folgt die Taufordnung: vor dem eigentlichen Taufakt gibt
sie Beispiele für eine Ansprache über die Taufe und für
eine nach Gutdünken des Predigers einzufügende Auslegung
des Glaubensbekenntnisses. Der Taufakt kennt kein
stellvertretendes Handeln der Paten, sondern will Eltern
und Paten für ihre Aufgaben am Täufling in Pflicht nehmen.
Ordnungen für die Trauung, den Krankenbesuch und das
Krankenabendmahl, dessen Gestaltung den Kranken in die
Gemeinde einschließen will, sowie für das Begräbnis werden
des weiteren mitgeteilt. In G und F schließt sich „La

confession de foy" bzw. die „professio fidei catholicae" an,
die alle Gemeindeglieder öffentlich und durch Unterschrift
anerkennen müssen, um an den Sakramenten teilhaben zu
können. G bietet außerdem „La loy" gemäß Ex. 20 und dem
„Doppelgebot der Liebe" aus Matth. 22 und Deut. 6, und
ebenfalls nur in G finden wir „L'ordre que l'on tient ä faire
la Confession de Foy, et confirmation des Catechumins, et
proselytes". Allen Ausgaben gemeinsam ist wieder das folgende
Stück: „L'ordre des ministres Ecclesiastiques, et leur
institution.et premierement duConcil et congregation des An-
ciens". Nur G hat danach eine längere Vaterunserparaphrase
. In L und F schließt sich an die Ausführungen über die
Ämter unmittelbar der kurze Abschnitt „De diseiplina et
exeommunicatione" an, während G nach dem ebengenannten
Gebet „La diseipline ecclesiastique" und „De la peniten-
ce publique des pecheurs repentans avant qu 'ilz ayent este
exeommunie" bringt. Dieser Abschnitt ist hier breit ausgeführt
, während die anderen Ausgaben statt dessen mit einer
„Ad lectorem candidum pro liturgia admonitio" schließen.
P. verteidigt darin die vorausgehenden Ordnungen vor allem
gegen den Vorwurf einer allzuweit gehenden Vereinfachung
gegenüber der liturgischen Tradition. Ihn erfüllt
dabei die Gewißheit „Alioqui in iis externis summa est Ec-
clesiae libertas" (S. 252). Zu den von ihm geschaffenen Ordnungen
weiß er sich durch die Erkenntnis autorisiert: „Est
enim data autoritas in Ecclesiam nulli ulla, nisi ad aedifi-
cationem. Id etiam cavendum, ne ulli coetui sua libertas eri-
piatur, quod fit, si cogitur altera alterius exemplum sequi,
aliter quam in Christo" (S. 254). —

Ohne hier auf die unwesentlichen Abweichungen der verschiedenen
Ausgaben der „L.S." eingehen zu können, scheint
mir deren Bedeutung darin zu liegen, daß auch sie erweist,
wie die Autorität Calvins und der Genfer Kirche das Bewußtsein
der Freiheit in den Zeremonien bei den neu entstehenden
reformierten Gemeinden nicht erstickt hat. Wenn
auch auf P. das Straßburg-Genfer liturgische Vorbild unverkennbar
einwirkt, so geht er doch selbständig damit um.

Man wird dem Herausgeber Dank wissen für diese übersichtliche
Neuausgabe einer bisher nur schwer zugänglichen,
wichtigen liturgiegeschichtlichen Quelle, nicht zuletzt auch
für seine „Einleitung", die das Wesentliche dieser Schrift
knapp und scharf kennzeichnet und die Unterschiede zwischen
den verschiedenen Ausgaben deutlich macht.

Greifswald William Nagel

Pratzner, Ferdinand: Messe und Kreuzesopfer. Die Krise
der sakramentalen Idee bei Luther und in der mittelalterlichen
Scholastik. Wien: Herder (1970). 136 S. 8° = Wiener
Beiträge zur Theologie, hrsg. v. d. kath.-theol. Fakultät
d. Univ. Wien, XXIX. Kart. DM 13.20.
Diese Arbeit stellt eine Dissertation vor der Theol. Fakultät
von S. Anselmo in Rom 1967/68 dar. Sie steht betont im
Zusammenhang mit der gegenwärtigen liturgischen Erneuerung
der röm.-kath. Kirche und möchte zu ihrem Teil dazu
beitragen, „die theologischen Formulierungen und Aussagen
der Vergangenheit" neu zu durchdenken, hier in Bezug auf
das „Gedächtnis des Herrn". Vf. sieht die Krise der Meßopferlehre
in der Scholastik aufbrechen, bis sie dann „zur Zeit
der Reformation besonders durch Martin Luther zum verhängnisvollen
Durchbruch gekommen ist". Als Weg zur Lösung
der Krise sieht Vf. das „Verständnis der Messe als des
sakramentalen Gedächtnisses des Herrn, der sich für uns
hingegeben hat" (S. 7).

Das Problem sieht Vf. darin (1. Kap., S. 15—23), daß er
„einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Luthers
theologischem Verständnis von der Messe als Opfer und
der mittelalterlich-scholastischen Meßopfertheologie" herauszuarbeiten
habe (21), wobei er — positiv — den Sinn des