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Ausgabe:

1971

Spalte:

301-303

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grosche, Robert

Titel/Untertitel:

Pilgernde Kirche 1971

Rezensent:

Hofmann, Hans

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

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meinen wir doch, daß angesichts der heute zu beobachtenden
Tendenz, alle Abendmahlsaussagen zu personalisieren,
daran festgehalten werden muß, daß es Christi Leib und
Blut sind, mit denen Christus im Abendmahl zu uns kommt.
Wir fragen weiter, ob die Bestimmung der Bedeutung des
Wortes im Sakrament richtig gesehen wird (S. 81). Welche
Bedeutung hat für Vf. das Opfermahl bei Paulus? Ist es ein
propitiatorisches Opfer des Menschen?

Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage nach dem
Verständnis des Abendmahls als „Symbolwirklichkeit". Das
Gespräch mit nicht-römisch-katholischen Theologen wird
aufgenommen (van der Leeuw, Brilioth, Tillich, Thurian),
doch würde den lutherischen Theologen ein Gespräch aus
der Sicht des Vf.s mit den Theologen, die aus lutherischer
Sicht das Abendmahl als Repräsentation des Heilsgeschehens
darstellen (z. B. Peter Brunner), interessieren. Es kann
kein Zweifel sein, daß allgemein das Symbolverständnis
ernster genommen werden muß als bisher. Aber was ist ein
Symbol (hier gibt ja bekanntlich auch Tillich keine klare
Auskunft)? Kann man die Definition des Vf.s übernehmen:
„Das Zeichen weist auf eine Wirklichkeit außer seiner
selbst, das Symbol trägt die Wirklichkeit in sich selbst. Im
Symbol fallen Stoff und Geist zur Zweieinheit zusammen"
(S. 80) ? Überbewertet nicht Vf. die Symbolsprache, wenn er
sagt, daß sich Gott „gerade in dieser Weise den Menschen
offenbaren will" (S. 144)? Kann das Symboldenken wirklich
dem modernen Menschen helfen, das Glaubensmysterium
zu erfassen, zu erleben? Vf. weiß, daß viele „das Glaubensmysterium
ablehnen, weil es verstandesmäßig unfaßbar ist"
(a. a. O.)!

Es lohnt sich, mit dem Vf. in das Gespräch einzutreten,
gerade weil viele Fragen offen bleiben (besonders hinsichtlich
des Opfercharakters der Eucharistie). Vf. geht dem Gespräch
mit Luther aus dem Weg (vgl. S. 181). Sollte es an
dieser Stelle nicht aufgenommen werden?

Wesentliche Druckfehler wurden nicht bemerkt, die
Übersetzung ist flüssig.

Schlettau/Erzgeb. Karl-Hermann Kandier

Grosche, Robert: Pilgernde Kirche. Mit einer Einführung v.
H. Fries. 2. Aufl. Freiburg-Basel-Wien: Herder [1969]. IX,
252 S. 8°.

Die Beiträge dieses Bandes sind zum ersten Mal 1938
herausgegeben. Robert Grosche (1888—1967), Pfarrer, Professor
, Stadtdechant und Domkapirular in Köln, gehört zu
den Wegbereitern des evangelisch-katholischen Gesprächs
und des II. Vaticanum. Als einer der ersten hat er nachdrücklich
gefordert, daß Karl Barth von den katholischen
Theologen gehört werden müsse, weil „der Katholik mehr
als jeder andere der Gefahr ausgesetzt ist, zwischen Gott
und den Menschen die Religion und die Kirche als sachlichdingliche
Größe . . . einzuschieben und dadurch die Absolutheit
Gottes abzuschwächen". (Homilien zum Kolosser-
brief. Paderborn 1926.) „Kein geistiges Ereignis dieser Zeit
kann sich mit dieser theologischen Selbstbesinnung messen.
Diese Theologie ist aber eine Frage an die Katholiken, die
ein Recht auf Antwort hat, weil sie eine wirkliche und ernste
Frage ist." So heißt es in dem ersten Heft der 1932 von
Grosche gegründeten „Vierteljahresschrift für Kontroverstheologie
«Catholica» " in dem einführenden Artikel „Die
dialektische Theologie und der Katholizismus", die bis 1938
erschien und dann wieder seit 1952. Was Grosche mit diesem
Vorhaben bezweckte, gilt auch für die sehr verschiedenartigen
Beiträge des vorliegenden Bandes wie für sein
ganzes Schaffen. Er will zu „den evangelischen Christen
von heute sprechen, nicht um durch Herausstellung von
Gegensätzen die Welt noch mehr zu entzweien, aber auch
nicht, um auf dem Wege illegitimer Kompromisse zu einer
Einigung in einer abstrakten oder überkirchlichen una

saneta zu kommen, sondern einfach, um den evangelischen
Christen . . . die Lehre der Ecclesia catholica darzulegen.
Wir wissen, daß tiefgreifende Unterscheidungen uns trennen
". Nun führt Grosche ein Wort aus der Symbolik von
J. A. Möhler an, auf das er oft hingewiesen hat und das
bezeichnend für seine Haltung und Absicht ist:, „die Ansicht
, es seien keine erheblichen und ins Herz des Christentums
eingreifenden Unterscheidungen vorhanden, kann
nur zu gegenseitiger Verachtung führen; denn Gegner, denen
das Bewußtsein innewohnt, daß sie keine ausreichenden
Gründe haben, sich zu widersprechen und es dennoch
tun, müssen sich verachten". Grosche geht es auch in den
Beiträgen dieses Bandes darum, die Unterschiede nicht zu
verwischen, sondern herauszuarbeiten, weil er überzeugt
ist: „sie machen das Gespräch nicht unmöglich, im Gegenteil
, sie fordern es". So läßt er überall die beiderseitigen
Positionen klar und scharf zutage treten, um von da aus zu
gemeinsamen neuen Erkenntnissen zu kommen oder, wie
Heinrich Fries in der bemerkenswerten Einführung zu der
neuen Auflage sagt, „aus den beiderseitigen Engführungen
herauszukommen und die falschen Alternativen zugunsten
der Wahrheit im Ganzen aufzuheben" (XVII).

Zwei Themenkreise sind in diesen Aufsätzen vorwiegend
behandelt. Der erste betrifft Luther und die reformatorische
Theologie, so in den Beiträgen: „Katholizismus und
Protestantismus", „Luther heute", „Simul peccator et iustus"
(sie!), „Das allgemeine Priestertum", „Zur theologischen
Anthropologie". Grosches Urteile sind oft prägnant, oft
provozierend, aber das auch wieder im Sinne des „distin-
guer pour unir". Er deckt gegen Denifle den tiefen Sinn
von Luthers simul iustus et peccator auf, glaubt die Theologie
Luthers, den er einmal den größten Prediger aller
Zeiten genannt hat, ablehnen zu müssen, ist aber überzeugt
: „Sobald die evangelischen Christen auf den echten
Luther zurückgehen, kommen sie ins Gespräch mit uns
Katholiken" (S. 125). Oder Grosche kommt zu dem Ergebnis
: „Die Reformation hat vom allgemeinen Priestertum
das Wort gehabt, die Sache hat sie gerade preisgegeben".
Aber er weiß auch, daß „schon zu Luthers Zeiten das allgemeine
Priestertum eine vergessene Wahrheit war" und
weshalb „der Angriff auf das besondere Priestertum von
solcher Heftigkeit werden konnte" (S. 184 f.).

Eine zweite Gruppe von Themen befaßt sich in Weiterführung
von Gedanken von J. A. Möhler (1796—1838) und
M. J. Scheeben (1835—1888) damit, den „nachtridentinischen,
polemischen, juridischen Kirchenbegriff" (S. 23) zu überwinden
. Man muß bedenken, daß zur Zeit der Entstehung
dieser Studien „die Kirche sich selbst noch nicht definiert"
hatte (S. 27). Grosche hat wesentliche Vorarbeit für die Definition
der Kirche auf dem II. Vaticanum geleistet. Der
Begriff „Pilgernde Kirche", unter den zwei grundlegende
Arbeiten dieses Bandes gestellt sind und der mit Recht dem
ganzen Band den Titel gegeben hat, ist seitdem in die Definitionen
des II. Vaticanum und den allgemeinen Sprachgebrauch
eingegangen. Daraus erhellt, welche Bedeutung
den hier dargebotenen Beiträgen und Grosches Arbeit im
ganzen beizumessen ist. Sie werden in einem zweiten Sammelband
mit dem Titel „Et intra et extra" bedeutsam fortgeführt
und zeigen die große Breite seiner Studien1.

Weitere Artikel gelten Karl Barths Augustin-Auffassung,
der Würdigung und Bedeutung von John Henry Newman,
dem Grosche sich besonders verbunden fühlte, dem Philosophen
Theodor Haecker sowie den Themen: „Natur und
Geschichte" und „Schrift, Überlieferung, Kirche". Der neuen
Auflage ist auch eine Würdigung von K. E. Skydsgaard
beigegeben. Er schrieb 1939: „Für den protestantischen
Theologen, der überhaupt ein Problem im Verhältnis zur
katholischen Theologie sieht, ist Grosches Buch ein wirkliches
Erlebnis" (S. 244).

Von der „Pilgernden Kirche" bekennt der Jesuitenpater
Alois Schuh: „Wir hatten damals in der scholastischen Brot-