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Ausgabe:

1971

Spalte:

292-294

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Buss, Hinrich

Titel/Untertitel:

Kierkegaards Angriff auf die bestehende Christenheit 1971

Rezensent:

Holm, Soren

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

292

sehen Schriften, d. h. in gewissem Sinne Aufgaben der Interpretation
, die der Vf. auch selbst als solche bezeichnet
(S. 63, 81), werden mit in Part I erörtert. Unter Interpretation
im Sinne der Überschrift von Part II (S. 99—227)
versteht der Autor „the attempt to set the building and its
decorations into the historical context to which they belong
and thus to appraise thoir importance" (S. 101).

Da das Interesse an der ersten christlichen Kirche lebhaft
, das Buch von Kraeling aber schwer zugänglich ist, sei
es erlaubt, über den Inhalt von Part I etwas ausführlicher
zu berichten, als es in einer Rezension üblich ist.

Das christliche Haus hatte seinen Platz am Westtor der
Stadt. Es war wie die Synagoge ein Privathaus und ist in
ein Kultgebäude umgewandelt worden. Man betritt es von
Norden und gelangt in einen Hof, der im Osten von einer
Säulenhalle und an den anderen Seiten von geschlossenen
Räumen umgeben ist. Zwischen zwei Räumen auf der Südseite
hat man die Wand niedergelegt und auf diese Weise
einen Saal von 12,90 m Länge und 5,15 m Breite geschaffen,
der an der östlichen Schmalseite ein Podium für den Vorsteher
enthält und als Versammlungssaal identifiziert werden
kann. In dem nordwestlichen Eckraum des Hauses,
dessen Länge 6,80 (6,87) m und dessen Breite 3,16 (3,13) m
beträgt, hat man die große Kufe mit dem Baldachin errichtet
und die berühmten Wandmalereien angebracht. Die alte
Streitfrage, ob diese Anlage als Martyrium oder als Bap-
tisterium zu deuten sei, wird nach sorgfältiger Argumentation
überzeugend entschieden. Die Kufe, die übrigens die
gleiche wasserdichte Verkleidung wie die Bäder in Dura
besitzt, kann nur als Taufbecken gedient haben. Bemerkenswerterweise
hat man nur das Baptisterium, nicht aber
den Versammlungssaal mit Wandmalerei versehen.

Das Datum 232/33, das auf einem Graffito überliefert ist,
nimmt Kraeling nicht, wie bisher üblich, für die Umwandlung
in den Kultbau, sondern für die Errichtung des Privathauses
in Anspruch. Man bewundert an seiner Argumentation
die unüberbietbare Vertrautheit mit der Gesamtheit
der Verhältnisse, fragt sich aber, ob das erhaltene Material
zu einer sicheren Bestimmung ausreicht. In jedem
Falle hat der Kultbau bis zu seiner Zerstörung 256 bei der
Auseinandersetzung mit den Sasaniden nur eine kurze Lebensdauer
gehabt.

Die Reste der Malerei verteilen sich über alle vier Wände
, die Decke und den Baldachin. Decke und Baldachingewölbe
tragen weifte Sterne auf blauem Grund, auch ein
Fragment der Darstellung des Mondes ist gefunden worden
. Als Blickpunkt darf die Lünette der Westwand unter
dem Baldachin des Taufbeckens gelten, in der ein Widderträger
mit seiner Herde und darunter in kleinerem Mafistab
Adam und Eva dargestellt sind. Die Seitenwände werden
durch ein gemaltes Ornamentband in zwei Zonen gegliedert
. Auf der Südwand hat man oben eine Gartenlandschaft
und unten David und Goliath mit den Beischriften
ihrer Namen und eine Frau an einem Brunnen gefunden.
Kraeling entscheidet sich für die Samariterin gegen Rebekka
. Die umfangreichsten Reste von Malerei bietet die Nordwand
. Oben sind die Heilung des Gichtbrüchigen und Jesu
Wandeln auf dem Wasser dargestellt, unten ein Sarkophag,
Frauengestalten mit Fackeln und Gefäßen und eine geöffnete
Tür. An der Ostwand haben sich nur die Füße vcm
fünf schreitenden Frauengestalten erhalten. Sie haben ihren
Platz in gleicher Höhe wie die Frauen der Nordwand.
Die Malerei der Ostwand ebenso wie die anschließende
Putzschicht mit der Türdarstellung war im Preliminary
Report noch nicht veröffentlicht worden.

Kraelings Erklärung der Fragmente in der unteren Zone
der Ostwand und der Nordwand ist eine Meisterleistung
ikonographischer Interpretationskunst und ein Höhepunkt
des Buches. Er erkennt zwei Phasen eines Ereignisses: auf
der Ostwand den Gang der Frauen zum Grabe Jesu und
auf der Nordwand die Frauen nach dem Durchschreiten der

Grabestür in feierlicher Prozession vor dem Sarkophag. Da
die EvangeMentexte wegen der Anzahl der Frauen und aus
anderen Gründen nicht als Quelle der Inspiration gelten
können, leitet der Vf. die Darstellung von der Evangclien-
harmonie des Tatian ab. Dafj diese Schrift in der Gemeinde
von Dura benutzt wurde, beweist ein Pergamentblatt des
Diatessaron, das man in der Nähe des Hauses gefunden
hat. (Die Erforschung der Ikonographie des Diatessaron ist
inzwischen vorangetrieben worden: The Art Bulletin 50,
1968; mir nicht zugänglich.)

Part II umfaßt fünf Problemkroise: 1) das frühe Christentum
im Euphrat-Tigris-Becken und in Dura, 2) das christliche
Haus in Dura und die frühe Kirchenarchitektur, 3) die
Dekoration des christlichen Hauses und die antike dekorative
Kunst, 4) die Bedeutung der Malereien des Baptisteri-
ums und 5) ihr Verhältnis zur früchristlichen Kunst. —
Den Ertrag der christlichen Malerei von Dura für die Diskussion
über die Beziehungen zwischen jüdischer und altchristlicher
Kunst schätzt Kraeling als gering ein. Er äufiert
sich sehr zurückhaltend. Sehr anregend sind seine Hinweise
auf verwandte Dekorationen heidnischer Kultbauten. Durch
den Vergleich mit Räumen, die an der Stirnwand ein Bild
der Kultgottheit und auf den Scitenwänden die Heilstaten
des Gottes zeigen, fällt neues Licht auf das Hirtenbild in
der Lünette und auf die Wundertaten Jesu an der Nordwand
des Baptisteriums. Weniger überzeugend wirkt der
Versuch, die Bilder der unteren Zone mit dem Zweck des
Raumes, der Taufhandlung, zu verbinden.

Man bewundert an diesem Werk die Sorgfalt der Detailforschung
ebenso wie die Weite des Horizontes.

Jena Johanna Flemming

Aslanowa, Jekaterina: Die Ikonenmalerei des russischen
Mönchs Grigori Krug (Stimme der Orthodoxie 1970 Heft
9 S. 20-25).

Dassmann, Ernst: Das Apsismosaik von S. Pudentiana in
Rom (Taf. 1—4) (RQ 65, 1970 S. 67-81).

Gamber, Klaus: Churrätische Saalkirchen mit Dreiapsiden-
Chor liturgiegeschichtlich untersucht (RQ 65, 1970 S. 98
bis 126).

PHILOSOPHIE
RELIGIONSPHILOSOPHIE

Buss, Hinrich, Dr. theol.: Kierkegaards Angriff auf die bestehende
Christenheit. Hamburg-Bergstedt: Reich 1970.
214 S. gr. 8° = Theologische Forschung. Wissenschaftl.
Beiträge z. kirchlich-evangelischen Lehre, hrsg. v. H.-W.
Bartsch, F. Buri, D. Georgi, G. Harbsmeier, J. M. Robinson
, F. Theunis, K. Wegenast, 49.

Dieses Buch über Kierkegaards Angriff auf die bestehende
Christenheit ist wahrscheinlich die gröfite Darstellung,
die dieses Thema zum Gegenstand hat. Der Vf. fängt an
mit der Frage, wie Kierkegaard dazu kommen konnte, einen
solchen Angriff, der ihm keinen Ruhm einbringen und
seine bisherige Tätigkeit als Schriftsteller nur kompromittieren
konnte, erscheinen zu lassen, einen Angriff, der von
allen früheren verschieden war. Die Intention des Buches
ist nur die eine, im interpretierenden Nachvollzug den Ort
des Angriffs im Gesamtwerk und seine Begründung wie
Berechtigung möglichst ohne verstellende Fragestellung
darzulegen, eine Arbeit, die nicht früher unternommen worden
ist. Es soll versucht werden, die Problematik darzustellen
, zu durchdenken und womöglich eindeutig ins Bewußtsein
zu heben. Es wird kaum möglich sein, die Fragestellung
in der Arbeit zu einem solchen Ergebnis zu bringen,
das sich in einem Satz formulieren läßt, und darin müssen