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Ausgabe:

1971

Spalte:

284-287

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Algermissen, Konrad

Titel/Untertitel:

Konfessionskunde 1971

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

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einmal zugewandt hätte. Die heilsgeschichtlichen Schriften
stehen vielmehr im Zentrum seines Schaffens; sein Denken
ist ganz entschieden heilsgeschichtlich ausgerichtet" (220).
Aber „der radikal heilsgeschichtlich denkende B. paßt
schlecht zu der beschaulichen und harmlosen Erbaulichkeit
seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die ihn zu ihrem Ahnherrn
. . . umdeutete" (221). Andrerseits muß natürlich M.
auch feststellen, daß „es hier (für uns) kein unmittelbares
Verstehen, kein müheloses Begreifen gibt". Denn „die Kategorien
des Denkens haben sich (seitdem) radikal gewandelt
" (220). „B.s heilsgeschichtliche Theologie ist irrig. Sie
hält weder dem biblischen Zeugnis stand, noch ist sie in
Einklang mit den Bekenntnisschriften zu bringen" (332).
M. steht hier vor einem sehr schwierigen Problem, dessen
Lösung ihm nicht völlig gelungen ist. Er muß auf Grund
der Quellen festhalten, daß B. als Exeget, als gewissenhafter
und sachverständiger Ausleger des N.T., vor allem
der Apokalypse (zu der er drei große Kommentare geschrieben
hat) zu seinen heilsgeschichtlichen Thesen mit
den seltsamen, z. T. sehr anfechtbaren Rechenoperationen
gekommen ist. M. zitiert B.: „Kein übermachtes Grübeln,
. . . sondern nur ein geziemend genaues Forschen findet
hier statt" (312). M. weiß, daß „diese höchst komplizierte,
kunstvoll aufgebaute Theorie" von B. „als Anleitung zum
Handeln verstanden wird" (220). Trotzdem sieht sich M.
gezwungen, zu konstatieren, daß „das Zeugnis der Hedligen
Schrift von B. verfehlt wird" (338). Der richtigen Lösung
des ohne Frage sehr schwierigen Problems kommt M. m. E.
sehr nahe, wenn er schreibt: „Gewiß soll B.s Verdienst nicht
geschmälert werden, der christlichen Eschatologie nachdrücklich
das Wort geredet zu haben, aber diese Eschatologie
ist . . . so stark apokalyptisch eingefärbt, daß sie eigentlich
im Raum der evangelischen Kirche keinen Platz
hätte finden dürfen . . . Sein Verdienst, die Bibel als ein
großes zusammenhängendes Ganzes beschrieben zu haben,
als ein einheitliches System des göttlichen Hedlshandelns,
erfreut angesichts jener armseligen Ansicht, die in der Heiligen
Schrift eine Sammlung höchst nützlicher Sprüche sieht"
(334). (Gemeint ist dabei die orthodoxe Theorie von den
dicta probantia, aber erst recht die „Herrnhutische Losungsfrömmigkeit
", die bei der Auseinandersetzung mit Zinzen-
dorf von B. kritisiert wurde!) B. konnte, innerlich gebunden
an die Lehre von der Verbalinspiration, noch nicht wissen
, was uns heute klar erkennbar ist, nämlich daß zwischen
apokalyptischer und prophetischer Eschatologie scharf
unterschieden werden sollte. Wir können und müssen heute
die Apokalyptik mit ihren (durch Mark. 13,32 uns verwehrten
) Rechenoperationen als .unbiblisch' preisgeben und
können trotzdem an dem heilgeschichtlich-eschatologischen
Charakter des Evangeliums, an dem B. so viel gelegen war,
festhalten7. Weil B. diese Unterschiedung noch nicht vollziehen
konnte, deshalb mußte seine heilsgeschichtliche Theologie
das Wasser auf die Mühlen der Separatisten, Ad-
ventisten und „Ernsten Bibelforscher" leiten. Das ist B.s
zeitgeschichtlich bedingte Fehlleistung, die wir — darin hat
M. sicher recht — nicht bagatellisieren können. Aber eins
steht fest: B. ist selbst kein Separatist geworden durch
seine heilgeschichtliche Theologie. Denn „von grundlegender
Bedeutung für das Verständnis B.s als Schrifttheologen
sind seine Ansichten über die Beziehung zwischen Schrift
und Kirche". „Die Schrift hilft der Kirche auf, und unterhält
sie. Die Kirche giebt der Schrift Zeugnis, bewahret sie.
Wann die Kirche wacker ist, so glänzet die Schrift; wann
die Kirche kränkelt, so bleibt die Schrift verliegen ..."
(361).

Weil B. „meisterhaft und unverwechselbar zu formulieren
vermochte", hat sich M. „zum häufigen Zitieren verlocken"
lassen. „Dadurch nähert sich die Darstellung zuweilen einer
Dokumentation an, was jedoch — meint M. — der Sache
selbst gut bekommt" und wofür ihm auch der Leser seines
Buches sehr dankbar sein wird (13).M Aber M.s Buch ist

weit mehr als nur eine Dokumentation; es ist eine — im
besten Sinne des Wortes — kritische Biographie, die die
Bengel-Forschung einen großen Schritt vorwärtsgebracht
hat.

Jena Erich Hertzsch

1 Dr. J. A. Bengel's Leben und Wirken, meist nach handschriftlichen
Materialien. Stuttgart 1831. 579 S.

2 J. A. Bengel. Der Klostepräzeptor von Denkendorf. Sein Werden
und Wirken nach handschriftlichen Quellen dargestellt. Stuttqart 1937.
488 S.

:< 1. Kindheit und Schulzeit. 2. Student, Repetent und Vikar. 3. Klo-
sterpräzeptor. 4. Prälat.

4 Hermans Biographie führt bekanntlich nur bis 17411

5 Die Verteilung der „heilsgeschichtlichen Theologie" und der „allgemeinen
Theologie" auf zwei Kapitel (12.13) ist recht problematisch.

6 Es sei bes. aufmerksam gemacht auf das schöne Zitat in Anm. 132
(S. 432).

7 Vgl. hierzu M. Buber, Kampf um Israel. 1933. S. 50-67; M. v. Rad,
Theol. des A.T. II. 1960. S. 314-328: P. Vielhauer, in: Hennecke-Schnee-
melcher, N.t.liche Apokryphen. II. 1964. S. 418 f.

* „Dieser naheliegenden Versuchung sind vor mir schon — und m. E.
zurecht — Burk und Hermann erlegen" (13).

Gennrich, Paul-Wilhelm: Arthur Malmgren (Die evang. Diaspora
41, 1971 S. 59—100).

Lejeune, Robert [Hrsg.]: Christoph Blumhardt und Friedrich
Zündel über Johann Christoph Blumhardt. Zürich:
Zwingli Verlag (1969). 207 S. 8°. Lw. DM 14.—.

Pfister, Paul F.: Ignaz von Döllinger als Hochschullehrer
(1799-1890) (IKZ 60, 1970 S. 231-265).

Scholder, Klaus: Die Kapitulation der evangelischen Kirche
vor dem nationalsozialistischen Staat. Zur kirchlichen und
politischen Haltung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses
vom Herbst 1932 bis zum Rücktritt Bodelschwinghs
am 24. Juni 1933 (ZKG 81, 1970 S. 182-206).

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Algermissen,Konrad: Konfessionskunde. 8. Aufl.,neubearb.
v. H. Fries, W. de Vries, E. Iserloh, L. Klein, K. Keinath,
hrsg. vom Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik.
Paderborn: Verlag Bonifacius-Druckerei [1969). XXVIII,
886 S. 4°. Lw. DM 64.-.

Das große katholische Standardwerk über Konfessionskunde
, das der Algermissen seit langem ist, kommt nach
dem Tode des Autors nunmehr in 8. Auflage heraus, nachdem
die 7. von 1957 schon seit Jahren vergriffen ist. In
die Neubearbeitung haben sich fünf Fachleute geteilt: H.
Fries behandelt die römisch-katholische Kirche (S. 1—75),
W. de Vries SJ die getrennten Kirchen des Ostens (S. 79 bis
278), E. Iserloh die Kirchen reformatorischer Prägung (S.
281—462); wobei V. Pfnür die komparative Symbolik der
evangelischen Kirchen darstellt (S. 348—390), L. Klein OSB
die Kirchen anglikanischer Prägung (S. 465—656), K. Keinath
Fredkirchen und Sekten (S. 659—826). Vorangestellt
ist eine Einführung „Konfessionskunde und ökumenik"
von E. Stakemeier. Ein Anhang „Der Ökumenische Rat der
Kirchen" von L. Klein OSB beschließt das umfangreiche
Werk (S. 829—862). Zwei Register, getrennt nach Personen
(S. 865-875) und Sachen (S. 876-885), erschließen das vorgelegte
Material. W. de Vries SJ und K. Keinath konnten
zum guten Teil auf den Algermissenschen Text zurückgreifen
; diese Teile sind daher als „neubearbeitet von . . . "
bezeichnet. Die andern drei Mitarbeiter haben ihre Kapitel
neu abgefaßt; unter den Überschriften steht daher „von . ..".
Die Grundprinzipien Algermissens, insbesondere der ökumenische
Geist seiner Arbeit, sowie die Anordnung des
Stoffes sind beibehalten worden.

Der 1. Hauptteil „Die römisch-katholische Kirche" entspricht
dem 1. und 2. Hauptteil der 7. Auflage: „Die Grundelemente
der Kirche Christi" und „Die katholische Kirche
in ihrem Wesen, ihrer Eigenart und Wirksamkeit". Er ist
von 345 Seiten in der 7. Auflage auf jetzt 73 Seiten gekürzt
. Diese radikale Beschneidung des Stoffes wird haupt-