Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1971

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

279

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

280

Beschreibung gegeben wird. Kein Zweifel kann mehr an
Calvins Verfasserschaft des „Anschreibens an das Bundesvolk
vom Sinai" bestehen, dessen Drucktext in Faksimile
Wiedergegeben ist. Die Schrift, die unter dem Einfluß Sebastian
Münsters entstanden ist, sollte unter die Werke Calvins
aufgenommen werden. Auch einige Korrekturen am
herkömmlichen Bild des Erstdrucks der Institutio können
angebracht werden.

Das nächste Kapitel bildet die Fortsetzung des 2. Kapitels
insofern, als es Calvins antinikodemitische Schriften ab 1537
behandelt, die nach der Reise Calvins zu Renate d'Este entstanden
. Es handelt sich neben einigen Briefen Calvins um
den Petit Traicte von 1541 und den Excuse von 1544 und
ihre Druckgeschichte und Übersetzungen. Calvins Haltung
in der Frage des Nikodemitismus wird durchaus kritisch
betrachtet. Führte sie doch zu der zahlenmäßig sehr umfangreichen
Einwanderung ausländischer Protestanten in
Genf in den Jahren 1549 bis 1559. Eine besondere Rolle
spielt hierbei die italienische Übersetzung der beiden an-
tinikodemitischen Hauptschriften Calvins durch Massimiliano
Celso Martinengo mit einem auf 1552 datierten Vorwort
Calvins, in dem dieser die Einwanderer vor einem Mißbrauch
der gewonnenen Freiheit im antitrinitarischen und
täuferischen Sinne warnt. Martinengo ist auch der bisher
unbekannte Autor des italienischen Gottesdienstbuches von
1554, das H. Jahr zum ersten Male beschrieben hat. Das
gibt Martinengo eine bisher zu wenig gewürdigte Bedeutung
.

Mit Wolf gang Musculus und seinem Proscaerus von 1549
sowie dem unruhigen Leben seines Übersetzers Valerand
Poullain (Le Temporiseur, 1550) befaßt sich Kapitel 4. Sorgfältig
sind die bibliographischen Beschreibungen und Mitteilungen
verzeichnet. Le Temporiseur ist abgedruckt (S.
186-232). Es handelt sich bei ihm und seiner lateinischen
Vorlage um das gleiche Problem, das bei Calvin mit Nikodemitismus
bezeichnet ist. Einen wichtigen Bestandteil des
Kapitels bilden der Abdruck eines hierher gehörigen Textes
von Johannes a Lasco und eines bisher unbekannten Textes
von Celio Secondo Curione, die (sich ebenfalls mit dem Verhältnis
zu einer andersgläubigen gesellschaftlichen Umwelt
befassen.

Kapitel 5 verfolgt den hochinteressanten Weg von Francops
Landry, eines reformatorisch gesinnten Pfarrers, der
sich der Gunst der Margarete von Navarra und des Kardinals
Du Beilay erfreute und so immer wieder der Inquisition
entkam. Er war der Autor eines bedeutenden anonymen
Erbauungsbuches, und sein literarisches Werk ist
eng verbunden mit dem Unternehmerfleiß der Brüder Lan-
gelier, deren Werk D. eingehend untersucht. Interessant ist
die Zusammenstellung der verwandtschaftlichen Verbindungen
der Familie Landry. Eine Lücke füllt die Feststellung
der Spuren der Witwe Francois Landrys aus. Nachdenklich
stimmt die Bemerkung, daß die Ausdauer der von Calvin
bekämpften Nikodemiten die Reformation in Frankreich
gerettet habe.

Das letzte Kapitel befaßt sich mit den Zusammenhängen
des anonymen Traicte de la justice de Dieu von 1562, der
Beza zugeschrieben werden muß. Der Text wird vollständig
wiedergegeben (S. 411—428); eine Studie zum literarischen
Stil Bezas schließt sich an.

Dem Band sind ein Namenregister und ein Verzeichnis
der zitierten Titel beigegeben. Sehr wertvoll ist die große
Zahl der in den Text eingefügten faksimilierten Textstücke,
Titelblätter, Colophonien, Initialen usw., die immer wieder
die notwendige Anschauung und den Eindruck vermitteln,
man stehe den Originalquellen 9elbst gegenüber. Man kann
auf den zweiten Band nur gespannt sein.

Eisenach Ernst Koch

Barth, Hans-Martin: Luther und die Reformation in katholischer
Darstellung (Wissenschaft und Praxis in Kirche
und Gesellschaft 59, 1970 S. 558—571).

Kohls, Ernst-Wilhelm: Luthers Entscheidung in Worms.
Eine Besinnung für alle evangelischen Christen zum 450-
jährigen Jubiläum des Wormser Reichtags von 1521.
Stuttgart: Calwer Verlag [1970). 44 S. 8° = Calwer Hefte
zur Förderung biblischen Glaubens u. christlichen Lebens,
hrsg. v. T. Schlatter, 112. Kart. DM 1.90.

Maurer, Wilhelm: Autorität in Freiheit. Zu Marcuses Angriff
auf Luthers Freiheitslehre. Stuttgart: Calwer Verlag
[1970]. 31 S. kl. 8° = Calwer Hefte zur Förderung biblischen
Glaubens und christl. Lebens, hrsg. v. Th. Schlatter,
111. DM 1.90.

Volz Hans: Luthers Randbemerkungen zu zwei Schriften
Gabriel Biels. Kritische Anmerkungen zu Hermann Dege-
rings Publikation (ZKG 81, 1970 S. 207- 219).

KIRCH EN GESCHICHTE: NEUZEIT

Mälzer, Gottfried: Johann Albrecht Bengel. Leben und Werk.
Stuttgart: Calwer Verlag (1970). 495 S., 2 Taf. gr. 8°. Lw.
DM 34.—.

Das Buch zeigt auf jeder Seite, daß der (1935 in Thüringen
geborene) Vf. nicht nur Dr. theol., sondern auch Bibliotheksrat
ist, der jahrelang in der Württembergischen Landesbibliothek
gearbeitet hat, in welcher „der eigentliche,
zusammenhängend aufbewahrte und verzeichnete Bengel-
Nachlaß" konzentriert ist (380 f.). Ausgewiesen hat M. sich
bereits durch Arbeiten, die sedner Bengel-Biographie zugute
gekommen sind: seine (1968 als Buch erschienene) Dr.-Dis-
sertation über „Bengel und Zinzendorf", deren „Extrakt"
als Kap. 9 in den zweiten Teil der Biographie eingegangen
ist, und „Die Werke der württemb. Pietisten des 17. und
18. Jh.s. Eine Bibliographie der bis 1968 erschienenen Literatur
", mit deren Erscheinen in Berlin noch 1970 zu rechnen
ist.

Schon der Anhang mit Abkürzungsverzeichnis (401 f.),
Anmerkungen (403—458), Literaturverzeichnis (459—478,
in dem eine Bengel-Biographie an erster Stelle steht), und
einem hilfreichen Personen-, Orts- und Sachregister (479
bis 495) zeigt, wie sorgfältig und zuverlässig M. gearbeitet
hat und wie gut fundiert alles das ist, was der Leser
im Textteil findet: Das Lit.-Verzeichnis enthält die einschlägigen
Werke bis zum Jahre 1969; die Anm. geben klare
Auskunft, inwiewieit sich M. auf die früher herausgebrachten
Bengel-Biographien stützt, inwieweit er vor allem das
Material verwertet hat, das sich bei Bengels Urenkel Joh.
Chr. Fr. Burk1 und bei Karl Hermann2 findet.

Mit Recht kann M. sagen, daß in seinem Buch „eine ganze
Anzahl von Quellen, bes. handschriftliche Materialien
verarbeitet sind, die bisher unbekannt waren oder noch
niemals ausgewertet wurden" (9). Das gilt für den ersten
Teil: „Leben" (15—121). „Trotz der grundlegenden Arbeiten
von Burk und Hermann . . . ließ sich bei der vorliegenden
Darstellung in den vier biographischen, den wichtigsten
Stationen des Lebens1' folgenden Kapiteln über den
bisherigen Forschungsstand wesentlich hinauskommen, bes.
beim vierten, den Prälatenjahren zugeordneten Kapitel"
(10)'. Zum zweiten, umfangreichsten Teil: „Werke" (123
bis 283) bemerkt M. in seiner Einleitung: „Hier gab es bisher
nur wenige nützliche Vorarbeiten, so daß die vorgelegte
Analyse hauptsächlich direkt aus den Quellen erhoben
werden mußte; ... in ihm wird erstmals der Versuch
unternommen, die Gelehrtenarbeit Bengels in ihrer ganzen
Breite vor Augen zu führen" (10). Bescheidener äußert sich
M. über den dritten Teil: „Grundzüge des Denkens" (285
bis 355): „Die ersten zwei Teile des vorliegenden Buches
geben das Fundament für den dritten, der Grundzüge des