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Ausgabe:

1971

Spalte:

253-254

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Bibel und Qumran 1971

Rezensent:

Reicke, Bo

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253

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 4

254

Schulze zeigt in instruktiver Weise, in welchem Maße
»Bekenntnisbindung und Lehrverpflichtung in der Zeit der
Aufklärung" zwischen Orthodoxie, Neologie und Deismus
strittig gewesen sind (S. 159—172). Lehrreich ist der Nachweis
, daß die Positionen der streitenden Parteien alle am
Modell des kollegialistischen Kirchenbegriffs orientiert sind.
Nicht erst heute, sondern schon in der Aufklärung ist die
Frage der Bekenntnisbindung faktisch aus einer juristischen
zu einer hermeneutischen geworden.

Praktisch-systematischen Gegenwartsproblemen sind die
letzten drei Beiträge gewidmet. Heino F a 1 c k e behandelt
-Die Säuglingstaufe als Problem evangelischer Tauflehre
und Taufpraxis" (S. 173—192). Ausgehend von dem Nachweis
, daß sich in Sachen Taufe die Situation und die Frontstellung
im Vergleich zur Reformationszeit „radikal" gewandelt
haben, werden wesentliche theologische Einwände
gegen die sachliche Angemessenheit der Säuglingstaufe vorgetragen
. Die Taufe hat theologisch und praktisch ihren
Ort „im Wortgeschehen". Sie ist daher mit O. Weber als
„Verkündigungshandlung" zu verstehen. Als praktische Konsequenz
folgt daraus der Taufaufschub bzw. die Katechu-
menatstaufc. — Ulrich Kühn formuliert und kommentiert
12 Thesen zum Thema „Amt und Ordination" (S. 192-214).
Der Begriff „Amt" wird theologisch als „Dienst der Versöhnung
" definiert; er ist ein funktionaler, kein habitualer
Begriff. Das Amt hat seinen Grund in der Versöhnungstat
Gottes in Christus und wird im N.T. ausgelegt als das Prie-
stertum, in das alle Glaubenden durch die Taufe eingesetzt
sind. Die Ordination ist dann die Übertragung von in der
Kirche geordneten Diensten an Getaufte gemäß der ständigen
Dualität von Wort und Glaube. Als solche kann sie
nicht auf die Übertragung des vollen Pfarramtes beschränkt
bleiben und nicht nur auf Lebenszeit erfolgen. — In einem
Anhang bringt J. Henkys noch 7 Thesen „Zur soziologisch
-psychologischen Problematik" von Amt und Ordination
(S. 215 f.). Er fragt nach gesellschaftlich bedingten Faktoren
, die das herkömmliche Verständnis mitgeprägt haben,
in Zukunft aber gerade dessen Modifizierung nahelegen
können.

Kann auch hier keine kritische Würdigung der einzelnen
Beiträge erfolgen, so sei doch abschließend hervorgehoben,
daß dieser Band durch eine Fülle profilierter Thesen zu intensivem
theologischem Weiterdenken einlädt. Leider wird
dies technisch dadurch erschwert, daß im Unterschied zum
1. Band die Anmerkungen jeweils gesammelt erst am Schluß
der einzelnen Aufsätze folgen.

Leipzig Günter Haufe

[Bardtke, Hans:) Bibel und Qumran. Beiträge zur Erforschung
der Beziehungen zwischen Bibel- und Qumran-
wissenschaft, hrsg. v. S. Wagner. Hans Bardtke zum
22.9.1966. Berlin: Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft
1968. 258 S„ 3 Abb. i. Text, 6 Taf. gr. 8°.
Zum 60. Geburtstag des bekannten Alttestamentiers überreicht
, enthält die Festschrift 21 Beiträge von Vertretern
der internationalen Qumranforschung. Sechs sind in der
°DR zu Hause, jeweils drei in der Bundesrepublik, Frankreich
und Skandinavien, die übrigen in anderen Gegenden
von West- und Osteuropa. Die meisten Studien beziehen
sich direkt auf Qumran, wobei sie entweder über die Forschungen
berichten oder neue Einsichten vermitteln. Für
jeden Arbeiter an diesem Weinberg sind die Aufsätze ergiebig
, aber die Fülle des Stoffes kann hier nicht zusammengepreßt
werden. Über den Begriff der Erkenntnis in
den Lobliedern schrieb der Herausgeber S. Wagner eine
Wertvolle Studie (S. 232—252), die der Rezensent in einem
Parallel erschienenen Aufsatz über die Ordensregel gern angeführt
hätte1. Auf das N.T. beziehen sich drei Titel: G. R.
Driver spekuliert über die Zahl 666 (75—81), W. Grundmann
diskutiert die Gottessohnschaft (86—111), und G. Molin
behandelt das Wort „deinen Feind hassen" (150—152).

Zwei der auf Qumran nur indirekt bezogenen Studien
sind besonders inhaltsreich. M. Dekor untersucht das Testament
Hiobs im Lichte neuer Texte (S. 57—74), bezeichnet
es als vorchristlich und möchte es auf die Lage nach der
Partherkatastrophe 40 v. Chr. beziehen. A. Strobel gibt einen
gediegenen, illustrierten Primärbericht über die Topographie
und Geschichte von Machärus, wo Johannes der
Täufer eingesperrt wurde (S. 198—225).

Basel Bo Reicke

1 Neotestamentica et semitica. Studies in Honour of M. Black (1969)
245-255; Besprechung von W. Wiefels in ThLZ 95 (1970) 349-351.

Carman, John B.: Continuing Tasks in Inter-Religious Dia-
logue (ER 22, 1970 S. 199—209).

Congar, Yves, et C. Geffre: Bulletin de theologie. Problemes
generaux (RSPhTh 54, 1970 S. 329-371).

Mann, Frido: Die Theologie im interdisziplinären Gespräch
der Wissenschaften (StZ 95, 1970 S. 109—116).

Panikkar, Raymond: L'eglise et les religions du monde
(Communio viatorum 12, 1969 S. 197-201).

Töth, Käroly: Die Antwort der Kirche auf die gesellschaftlichen
Herausforderungen unserer Zeit. Über die Notwendigkeit
von Änderungen in der Theologie (ZdZ 24, 1970
S. 257-265).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Ort, L. J. R.: Mani. A Religio-Historical Description of his
Personality. Leiden: Brill 1967. X, 286 S. gr. 8* = Supp-
lementa ad Numen, altera series: Dissertationes ad hi-
storiam religionum pertinentes, edendas curavit C. J.
Bleeker, I.

Die vorliegende Monographie besteht aus vier Teilen:
einer Forschungsgeschichte in Auswahl, einem Überblick
über die manichäischen Primär- und Sekundärquellen, einer
Darstellung von Manis religiösem Selbstverständnis
und einer Darstellung des Verständnisses, das Anhänger
und andere Autoren von Manis Persönlichkeit hatten. Einer
Bibliographie folgen dann Indices der Namen und Sachen,
der modernen Autoren und der zitierten mitteliranischen
und koptischen Texte.

Die Teile sind von unterschiedlichem Wert. Die Forschungsgeschichte
mag als eine Zusammenstellung dessen
gelten, was sich bis heute als das Wichtigste erwiesen hat.
Der Überblick über die Quellen (S. 20-46) enthält zwar
nichts Neues und reproduziert zum Teil ältere Zusammenstellungen
, kann aber dem Anfänger das Suchen nach und
in diesen erleichtern.

Von einem Literaturverzeichnis erwartet man, daß es entweder
eine Bibliographie zum Gegenstand bietet, die alles
Wesentliche enthält, oder daß sie das Material aufführt,
das in der Monographie verarbeitet ist. Was die erste Forderung
anlangt, so ist sie von J. P. Asmussen, X"ästvänlft.
Studies in Manichaeism (Copenhagen 1965) verwirklicht,
und Ort hat diese Bibliographie offensichtlich einfach abgeschrieben
, wobei er nur gelegentlich einen unwichtigen
Titel hinzufügt (z. B. einen fünfseitigen Forschungsbericht
von U. Fracassini aus dem Jahre 1926), dafür aber sehr viel
wichtigere wegläßt. Was die zweite Forderung anlangt, so
zeigt schon ein oberflächlicher Blick auf die Druckseiten,
wie dürftig die Dokumentation ist.

Und genauso unbefriedigend ist die Qualität der Darstellung
im dritten und vierten Teil (S. 46—260). Äußerlich
fällt hier zunächst auf, daß fast fünfzig Seiten aus Zitaten
von schon edierten Texten bestehen. Fügt man die „Kommentare
" hinzu, in denen entweder die konzisen Bemerkungen
der Editoren weitschweifig in Sätze umgesetzt werden