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1971

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Lilcraturzcitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

232

ich kann von daher also auch nicht gewiß sein, daß meine
Praxis „christlich" werden wird. Phil 2,12 (setzt eure
Rettung mit Furcht und Zittern in die Praxis um) ist
u.E. als Verhaltensratschlag in echter Ungewißheit zu
verstehen. Die im Protestantismus seit 100 Jahren
(Ritsehl) programmatisch zitierte Stelle Joh 7,17 „wer
tun will, wird innewerden..." (die im Artikel „Praxis"
nicht vorkommt) erinnert daran, daß das glaubende Erkennen
, was getan werden ,sollte', im nachhinein geschieht
, nicht als Vorweg-Sicherung. Im Artikel „Liebe"
wirkt l.Kor 13 wie eine Beschreibung menschlicher Tugend
. Der AT-Teil des Artikels läuft hinaus auf die Parolen
: Haß und Vernichtung den Feinden! Die Verfasserin
erwartete wohl vom NT-Teil, daß er die Feindesliebe als
das entscheidende Neue betonen würde. Aber der Herausgeber
erwähnte sie nicht. Dadurch hängt der AT-Teil
grausam in der Luft, und der NT-Teil klingt zu enthusiastisch
. Die indikativische Redeweise bei Paulus ist ein
Reden von Gott wie 1. Joh. 4,16: Gott ist Liebe; wenn der
Mensch davon überkommen wird, ist er der Erkennende,
nicht der auf ,göttliche' Weise Handelnde. - Die in diesem
Lexikon empfohlene Offenheit in allen Weltbezügen, von
keinen Selbstbehauptungsängsten verklemmt, ist schlicht
begrüßenswert. Überzeugend zeigt der Herausgeber den
Glauben als freies „Spiel".

Heidelberg Heinz Eduard Tödt

Vellmer, Erich: Freiheit von den Zwängen. Predigten. Tübingen
: Mohr 1968. 267 S. kl.8°. Kart. DM 12.-; Lw. DM
16,50.

Vf. legt 32 aus einem Zeitraum von 8 Jahren zusammengestellte
Predigten vor, von denen 16 in städtischen und
ländlichen Gemeinden gehalten, 5 zugleich im Rundfunk
übertragen wurden. Unter den übrigen finden wir des
Vf.s Predigt zu seiner Einführung in das Bischofsamt;
5 Ordinationspredigten; 2 zur Ingebrauch- bzw. Wiederingebrauchnahme
von Kirchen; Jubiläumspredigten zum
Abschluß der Reformationsfeiern 1967 in Worms, zur
600-Jahr-Feier der Martinskirche in Kassel, zum 20jähri-
gen Bestehen einer landeskirchlichen Schule; 4 zur Eröffnung
von Synodaltagungen; 1 an die Mitarbeiterschaft
des Landeskirchenamtes.

In einer prägnant formulierten Einleitung fixiert Vf.
seine homiletischen Grundsätze: Nach dem NT stehen die
Prediger als „Wortempfänger und Wortverkündiger"
unter dem Auftrag, durch ihr „Zeugniswort" Menschen in
verständlicher, ihnen einsichtiger Rede „die Situation der
Welt aufzudecken", sie „sich selbst durchsichtig" zu
machen, sie durch „die Selbstoffenbaruug Jesu ... vor
die Entscheidung" zu stellen, ob sie ihr „Selbstsein im
Glaubensgehorsam verwirklichen" wollen (8f.).

Die Predigt, unverrückbar in dem in Jesus Christus
geoffenbarten Wort Gottes und in der „dem Wort der
Gemeinde Verkündigung innewohnenden Kraft" des heiligen
Geistes begründet (8), muß zugleich die Menschen
in ihren „Eigentümlichkeiten" im Blick behalten (10),
ihnen „zur persönlichen Anrede werden" (7). Auch der
„sachliche Mensch" der Gegenwart, konfrontiert mit den
sein Menschsein betreffenden Fragen, bleibt von sich aus
in einer vordergründigen Sachlichkeit befangen. Darum
gehört es zur Aufgabe der Predigt, ihn zu „echter Sachlichkeit
" zu führen, ihm in seiner „Heillosigkeit" zu
helfen (llf.) durch „sachliche ... dialogische Predigt, die
mit dem Hörer denkt, seine Fragen aufgreift ..., Antwort
gibt" (13).

Entsprechen auch die heutigen Menschen im Grunde
denen der Bibel, so haben wir doch die „in das Vorstellungsmaterial
und die Aussageweise des neutestament-
lichen Zeitalters" gekleideten biblischen Texte zu entschlüsseln
, „zu unterscheiden zwischen den AAissage-
mitteln und dem Aussageinhalt..., die Aussago des Textes
zu ermitteln und in unserer Sprache zu formulieren" (14).
Ist „der eigentliche PredigttextJesus Christus selbst",
der sich „in unserem Zeugniswort zur Sprache bringen
will" (16) ...„unverfügbar", so ist „der neutestamentliche
Text ... verfügbar, er unterliegt ... den Gesetzen der
Exegese, also auch der Textkritik nach der historischkritischen
Methode" (14), muß der heutige Prediger seine
Predigt „vor dem Aussagewillen des neutestamentlichen
Textes rechtfertigen können", wobei er, an den Text
gebunden, infolge der veränderten Situation der heutigen
Hörer „Freiheit vom Text" hat (15).

Vf. hält sich unter Ablehnung eines Zwanges an die
Perikopenordnung. „Mottopredigten" finden sich bei ihm
nicht. Die durchweg neutestamentlichen Texte sind der
revidierten Luther- oder auch der Zürcher-Bibel entnommen
, gelegentlich durch eigene Übersetzung verdeutlicht
. Moderne Bibelübersetzungen hält Vf. „für
den Gottesdienst nicht geeignet, weil sie sich zu weit vom
Urtext entfernen, ihn mitunter schon interpretieren oder
auch einzelne Stellen falsch übersetzen" (i6). Alle Predigten
, gut disponiert, werden vom Textskopus bestimmt,
der über den gedruckten Predigten jeweils als das Interesse
des Lesers weckende Überschrift wiedergegeben ist.
Die Sprache ist knapp, unpathetisch, sachlich. Die verschiedenen
Genera der ausgewählten Predigten machen
Lektüre und Studium derselben anregend und lehrreich.
Ordinanden und Pfarrern werden pastoraltheologische
Hilfen gegeben. Den Gemeinden wird „der eigentliche
Grund und Inhalt unseres Glaubens" bezeugt (37), werden
überlieferte Begriffe in ihrem Sachgehalt ausgelegt
und, wenn nötig, Ergebnisse der historisch-kritischen
Theologie in rechter Weise zugemutet. Ohne Scheu wendet
sich der Prediger gegen die „sich heute zu Unrecht als
moderne Theologie" ausgebende „Gott-ist-tot-Theologie",
gegen „Zeitphilosophie und Modesoziologie" (207f.).

Die Predigten des von Bultmanns Exegese und
Methode geprägten Vf.s demonstrieren, daß die „Bultmannschule
" das Predigen weder zu erschweren noch gar
zu hindern braucht, sie vielmehr zur rechten, theologisch
verantwortlichen und zeitgemäßen Verkündigung frei
zu machen vermag. Sie sollten von Theologen und Gemeindegliedern
, auch von der Kirche Entfremdeten zur
Kenntnis genommen, in praktisch-theologischen Seminaren
und Arbeitsgemeinschaften analysiert werden. Die
Prediger insbesondere haben gegenwärtig allen Grund,
mit Ernst zu fragen, ob nicht die viclberedete Krise des
Glaubens und der Kirche zutiefst Krise der Predigt ist.

Braunsbach__Erich Altondorf

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Handbücherei für Gemeindearbeit, hrsg. v. A.Funke,
W.Hahn, P.Krusche, A.Niebergall, H.-W.Surkftu, H.Thim-
me, 48. Kart. DM 7,80.