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Ausgabe:

1971

Spalte:

227-228

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Möller, Christian

Titel/Untertitel:

Von der Predigt zum Text 1971

Rezensent:

Jenssen, Ernst

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Seite 1

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227

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

228

Schöne, Jobst: Lehre oder Information? Überlegungen zu
neuen Wegen protestantischer Theologie (Lutherische Blätter
22, 1970 S.37-46).

Schwarz, Hans: Theistic or Non-theistic Talk about God (ThZ
26, 1970 S. 199-214).

Sorokin, W.: Das Tatzeugnis der Getauften (Stimme der
Orthodoxie 1970 Heft 9 S.50-53).

Steck, Karl Gerhard: Über die Einheit im Bekennen. Ist
„consensus de doctrina" heute nötig und möglich?(Luthe-
rische Monatshefte 9, 1970 S. 352-356).

Wulf, Friedrich: Ich glaube. Verunsicherung und Neugewinnung
des christlichen Glaubens (Geist und Leben 43, 1970
S. 161-173).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Möller, Christian: Von der Predigt zum Text. Hermeneutische
Vorgaben der Predigt zur Auslegung von biblischen Texten.
Erarbeitet u. dargestellt an der Analyse von Predigten Karl
Barths, Friedrich Gogartens u. Rudolf Bultmanns. München
: Kaiser [1970]. 200 S. 8° = Studien zur Praktischen
Theologie, hrsg. v. R. Bohren, K. Fror, M. Seit«, 7. DM 16,50.

„Predigten von Barth, Gogarten und Bultmann bieten
die reizvolle Gelegenheit, den herkömmliehen Satz ,Vom
Text zur Predigt' umzugestalten und das Verstehen des
Textes von der Predigt her in Gang zu bringen. Es zeigt
sich, daß die Predigt-Kritik eine exegetische Bewegung
auslösen kann, die für den Weg vom Text zur neuen
Predigt einen entscheidenden Ertrag bringt." So lauten
die Sätze, die der Verlag auf die Außenseite des Umschlages
gesetzt hat, um den etwas erstaunlichen Titel des
Möllerschen Buches zu rechtfertigen. Ein sorgsamer Leser
wird sich wohl sofort die Frage vorlegen: Kann man denn
überhaupt eine Predigt entwerfen, wenn man nicht zuvor
den Text, auf den sie sich gründen soll, genau durchdacht
hat? Ist nicht über mehr als tausend Jahre hin der alte
Satz „vom Text zur Predigt" in Kraft gewesen? Waruni
soll er denn durchaus umgestaltet werden?

Im allgemeinen ist ja noch der alte Rat in Geltung, daß
der Prediger vor der Ausarbeitung seiner Predigt nicht
fremde Predigten lesen möge, welche den selben Text behandeln
. Eine Ausnahme von dieser Regel gesteht, wie
Möller erwähnt, Gogarten dem Prediger zu: er möge zuvor
die Predigt Luthers lesen, die einst dem zu behandelnden
Texte gegolten hat. Möller also möchte durch sein Buch -
dem eine Marburger Dissertation bei Ernst Fuchs zugrunde
liegt - seinen Lesern überzeugend nachweisen,
daß es durchaus gewinnbringend sei, durch das Lesen und
Durchdenken von Predigten, die andere über den fraglichen
Text gehalten haben, die eigene Exegese zu vertiefen
. Durch eine so gewonnene Vertiefung lasse sich am
leichtesten der notvolle Graben überwinden, den zwei
Jahrtausende zwischen den Jahren, in denen die Schriften
der Bibel entstanden und niedergeschrieben seien, und
unseren Tagen, da die alten Texte aufs neue gelesen werden
und da über sie gepredigt werden soll. Möller greift
hier die homiletische Planung des frühen Barth auf, wie
er sie in seiner Safenwiler Zeit ins Auge gefaßt hat. Im
weiteren Verlaufe seines Buches beschäftigt sich der Vf.
eingehend mit der Predigtweise der folgenden Theologen :
Marxsen, Käsemann, Bohren, Gogarten und Bultmann.
Er will beweisen, daß die Versuche dieser Prediger, den
Graben zu überbrücken, der zwischen der Entstehung des
Bibeltextes und der Predigtaufgabe, wie sie sich in unserer
Zeit stellt, entstanden ist, nicht gelungen sind. Besonders
gelte das von den Predigten Marxsens und Bultmanns.
Sie alle konfront eren eine sorgfältige Analyse der historischen
Situation, in welcher der Text entstanden ist, mit.
einer sorgfältigen Analyse der gegenwärtigen Gemeinde.
Doch auf dem von ihnen gewählten Wege trete, wie Möller
es mit einer Wendung seines Lehrers Fuchs bezeichne!,
ein „SprachVerlust" ein. Diesem Verlust sei allerdings in
seinen jüngeren Jahren auch Karl Barth nicht entgangen.
Aber dessen Baseler Gefängnis-Predigten zeigten gegenüber
den Predigten seiner Frühzeit eine bemerkenswerte
Weiterentwicklung auf. Diese Weiterentwicklung wird
von Möller mit großer Sorgfalt in herzlicher Bewunderung
aufgezeigt.

Nachdem der Inhalt des Möllerschen Buches in Kürze
dargelegt ist, bleibt uns die Aufgabe, vom Wert dieser
Arbeit zu sprechen. Dieser Wert liegt zunächst in einer
Reihe von sorgfältigen, oft geradezu subtilen Einzelanalysen
, die leider bei der Besprechung eines ganzen
Buches nicht aufgezeichnet werden können, denen aber
gewiß von den Lesern des Buches oft mit Freude nachgedacht
wird. Schaut man auf das ganze Werk, so dar!
man sagen: es ist Möller gelungen aufzuzeigen, daß ein
Lesen und Durchdenken von Predigten, die andere vor
uns über den von uns gewählten Text gehalten haben, eine
wichtige Hilfe für uns werden kann, die uns Klärung, Bereicherung
, auch wohl einmal eine Umstellung unserer
Gedanken bringen kann. Die Kenntnis einer Predigt, die
andere über unseren Text geschrieben, kann uns gewiß
uohl auch einmal schützen vor einem zu vorschnellen
Versuch einer Aktualisierung der eigenen Predigt. Im
besten Falle kann sie hinführen zu einer im Text selbst
gegebenen Aktualität, die von uns nicht gleich bemerkt
war. Daß man sich auch Gefahren aussetzt, wenn man
fremde Predigten vor dem Beginn der eigenen liest, ist ja
bekannt und hat ja einst zu dem Rat geführt, man solle
vor der eigenen Arbeit an Text und Predigt nicht lesen,
was andere vor uns gepredigt haben. Jeder muß erst
selbst erfahren, was für ihn selbst das Beste sei, das Lesen
oder das Nichtlesen von Predigten, die andere über „seinen
" Text gehalten haben.

Es ist nun wohl auch notwendig, die Frage aufzuwerfen
, ob es ein glücklicher Gedanke war, den Nachweis, daß
das Lesen fremder Predigten vor dem Entwurf der eigenen
sehr förderlich sein kann, zu verbinden mit einer Kritik
der Predigten von Marxsen, Bultmann und anderer? Eine
gerechte Beurteilung der Predigtweise dieser Theologen
ist unzweifelhaft nicht erreicht worden, vielleicht aus dem
Bestreben heraus, durch Gegensätze Barths Predigerleistung
recht deutlich zu machen. Wie es sich damit verhalten
möge, der Vf. unseres Buches verdient Dank dafür
, daß er durch sein Buch und durch dessen etwas provozierenden
Titel darauf aufmerksam gemacht hat, daß
auch vom Lesen fremder Predigten her für die eigene
Predigt Wertvolles zu gewinnen ist.

Grelfawald Ernst Jenssen

Praktisches Bibellexikon. Unter Mitarb. katholischer und evangelischer
Theologen hrsg. v. A. Grabner-Haider. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1969. XLVII S., 1276 Sp., 6* S.. 1 Zeit-
taf., 8 färb. Ktn. 8°. Lw. DM 28,-.

Unter den Katholiken wird nach dem Vatikanum 11
auf neue, selbständige Weise nach der Bibel gefragt. Das
vorliegende Buch will denjenigen, die nicht theologisch
vorgebildet sind, aber sich in Gruppen oder einzeln mit
der Bibel beschäftigen, Hilfsmittel und Ergebnisse der
Bibelwissenschaft vermitteln. Es setzt sich zum Ziel:
„Eine biblische Hermeneutik will die christliche Praxis"
(S.VIII). Mit diesem Ansatz versteht sich das Buch als
Experiment. Es muß sich zeigen, wie weit er trägt. - Wer
mit dem Buch arbeiten will, kann in der Literaturauswahl
gute Anregungen für Nichttheologen finden, sich in der
Zeittafel (31/,, Seiten) eine handliche Einordnung biblischer
Texte in geschichtliche Zusammenhänge bieten
Lassen, dem „Schlüssel" zu AT und NT (26 Seiten) eine